BGH: Aktionärsklage auf Abfindung gegen die Jenoptik AG abgewiesen

09.05.2006

Bundesgerichtshof

Der II. Zivilsenat hatte über die Revision der beklagten Jenoptik AG gegen

ein Urteil des Thüringer OLG in Jena zu entscheiden, durch das einem

Aktionär eine Abfin-dung von rund 292.272 € gegen die Übernahme seiner

11.025 Aktien der ehemals von der Jenoptik AG beherrschten D-AG zugesprochen

worden war (siehe Presse-mitteilung Nr. 17/2006).

I. Die Jenoptik AG beherrschte auf der Grundlage eines Beherrschungs- und

Ge-winnabführungsvertrages die börsennotierte D-AG. Dieser Vertrag räumte

den außenstehenden Aktionären zur Sicherung gegen die Beeinträchtigung

ihrer aus der Mitgliedschaft abgeleiteten Herrschaftsrechte gegen die

herrschende Gesellschaft u. a. ein Optionsrecht auf Übernahme ihrer Aktien

gegen Zahlung einer Abfindung von 26,51 € je Aktie ein. Vor Beendigung eines

von einigen Aktionären – u. a. dem Kläger – über die Angemessenheit der

Abfindung angestrengten Spruchverfahrens kündigte die Beklagte den

Unternehmensvertrag zum 31. Dezember 1999. Danach veräußerte sie ca. 6% der

von ihr seinerzeit zu 99% gehaltenen D-AG-Aktien über die Börse; durch

zwischenzeitlich durchgeführte Kapitalerhöhungen der D-AG ist die Zahl der

im Streubesitz befindlichen Aktien weiter angestiegen. Der Börsenkurs der

D-AG-Aktie, der im Jahr 2000 seinen Höchststand von knapp 100,00 €

erreichte, entwickelte sich seit Anfang 2001 negativ und lag im vergangenen

Jahr zeitweise unter 2,-- €.

Der Kläger hat vorgerichtlich und im Rechtsstreit um die von ihm begehrte

Abfindung die Erbringung des Nachweises seiner Abfindungsberechtigung –

insbesondere hin-sichtlich des Zeitpunktes des Erwerbs der D-AG-Aktien –

abgelehnt; er hat vielmehr die Ansicht vertreten, hierfür nicht

beweispflichtig zu sein, da die Beklagte durch den Verkauf eigener, „nicht

abfindungsberechtigter“ Aktien ohne deren Kennzeichnung mit einer neuen

Wertpapierkennnummer am Kapitalmarkt eine Vermischung von Aktien mit

Abfindungsanspruch und solchen ohne Abfindungsanspruch schuldhaft verursacht

und ihm dadurch den Beweis seiner Abfindungsberechtigung unmöglich gemacht

habe. Das Oberlandesgericht ist dieser Argumentation gefolgt und hat –

anders als das Landgericht – der Klage stattgegeben.

II. Demgegenüber hat der II. Zivilsenat des BGH einen Anspruch des Klägers

auf Zahlung der geltend gemachten Abfindung gegen Erwerb seiner 11.025

D-AG-Aktien verneint, weil dieser nicht den ihm obliegenden Nachweis für die

anspruchsbegrün-dende Tatsache geführt hat, dass er auch in der hier

vorliegenden besonderen Konstellation des sog. vertragsüberdauernden

Spruchverfahrens die persönliche Ei-genschaft als "außenstehender Aktionär“,

an die der Beherrschungs- und Gewinnab-führungsvertrag in Übereinstimmung

mit der zwingenden gesetzlichen Regelung des § 305 Abs. 1 AktG die

Anspruchsberechtigung hinsichtlich des Abfindungsanspruchs knüpft, vor

Beendigung des Unternehmensvertrages erworben hat.

Nach Ansicht des BGH ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des Gesetzes und

des gleichlautenden Unternehmensvertrages als auch insbesondere aus dem

Vertrags- bzw. Gesetzeszweck der Sicherung des außenstehenden Aktionärs

gegen die Be-einträchtigung seiner aus der Mitgliedschaft abgeleiteten

Herrschaftsrechte, dass während der Dauer des Unternehmensvertrages in der

Person eines jeden Aktien-erwerbers, der nicht dem herrschenden Unternehmen

zuzuordnen und damit außen-stehender Aktionär ist, mit dem Erwerb der Aktie

- unabhängig von Art und Zeitpunkt des Erwerbs und der Person des

Veräußerers - zugleich das Abfindungsrecht stets originär entsteht. Da

dieser Abfindungs-(options-)anspruch kein in der Aktie verkör-pertes,

verkehrsfähiges Recht ist, das rechtsgeschäftlich mit der Veräußerung der

Aktie übergeht, sondern nur einem außenstehenden Aktionär - jeweils originär

ent-stehend - „ad personam“ zusteht, kann es bei einer Übertragung von

Aktien nach Beendigung des Unternehmensvertrages von dem Käufer solcher

Aktien nicht mehr neu erworben werden; denn dieser kann – selbst wenn der

Veräußerer ein ehemals außenstehender Aktionär war - nach Gesetz und Vertrag

die für den Abfindungsan-spruch erforderliche persönliche Eigenschaft eines

außenstehenden Aktionärs nach der Beendigung des Unternehmensvertrages

keinesfalls mehr erwerben.

Daran ändert auch die - hier vorliegende - besondere Konstellation des

vertrags-überdauernden Spruchverfahrens nichts. Denn dieses gewährt allein

den zur Zeit der Beendigung des Unternehmensvertrages an dem anhängigen

Spruchverfahren beteiligten oder davon sonst begünstigten außenstehenden

Aktionären Schutz vor einer nachteiligen Veränderung ihrer mit der

Abfindungsoption verbundenen bisheri-gen Rechtsstellung, erstreckt jedoch

die Abfindungspflicht des bislang herrschenden Unternehmens nicht auf

künftige Aktienerwerber.

Danach hat es dabei zu verbleiben, dass dem Kläger als Anspruchsteller der

Nach-weis oblag, das Eigentum an sämtlichen Aktien, für die er im

vorliegenden Verfahren einen Abfindungsanspruch geltend gemacht hat, bereits

vor der Beendigung des Beherrschungsvertrages erworben zu haben.

Urteil vom 8. Mai 2006 - II ZR 27/05

 

LG Gera - Urteil vom 01.04.2003 – 2 HKO 272/02 ./. OLG Jena - Urteil vom

22.12.2004 – 7 U 391/03

 

Karlsruhe, den 8. Mai 2006

 

 

Bundesgrichtshof

 

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