BFH ruft BVerfG an: Soweit hälftiges Kindergeld zur Einkommensteuer des barunterhaltspflichtigen Elternteils hinzugerechnet, aber unterhaltsrechtlich nicht angerechnet wird, ist Besteuerung verfassungswidrig

02.02.2005

Bundesfinanzhof

Seit Einführung des Familienleistungsausgleichs durch das Jahressteuergesetz (JStG) 1996 können Kindergeld und Kinderfreibetrag nicht mehr nebeneinander, sondern nur noch alternativ in Anspruch genommen werden. Werden Kinderfreibeträge abgezogen, weil ihre Entlastungswirkung höher ist als das gezahlte Kindergeld, so wird das gezahlte Kindergeld (ab 2004: der Anspruch auf Kindergeld) der tariflichen Einkommensteuer hinzugerechnet (§ 31 Satz 5, § 36 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - 2001), um eine doppelte Begünstigung zu vermeiden.

 

 

 

Bei Eltern, die nicht zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, wird das Kindergeld in voller Höhe an den Elternteil ausgezahlt, der mit dem Kind zusammenlebt und es betreut (§ 64 EStG). Da aber die kindbedingten steuerlichen Entlastungen nach dem sog. Halbteilungsgrundsatz beiden Elternteilen zustehen, hat der andere Elternteil, der seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind durch laufende monatliche Unterhaltszahlungen erfüllt, einen zivilrechtlichen Anspruch auf Anrechnung des hälftigen Kindergeldes auf seine Unterhaltsverpflichtung (§ 1612b Abs. 1 BGB). Diese Anrechnung unterbleibt jedoch nach § 1612b Abs. 5 BGB i.d.F. des Gesetzes vom 2. November 2000 (BGBl. I 2000, 1479), soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, Unterhalt in Höhe von 135 v.H. des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber alleinerziehende Eltern unterhaltsrechtlich entlasten.

 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun mit Beschluss vom 30. November 2004 VIII R 51/03 das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen, weil nach seiner Auffassung die Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB in vielen Fällen zu einer verfassungswidrigen Besteuerung zum Barunterhalt verpflichteter Elternteile führt. Das Gericht hält die Regelungen des EStG über den Familienlastenausgleich insoweit für unvereinbar mit dem Grundgesetz, als danach bei Steuerpflichtigen, deren Einkommen um die Kinderfreibeträge gemindert wurde, die tarifliche Einkommensteuer auch dann um die Hälfte des gezahlten Kindergelds zu erhöhen ist, wenn ihnen das Kindergeld wirtschaftlich nicht in dieser Höhe zugute gekommen ist, weil die Anrechnung des Kindergelds auf ihre Unterhaltsverpflichtung nach § 1612b Abs. 5 BGB ganz oder teilweise unterblieben ist. 70 v.H. der Barunterhaltspflichtigen seien von der Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB betroffen; damit werde der Mehrheit die Entlastungswirkung der Kinderfreibeträge zumindest teilweise wieder genommen.

Nach Auffassung des BFH ist dieses Ergebnis unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass der Staat das Einkommen insoweit steuerfrei belassen muss, als es für den existenznotwendigen Bedarf des Steuerpflichtigen und seiner Familie benötigt wird.

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