BGH: Aktionärsklage auf Abfindung gegen die Jenoptik AG abgewiesen
Bundesgerichtshof
Der II. Zivilsenat hatte über die Revision der beklagten Jenoptik AG gegen
ein Urteil des Thüringer OLG in Jena zu entscheiden, durch das einem
Aktionär eine Abfin-dung von rund 292.272 gegen die Übernahme seiner
11.025 Aktien der ehemals von der Jenoptik AG beherrschten D-AG zugesprochen
worden war (siehe Presse-mitteilung Nr. 17/2006).
I. Die Jenoptik AG beherrschte auf der Grundlage eines Beherrschungs- und
Ge-winnabführungsvertrages die börsennotierte D-AG. Dieser Vertrag räumte
den außenstehenden Aktionären zur Sicherung gegen die Beeinträchtigung
ihrer aus der Mitgliedschaft abgeleiteten Herrschaftsrechte gegen die
herrschende Gesellschaft u. a. ein Optionsrecht auf Übernahme ihrer Aktien
gegen Zahlung einer Abfindung von 26,51 je Aktie ein. Vor Beendigung eines
von einigen Aktionären u. a. dem Kläger über die Angemessenheit der
Abfindung angestrengten Spruchverfahrens kündigte die Beklagte den
Unternehmensvertrag zum 31. Dezember 1999. Danach veräußerte sie ca. 6% der
von ihr seinerzeit zu 99% gehaltenen D-AG-Aktien über die Börse; durch
zwischenzeitlich durchgeführte Kapitalerhöhungen der D-AG ist die Zahl der
im Streubesitz befindlichen Aktien weiter angestiegen. Der Börsenkurs der
D-AG-Aktie, der im Jahr 2000 seinen Höchststand von knapp 100,00
erreichte, entwickelte sich seit Anfang 2001 negativ und lag im vergangenen
Jahr zeitweise unter 2,-- .
Der Kläger hat vorgerichtlich und im Rechtsstreit um die von ihm begehrte
Abfindung die Erbringung des Nachweises seiner Abfindungsberechtigung
insbesondere hin-sichtlich des Zeitpunktes des Erwerbs der D-AG-Aktien
abgelehnt; er hat vielmehr die Ansicht vertreten, hierfür nicht
beweispflichtig zu sein, da die Beklagte durch den Verkauf eigener, nicht
abfindungsberechtigter Aktien ohne deren Kennzeichnung mit einer neuen
Wertpapierkennnummer am Kapitalmarkt eine Vermischung von Aktien mit
Abfindungsanspruch und solchen ohne Abfindungsanspruch schuldhaft verursacht
und ihm dadurch den Beweis seiner Abfindungsberechtigung unmöglich gemacht
habe. Das Oberlandesgericht ist dieser Argumentation gefolgt und hat
anders als das Landgericht der Klage stattgegeben.
II. Demgegenüber hat der II. Zivilsenat des BGH einen Anspruch des Klägers
auf Zahlung der geltend gemachten Abfindung gegen Erwerb seiner 11.025
D-AG-Aktien verneint, weil dieser nicht den ihm obliegenden Nachweis für die
anspruchsbegrün-dende Tatsache geführt hat, dass er auch in der hier
vorliegenden besonderen Konstellation des sog. vertragsüberdauernden
Spruchverfahrens die persönliche Ei-genschaft als "außenstehender Aktionär,
an die der Beherrschungs- und Gewinnab-führungsvertrag in Übereinstimmung
mit der zwingenden gesetzlichen Regelung des § 305 Abs. 1 AktG die
Anspruchsberechtigung hinsichtlich des Abfindungsanspruchs knüpft, vor
Beendigung des Unternehmensvertrages erworben hat.
Nach Ansicht des BGH ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des Gesetzes und
des gleichlautenden Unternehmensvertrages als auch insbesondere aus dem
Vertrags- bzw. Gesetzeszweck der Sicherung des außenstehenden Aktionärs
gegen die Be-einträchtigung seiner aus der Mitgliedschaft abgeleiteten
Herrschaftsrechte, dass während der Dauer des Unternehmensvertrages in der
Person eines jeden Aktien-erwerbers, der nicht dem herrschenden Unternehmen
zuzuordnen und damit außen-stehender Aktionär ist, mit dem Erwerb der Aktie
- unabhängig von Art und Zeitpunkt des Erwerbs und der Person des
Veräußerers - zugleich das Abfindungsrecht stets originär entsteht. Da
dieser Abfindungs-(options-)anspruch kein in der Aktie verkör-pertes,
verkehrsfähiges Recht ist, das rechtsgeschäftlich mit der Veräußerung der
Aktie übergeht, sondern nur einem außenstehenden Aktionär - jeweils originär
ent-stehend - ad personam zusteht, kann es bei einer Übertragung von
Aktien nach Beendigung des Unternehmensvertrages von dem Käufer solcher
Aktien nicht mehr neu erworben werden; denn dieser kann selbst wenn der
Veräußerer ein ehemals außenstehender Aktionär war - nach Gesetz und Vertrag
die für den Abfindungsan-spruch erforderliche persönliche Eigenschaft eines
außenstehenden Aktionärs nach der Beendigung des Unternehmensvertrages
keinesfalls mehr erwerben.
Daran ändert auch die - hier vorliegende - besondere Konstellation des
vertrags-überdauernden Spruchverfahrens nichts. Denn dieses gewährt allein
den zur Zeit der Beendigung des Unternehmensvertrages an dem anhängigen
Spruchverfahren beteiligten oder davon sonst begünstigten außenstehenden
Aktionären Schutz vor einer nachteiligen Veränderung ihrer mit der
Abfindungsoption verbundenen bisheri-gen Rechtsstellung, erstreckt jedoch
die Abfindungspflicht des bislang herrschenden Unternehmens nicht auf
künftige Aktienerwerber.
Danach hat es dabei zu verbleiben, dass dem Kläger als Anspruchsteller der
Nach-weis oblag, das Eigentum an sämtlichen Aktien, für die er im
vorliegenden Verfahren einen Abfindungsanspruch geltend gemacht hat, bereits
vor der Beendigung des Beherrschungsvertrages erworben zu haben.
Urteil vom 8. Mai 2006 - II ZR 27/05
LG Gera - Urteil vom 01.04.2003 2 HKO 272/02 ./. OLG Jena - Urteil vom
22.12.2004 7 U 391/03
Karlsruhe, den 8. Mai 2006
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