BAG: Gewerkschaftliche Einwirkungsklage gegen den Arbeitgeberverband – Beachtung des Senioritätsprinzips bei der Schulung für Flugzeugmuster

18.11.2010

Die Klage einer Gewerkschaft gegen einen Arbeitgeberverband, auf sein Mitglied zur Beachtung der tarifvertraglichen Vorgaben einzuwirken, bedarf nicht einer vorherigen rechtskräftigen Entscheidung über den Inhalt der tariflichen Verpflichtung, um deren Einhaltung es geht. Das gilt jedenfalls dann, wenn in dem Rechtsstreit sowohl über die Einwirkungsverpflichtung als auch über die ausdrücklich zum Streitgegenstand erhobene umstrittene Auslegungsfrage entschieden wird.

Die klagende Gewerkschaft hat mit dem beklagten Arbeitgeberverband einen für das diesem angehörende Luftfahrtsunternehmen geltenden "Tarifvertrag über Wechsel und Förderung" geschlossen. Dieser regelt für die Cockpitbeschäftigten die Bedingungen eines Wechsels auf ein anderes Flugzeugmuster. Ausgeschriebene Stellen für eine Umschulung werden nach der näher geregelten Seniorität der geeigneten Bewerber vergeben. Einen für vier Flugkapitäne ausgeschriebenen Umschulungskurs besetzte das Luftfahrtunternehmen darüber hinaus mit einem fünften Flugkapitän, der nicht über die erforderliche Seniorität verfügte. Diesem sollte eine Position im Management als Abteilungsleiter übertragen werden, dessen Anforderungsprofil die Berechtigung für das Flugzeugmuster des betreffenden Kurses verlangt. Die Gewerkschaft meint, die Senioritätsregelungen würden auch für diesen Fall gelten. Sie begehrt eine entsprechende Feststellung über die Auslegung des Tarifvertrages und verlangt von der Beklagten, auf ihr Mitglied einzuwirken, entsprechend zu verfahren.

Die Revision der Gewerkschaft gegen die klageabweisende Entscheidungen der Vorinstanzen blieb vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Die Einwirkungsklage bedurfte nicht einer vorherigen rechtskräftigen Feststellung über den Inhalt der tariflichen Regelung. Der Senat hat es in Fortführung seiner Entscheidung vom 10. Juni 2009 – 4 AZR 77/08 – als ausreichend angesehen, das diese Frage einen eigenständigen Streitgegenstand bildete. Das Begehren der Gewerkschaft war jedoch insgesamt unbegründet, da das Luftfahrtunternehmen den Tarifvertrag nicht verletzt hatte. Das Senioritätsprinzip greift nur bei einem „Wechsel“ auf ein „Wechselmuster in derselben Funktion“ als Kapitän, Copilot oder Flugingenieur.

Diese Tätigkeiten sollte der fünfte Kapitän, der zudem die Kapazitäten des Umschulungskurses nicht verkürzte, aber nicht ausüben. Soweit mit seiner Managementaufgabe fliegerische Tätigkeiten verbunden sind, dienen sie lediglich der Wahrnehmung seiner Leitungsaufgaben im Management, nicht einer Tätigkeit als planmäßiger Copilot oder Flugkapitän.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. November 2010 - 4 AZR 118/09 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 12. November 2008 - 4 Sa 53/08 -

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