BGH: Gerichtliches Abstammungsgutachten auch dann verwertbar, wenn es nicht hätte eingeholt werden dürfen, weil die Anfechtung der Vaterschaft auf einen heimlich eingeholten DNA-Vaterschaftstest gestützt war

03.03.2006

Bundesgerichtshof

Der u. a. für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des

Bundesgerichtshofs hatte am 12. Januar 2005 entschieden, dass eine ohne

Zustimmung des Kindes bzw. seiner allein sorgeberechtigten Mutter eingeholte

sogenannte DNA-Vaterschaftsanalyse im Rahmen einer

Vaterschaftsanfechtungsklage nicht verwertet werden kann (BGHZ 162, 1 ff.).

Er hatte nunmehr über einen Fall zu entscheiden, in dem das

Oberlandesgericht im Jahre 2004 – also vor Bekanntwerden dieser

Rechtsprechung - die gegenteilige Auffassung vertreten und deshalb ein

Blutgruppengutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten

Sachverständigen eingeholt hatte, demzufolge die Vaterschaft des Klägers

ausgeschlossen war. Es hatte deshalb der Klage stattgegeben und

festgestellt, dass der Kläger nicht der Vater sei.

Mit seiner dagegen gerichteten Revision machte das beklagte Kind geltend,

auch dieses Gutachten dürfe nicht verwertet werden, weil es in

prozeßordnungswidriger Weise erhoben worden sei. Da die Beweisanordnung auf

dem Verstoß gegen das Verbot der Berücksichtigung des „heimlichen“

DNA-Vaterschaftstests beruhe, setze sich das Verwertungsverbot, dem dieses

Privatgutachten unterliege, an dem vom Gericht eingeholten Gutachten fort

(sogenannte Fernwirkung).

Dem ist der Senat nicht gefolgt. Auch unter Berücksichtigung der sogenannten

„fruit of the poisonous tree“ - Doktrin sei das Ergebnis einer gerichtlichen

Beweisaufnahme im Zivilprozeß nicht schon deshalb unverwertbar, weil der

Beweis nicht hätte erhoben werden dürfen. Ein solches – in der

Zivilprozeßordnung nicht vorgesehenes - Verwertungsverbot komme allenfalls in

Betracht, wenn die Einholung oder Verwertung des gerichtlichen Gutachtens

einen erneuten Eingriff in die Grundrechte des Kindes bedeute, den es auch

unter Berücksichtigung verfassungsrechtlich geschützter Rechte des Klägers

nicht hinzunehmen brauche.

Bei der Abwägung der Grundrechte beider Parteien ist der Senat zu dem

Ergebnis gelangt, dass die Rechte des Kindes hier – anders als bei der

Verwertung des „heimlichen“ Vaterschaftstests - hinter dem Recht des Klägers

auf Kenntnis seiner Vaterschaft und auf Berücksichtigung des in einem

rechtsförmigen Verfahren eingeholten Abstammungsgutachtens zurückstehen müsse. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass das Kind im

Verfahren die Möglichkeit gehabt hätte, durch ein Zwischenurteil klären zu

lassen, ob es sich dem Blutgruppengutachten unterziehen müsse.

Urteil vom 1. März 2006 - XII ZR 210/04

 

AG Grimma - 2 F 443/03 – Entscheidung vom 18.12.2003 ./. OLG Dresden - 21

UF 70/04 – Entscheidung vom 30.09.2004;

 

Karlsruhe, den 3. März 2006

 

 

Bundesgerichtshof

 

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