BAG: Änderungskündigung zur Entgeltsenkung; Arbeitnehmerüberlassung

16.01.2006

Bundesarbeitsgericht

Eine Änderungskündigung zur Entgeltsenkung ist nicht allein deshalb sozial gerechtfertigt,

weil eine neue gesetzliche Regelung die Möglichkeit vorsieht, durch Parteivereinbarung einen

geringeren (tariflichen) Lohn festzulegen, als er dem Arbeitnehmer bisher gesetzlich

oder vertraglich zustand. Nach § 9 Nr. 2 AÜG in der zur Zeit der Kündigung geltenden Fassung

sind Vereinbarungen unwirksam, die für den Leiharbeitnehmer ein geringeres Entgelt

vorsehen, als es vergleichbaren Arbeitnehmern des Entleihers gezahlt wird (equal-pay-

Gebot). Ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen zulassen. Im Geltungsbereich eines

solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung

der tariflichen Regelungen vereinbaren. Lehnt der betroffene Arbeitnehmer es ab,

im Gegensatz zu der bisherigen Vertragsgestaltung die Anwendung eines Tarifvertrages zu

vereinbaren, der eine geringere als die im Entleiherbetrieb maßgebliche Vergütung vorsieht,

so rechtfertigt dies allein noch nicht nach § 2, § 1 Abs. 2 KSchG eine Änderungskündigung.

Eine betriebsbedingte Änderungskündigung zur Entgeltsenkung, die nachhaltig in das arbeitsvertragliche

Verhältnis von Leistung und Gegenleistung eingreift, setzt ein dringendes

betriebliches Erfordernis voraus, das einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten

Bedingungen entgegensteht. Das bloße Bestreben des Arbeitgebers, der mit

anderen Arbeitnehmern entsprechende Vereinbarungen getroffen hat, zur Vereinheitlichung

der Arbeitsbedingungen im Betrieb reicht hierfür nicht aus.

Die Beklagte betreibt gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung. Die Klägerin war bei ihr seit

dem 1. September 2002 befristet bis 31. August 2004 als Leiharbeitnehmerin beschäftigt. Sie

wurde als Dozentin bei der G-GmbH eingesetzt. Diese bezahlt die bei ihr tätigen Arbeitnehmer

nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag in der für die Evangelische Kirche im Rheinland

geltenden Fassung (BAT-KF). Mit der Klägerin war zuletzt ein Bruttomonatsgehalt von

2.660,00 Euro vereinbart. Eine Vergütung nach dem BAT-KF hätte nach Berechnung der

Klägerin etwa 400,00 Euro höher gelegen. Durch Änderungskündigung vom 21. Januar 2004

bot die Beklagte der nicht tarifgebundenen Klägerin eine Änderung der Arbeitsbedingungen

an. Danach sollten in Zukunft die Tarifverträge des Interessenverbandes deutscher Zeitarbeitsunternehmen

anwendbar sein, was zu einer Verringerung der Vergütung der Klägerin

auf 2.297,39 Euro geführt hätte. Diesen Verlust gegenüber der vereinbarten Vergütung von

2.660,00 Euro wollte die Beklagte durch eine verrechenbare Besitzstandszulage ausgleichen.

Die Klägerin hat geltend gemacht, das Änderungsangebot führe trotz der Besitzstandszulage

zu einer erheblichen Kürzung ihres gesetzlichen Entgeltanspruchs entsprechend dem BATKF.

Diese sei sozial nicht gerechtfertigt. Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe ein wirtschaftliches

Interesse, die Tarifverträge in alle Arbeitsverträge zu übernehmen und damit die

Arbeitsbedingungen im Betrieb einheitlich zu gestalten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten blieb

erfolglos. Das Bundesarbeitsgericht ist dem Landesarbeitsgericht in der Begründung gefolgt,

die Beklagte habe kein hinreichend dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderung der

Arbeitsbedingungen der Klägerin dargelegt.

BAG, Urteil vom 12. Januar 2006 - 2 AZR 126/05 -

 

Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urteil vom 22. Februar 2005 - 8 Sa 1756/04 -

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