BFH: Haftung des Leiters der Wertpapierabteilung eines Kreditinstituts für hinterzogene Steuern von Wertpapierkunden ist zweifelhaft, wenn Steuerhinterziehung nicht individuell festgestellt werden kann
Bundesfinanzhof
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 16. Juli 2009 VIII B 64/09
die Vollziehung eines Haftungsbescheides bis zum Ende des noch anhängigen
finanzgerichtlichen Klageverfahrens ausgesetzt. Mit dem angefochtenen
Bescheid hatte das Finanzamt den Leiter der Wertpapierabteilung eines
Kreditinstituts wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Haftung genommen (§
71 der Abgabenordnung --AO--), weil auf dessen Initiative und mit dessen
Billigung in zahlreichen Fällen Wertpapiere anonym ins Ausland übertragen
worden waren. Das Finanzamt hatte trotz Kooperation des Kreditinstituts die
betreffenden Steuerpflichtigen zwar nicht ermitteln können; es hatte aber
aufgrund von statistischen Auswertungen seiner bei anderen Steuerpflichtigen
getroffenen Feststellungen die Höhe der hinterzogenen Einkommensteuer
geschätzt und (vermindert um einen Abschlag von 25 v.H.) zur Grundlage des
angefochtenen Haftungsbescheides gemacht.
Der BFH hatte bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen
summarischen Prüfung ernstliche Zweifel, ob der Haftungsbescheid rechtmäßig
ist. Es sei bisher höchstrichterlich nicht geklärt, welche Auswirkungen es
für die Haftung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung (§ 71 AO) hat, wenn
die mutmaßlichen Haupttäter einer Steuerhinterziehung nicht ermittelt werden
können und folglich nicht individuell festgestellt werden kann, ob eine
Steuerhinterziehung überhaupt begangen und welche Steuer dadurch konkret
hinterzogen worden ist. Es sei zweifelhaft, ob sich das Vorliegen einer
Steuerhinterziehung im Einzelfall mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsaussagen
begründen lasse und ob eine statistisch belastbare Aussage über das Verhalten
von Wertpapierinhabern getroffen werden könne.