BGH: Entschädigungsanspruch des Reisenden gegen den Reiseveranstalter bei Vereitelung der Reise durch Überbuchung

11.01.2005

Bundesgerichtshof

Der für das Reisevertragsrecht zuständige X. Zivilsenat hatte über den Anspruch zweier Reisekunden zu entscheiden, die einen zweiwöchigen Urlaub auf einer bestimmten Ma-lediven-Insel gebucht und bezahlt hatten, aber eine Woche vor Reisebeginn vom Rei-severanstalter die Nachricht erhielten, daß das von ihnen gewählte Hotel überbucht sei. Das von dem beklagten Reiseveranstalter angebotene Ersatzquartier auf einer anderen Malediven-Insel nahmen die Kläger nicht an. Sie tragen vor, sie hätten ihren Urlaub zu Hause verbracht, was die Beklagte bestreitet. Der Reiseveranstalter erstattete den Klä-gern den Reisepreis. Die Kläger

 

verlangen mit ihrer Klage darüber hinaus eine Ent-schädigung in Höhe der Hälfte des Reisepreises. Sie stützen ihren Anspruch auf § 651 f Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift besagt, daß dann, wenn die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt wird, der Reisende auch wegen nutzlos aufgewendeter Ur-laubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen kann.

Das Berufungsgericht hatte der Klage stattgegeben. Der Senat hat die Revision des Reiseveranstalters zurückgewiesen.

Der Senat hat bestätigt, daß der Reiseveranstalter nicht berechtigt ist, den Reisenden ohne seine Zustimmung an einem anderen als dem gebuchten Urlaubsort unterzubrin-gen. Ein vom Reiseveranstalter angebotenes Ersatzquartier stellt deshalb keine Ver-tragserfüllung dar, sondern lediglich eine Leistung an Erfüllungs Statt, zu deren An-nahme der Reisende rechtlich nicht verpflichtet ist (§ 364 Abs. 1 BGB). Bei Überbu-chung des gewählten Urlaubsziels ist daher die Reise vereitelt, wenn der Kunde das Ersatzangebot ablehnt. Dem Kunden steht dann grundsätzlich ein Entschädigungsan-spruch nach § 651 f Abs. 2 BGB zu. Diesem Anspruch kann der Reiseveranstalter nur ausnahmsweise den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entge-genhalten. Wenn das Ersatzangebot, gemessen an den subjektiven Urlaubswünschen des Kunden, der gebuchten Reise nicht gleichwertig ist, handelt der Kunde mit Ableh-nung des Ersatzangebots und anschließender Entschädigungsforderung jedenfalls nicht rechtsmißbräuchlich. So lag es hier, weil die Kläger schnorcheln und tauchen woll-ten, die ersatzweise angebotene Insel aber kein Hausriff hatte.

Der Senat hat ferner klargestellt, daß mit der Vereitelung der Reise zugleich feststeht, daß der Kunde die Urlaubszeit nutzlos aufgewendet hat. Auch wenn ein erwerbstätiger Kunde während der geplanten Urlaubszeit seiner Berufsarbeit weiter nachgeht oder wenn der Kunde eine ihm nicht vom Reiseveranstalter angebotene Ersatzreise durch-führt, steht dies seinem Entschädigungsanspruch nicht entgegen. Er braucht also nicht zu beweisen, daß er zuhause geblieben ist.

Hinsichtlich der Höhe der Entschädigung hat der Senat betont, daß dem Tatrichter ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht, der vom Bundesgerichtshof nur in engen Grenzen nachgeprüft werden kann. Der Senat hat jedoch ausgeführt, daß § 651 f Abs. 2 BGB den Ersatz eines Nichtvermögensschadens (nutzlos aufgewendete Urlaubszeit) ge-währt und deshalb das Einkommen des Reisenden kein zulässiger Maßstab ist, wohl aber der Reisepreis. Dabei kommt der volle Reisepreis als Entschädigung nur dann in Betracht, wenn der Reisende auf einer durchgeführten Reise so schwere Beeinträchti-gungen erlitten hat, daß er sich während seines Urlaubs überhaupt nicht erholen konn-te. Für einen Kunden, der infolge Vereitelung seiner Reise zuhause bleibt, wo er abge-sehen von seiner Enttäuschung keine

 

Beeinträchtigungen erfährt, ist die Entscheidung des Berufungsgerichts, die Entschädigung auf die Hälfte des Reisepreises zu be-schränken, nicht zu beanstanden.

Urteil vom 11. Januar 2005 X ZR 118/03 (AG Hannover - Az. 542 C 15431/02 ./. LG Hannover - 20 S 21/03)

 

Karlsruhe, den 11. Januar 2005

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