BAG: Kein gesetzlicher Mindestlohn für Pflichtpraktikum als Zulassungsvoraus-setzung für die Aufnahme eines Studiums

20.01.2022

Praktikanten, die ein Pflichtpraktikum absolvieren, das nach einer hochschulrechtlichen Be-stimmung Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums ist, haben keinen An-spruch auf den gesetzlichen Mindestlohn.

Die Klägerin beabsichtigte, sich an einer privaten, staatlich anerkannten Universität um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin zu bewerben. Nach der Studienordnung ist ua. die Ab-leistung eines sechsmonatigen Krankenpflegedienstes Zugangsvoraussetzung für den Studi-engang. Vor diesem Hintergrund absolvierte die Klägerin bei der Beklagten, die ein Kranken-haus betreibt, in der Zeit vom 20. Mai bis zum 29. November 2019 ein Praktikum auf einer Krankenpflegestation. Die Zahlung einer Vergütung wurde nicht vereinbart. Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter Berufung auf das Mindestlohngesetz (MiLoG) Vergütung in Höhe von insgesamt 10.269,85 Euro brutto verlangt. Sie hat geltend gemacht, sie habe im Rahmen einer Fünftagewoche täglich 7,45 Stunden Arbeit geleistet. Ein Vorpraktikum vor Aufnahme eines Studiums sei kein Pflichtpraktikum im Sinne des MiLoG, daher greife die gesetzliche Aus-nahme von der Vergütungspflicht nicht ein.

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Beklagte nicht zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach § 1 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 MiLoG* verpflichtet ist. Die Klägerin unterfällt nicht dem persönlichen Anwen-dungsbereich des Gesetzes. Der Ausschluss von Ansprüchen auf den gesetzlichen Mindest-lohn nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG* erfasst nach dem in der Gesetzesbegründung deut-lich zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers nicht nur obligatorische Praktika während des Studiums, sondern auch solche, die in Studienordnungen als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorgeschrieben sind. Dem steht nicht entgegen, dass die Studienordnung von einer privaten Universität erlassen wurde, denn diese Universität ist staatlich anerkannt. Hierdurch ist die von der Hochschule erlassene Zu-gangsvoraussetzung im Ergebnis einer öffentlich-rechtlichen Regelung gleichgestellt und da-mit gewährleistet, dass durch das Praktikumserfordernis in der Studienordnung nicht der grundsätzlich bestehende Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für Praktikanten sach-widrig umgangen wird.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Januar 2022 - 5 AZR 217/21 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. März 2021 - 8 Sa 206/20 -

*§ 22 Abs. 1 MiLoG

1Dieses Gesetz gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. 2Praktikantinnen und Praktikanten im Sinne des § 26 des Berufsbildungsgesetzes gelten als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, es sei denn, dass sie

1. ein Praktikum verpflichtend auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsord-nung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten,

3Praktikantin oder Praktikant ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine be-grenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt.

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