BAG: Nachbindung an einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 3 TVG – „Andere Abmachung“ nach § 4 Abs. 5 TVG

03.07.2009

Bundesarbeitsgericht

Ein Arbeitgeber ist nach seinem Verbandsaustritt an die vom Arbeitgeberverband

geschlossen Tarifverträge kraft Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG bis zu deren

Ende unmittelbar und zwingend gebunden. Anschließend wirken sie nach, „bis sie

durch eine andere Abmachung ersetzt werden“. Eine arbeitsvertragliche Vereinbarung,

die untertarifliche Abreden enthält und bereits im Stadium der Nachbindung

gelten soll, ist grundsätzlich bereits nach ihrem Regelungswillen keine „andere Abmachung“

im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG.

Für das Arbeitsverhältnis des Klägers galt kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der

einschlägige Gemeinsame Manteltarifvertrag der Metallindustrie (GMTV). Die Beklagte

trat im September 2004 aus dem tarifvertragsschließenden Arbeitgeberverband

aus. Im Februar 2005 vereinbarte sie ua. mit dem Kläger abweichend vom

GMTV die stundenweise Anhebung der regelmäßigen Arbeitszeit ohne Entgeltausgleich.

Im Juli 2005 schlossen die Tarifvertragsparteien des ungekündigten GMTV,

ohne diesen zuvor gekündigt zu haben, einen neuen Manteltarifvertrag (MTV), der ab

dem 1. Januar 2006 gelten sollte. Die unmittelbare und zwingende Wirkung des MTV

anstelle des GMTV ist ab dem betrieblichen Einführungsstichtag des tariflichen Entgeltrahmenabkommens

(ERA) vorgesehen, spätestens aber zum 31. Dezember

2008. Das ERA konnte ab dem 1. Januar 2006 auf freiwilliger Basis eingeführt

werden. Zum 1. Oktober 2007 schloss die Beklagte mit der IG Metall, die auch den

GMTV und den MTV vereinbart hatte, einen Firmentarifvertrag, der im Wesentlichen

die zuvor einzelvertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen unterhalb des Niveaus

des GMTV zum Gegenstand hat.

Die Revision der Beklagten blieb vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts

insoweit erfolglos, als sie sich gegen das vorinstanzlich erfolgreiche Begehren des

Klägers richtete, trotz der vertraglichen Abrede vom Februar 2005 seien für ihn die

Arbeitszeitregelungen des GMTV jedenfalls bis zum Inkrafttreten des Firmentarifvertrags

maßgebend. Der GMTV galt nach dem Verbandsaustritt der Beklagten bis zu

dessen Beendigung für die Parteien unmittelbar und zwingend und verdrängte die

arbeitsvertragliche Vereinbarung vom Februar 2005, die auch unter Berücksichtigung

des darin vorgesehenen Schutzes gegen betriebsbedingte Kündigungen keine nach

§ 4 Abs. 3 TVG günstigere Abmachung war. Entgegen der Auffassung der Beklagten

endete die Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG weder mit dem auf den Verbandsaustritt

folgenden nächstmöglichen Kündigungstermin des GMTV noch in Anlehnung an

die Frist des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ein Jahr nach dem Ende der Verbandsmitgliedschaft. Gegen die von § 3 Abs. 3 TVG ohne zeitliche Beschränkung angeordnete

Nachbindung bestehen auch unter dem Gesichtspunkt der negativen

Koalitionsfreiheit keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Allerdings

endete der GMTV im Sinne des § 3 Abs. 3 TVG nicht erst mit Ablauf des

31. Dezember 2008. Bereits ab dem 1. Januar 2006 galt der GMTV für die verbandsangehörigen

Arbeitgeber nicht mehr zwingend. Durch die mögliche Einführung

des ERA konnten sie den GMTV ab diesem Zeitpunkt durch den MTV ablösen. Im

Arbeitsverhältnis der Parteien wirkte damit ab dem 1. Januar 2006 der GMTV nach.

Die Vereinbarung vom Februar 2005 war keine die Nachwirkung beendende andere

Abmachung im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG. Insoweit bestätigte der Vierte Senat seine

ständige Rechtsprechung (Senat, Urteil vom 20. Mai 2009 – 4 AZR 230/08 –

Pressemitteilung Nr. 48/09).

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Saarland, Urteil vom 9. Januar 2009 - 2 Sa 78/07 -

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