BAG: Nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage - Zurechnung des Verschuldens eines gewerkschaftlichen Bevollmächtigten
Bundesarbeitsgericht
Will sich ein Arbeitnehmer gegen die Wirksamkeit einer Kündigung seines Arbeitsverhältnisses
wenden, muss er nach § 4 KSchG innerhalb einer Frist von drei Wochen
nach Zugang der schriftlichen Kündigung Kündigungsschutzklage erheben.
War der Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden
Sorgfalt verhindert, die Klage rechtzeitig zu erheben, so ist die Klage nach
§ 5 Abs. 1 KSchG auf seinen Antrag hin nachträglich zuzulassen. Hat der Arbeitnehmer
die verspätete Klageerhebung dagegen selbst verschuldet, so kann die Klage
nicht nachträglich zugelassen werden. Die Kündigung gilt dann als von Anfang an
wirksam. Dieselbe Folge tritt ein, wenn nicht der Arbeitnehmer selbst, aber sein Prozessbevollmächtigter
die verspätete Klageerhebung verschuldet hat (§ 85 Abs. 2
ZPO). Das gilt nicht nur für bevollmächtigte Rechtsanwälte, sondern ebenso für bevollmächtigte
Vertreter einer Gewerkschaft, die dann ihrerseits den Klageauftrag an
die DGB-Rechtsschutz GmbH weitergeben.
In dem heute vom Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts entschiedenen Fall war
dem Kläger am 19. Juli 2004 eine Kündigung seines Arbeitgebers zugegangen. Am
selben Tag rief er den für ihn zuständigen Leiter der Geschäftsstelle seiner Gewerkschaft
an und vereinbarte mit ihm einen Termin für den 20. Juli 2004 im Gewerkschaftsbüro,
um die Klageerhebung in die Wege zu leiten. Als der Kläger am 20. Juli
im Büro erschien, war der Geschäftsleiter wegen anderer Pflichten abwesend. Der
Kläger übergab seine Unterlagen an eine Mitarbeiterin, um die Klageerhebung zu
veranlassen. Bei gewöhnlichem Gang der Dinge wären die Unterlagen ohne Weiteres
alsbald zur Klageerhebung an die DGB-Rechtsschutz GmbH weitergeleitet worden;
die DGB-Rechtsschutz GmbH übernimmt als zentrale Einrichtung die Prozessvertretung
für Mitglieder von DGB-Gewerkschaften. Im Zusammenhang mit Bauarbeiten
gerieten die Unterlagen jedoch für mehrere Wochen in Vergessenheit und
tauchten erst um den 10. September 2004 wieder im Büro der Geschäftsstelle auf.
Am 13. September 2004 erhob die DGB-Rechtsschutz GmbH für den Kläger Kündigungsschutzklage
und beantragte deren nachträgliche Zulassung.
Der Antrag hatte vor dem Zweiten Senat keinen Erfolg. Der Kläger selbst war zwar
schuldlos an der Fristversäumung. Er hatte seinerseits mit der Beauftragung der
Gewerkschaft am 20. Juli 2004 alles zur Klageerhebung Nötige getan. Indes muss er
sich das Verschulden des von ihm am 20. Juli 2004 mit der Klageerhebung beauftragten
Gewerkschaftsvertreters zurechnen lassen. In der Geschäftsstelle der Gewerkschaft
hätten Vorkehrungen getroffen sein müssen, um die rechtzeitige Bearbeitung
fristgebundener Klageaufträge sicher zu stellen. Daran fehlte es.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Mai 2009 - 2 AZR 548/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg -, Urteil
vom 7. Mai 2008 - 10 Sa 26/08 -