BGH: Gerichtliches Abstammungsgutachten auch dann verwertbar, wenn es nicht hätte eingeholt werden dürfen, weil die Anfechtung der Vaterschaft auf einen heimlich eingeholten DNA-Vaterschaftstest gestützt war
Bundesgerichtshof
Der u. a. für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hatte am 12. Januar 2005 entschieden, dass eine ohne
Zustimmung des Kindes bzw. seiner allein sorgeberechtigten Mutter eingeholte
sogenannte DNA-Vaterschaftsanalyse im Rahmen einer
Vaterschaftsanfechtungsklage nicht verwertet werden kann (BGHZ 162, 1 ff.).
Er hatte nunmehr über einen Fall zu entscheiden, in dem das
Oberlandesgericht im Jahre 2004 also vor Bekanntwerden dieser
Rechtsprechung - die gegenteilige Auffassung vertreten und deshalb ein
Blutgruppengutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten
Sachverständigen eingeholt hatte, demzufolge die Vaterschaft des Klägers
ausgeschlossen war. Es hatte deshalb der Klage stattgegeben und
festgestellt, dass der Kläger nicht der Vater sei.
Mit seiner dagegen gerichteten Revision machte das beklagte Kind geltend,
auch dieses Gutachten dürfe nicht verwertet werden, weil es in
prozeßordnungswidriger Weise erhoben worden sei. Da die Beweisanordnung auf
dem Verstoß gegen das Verbot der Berücksichtigung des heimlichen
DNA-Vaterschaftstests beruhe, setze sich das Verwertungsverbot, dem dieses
Privatgutachten unterliege, an dem vom Gericht eingeholten Gutachten fort
(sogenannte Fernwirkung).
Dem ist der Senat nicht gefolgt. Auch unter Berücksichtigung der sogenannten
fruit of the poisonous tree - Doktrin sei das Ergebnis einer gerichtlichen
Beweisaufnahme im Zivilprozeß nicht schon deshalb unverwertbar, weil der
Beweis nicht hätte erhoben werden dürfen. Ein solches in der
Zivilprozeßordnung nicht vorgesehenes - Verwertungsverbot komme allenfalls in
Betracht, wenn die Einholung oder Verwertung des gerichtlichen Gutachtens
einen erneuten Eingriff in die Grundrechte des Kindes bedeute, den es auch
unter Berücksichtigung verfassungsrechtlich geschützter Rechte des Klägers
nicht hinzunehmen brauche.
Bei der Abwägung der Grundrechte beider Parteien ist der Senat zu dem
Ergebnis gelangt, dass die Rechte des Kindes hier anders als bei der
Verwertung des heimlichen Vaterschaftstests - hinter dem Recht des Klägers
auf Kenntnis seiner Vaterschaft und auf Berücksichtigung des in einem
rechtsförmigen Verfahren eingeholten Abstammungsgutachtens zurückstehen müsse. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass das Kind im
Verfahren die Möglichkeit gehabt hätte, durch ein Zwischenurteil klären zu
lassen, ob es sich dem Blutgruppengutachten unterziehen müsse.
Urteil vom 1. März 2006 - XII ZR 210/04
AG Grimma - 2 F 443/03 Entscheidung vom 18.12.2003 ./. OLG Dresden - 21
UF 70/04 Entscheidung vom 30.09.2004;
Karlsruhe, den 3. März 2006
Bundesgerichtshof
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