BGH: Grenze für Nachschusspflicht muss auch bei Publikums-gesellschaften im voraus festgelegt werden

26.01.2006

Bundesgerichtshof

Erneut (vgl. Urt. v. 4.7.2005 – II ZR 354/03, ZIP 2005, 1455) hat der II.

Zivilsenat heute darüber entschieden, dass nachträgliche Beitragserhöhungen

(„Nachschüs-se“) auch in einer Publikumspersonengesellschaft nicht ohne

weiteres durch die Mehrheit beschlossen werden können, sondern dass es

hierzu einer im voraus ver-einbarten Grenze bedarf.

Klägerin ist in beiden Verfahren eine Publikumsgesellschaft in Form einer

BGB-Gesellschaft, deren Zweck die Errichtung und Bewirtschaftung einer

Immobilie ist. Die Beklagten traten 1991 bzw. 1992 mit einem betragsmäßig

feststehenden Eigen-kapital der jeweiligen Gesellschaft bei und werden

nunmehr auf Zahlung von als „Nachschüssen“ bezeichneten Geldbeträgen, die

erforderlich sind, sog. „Unterde-ckungen“ auszugleichen, in Anspruch

genommen. Die Beklagten verweigern die ge-forderten Nachzahlungen unter

Berufung auf § 707 BGB. Danach ist ein Gesell-schafter einer Gesellschaft

bürgerlichen Rechts dieser gegenüber weder verpflichtet, mehr als den

vereinbarten Beitrag zu leisten noch während des Bestehens der Ge-sellschaft

seine durch Verlust verminderte Einlage zu ergänzen. Davon zu unter-scheiden

ist die – im vorliegenden Fall unerhebliche – Haftung im Außenverhältnis

gegenüber Gläubigern der Gesellschaft.

Die Vorinstanzen haben jeweils angenommen, die Beklagten seien wirksam durch

die gefassten Mehrheitsbeschlüsse verpflichtet worden, die Nachzahlungen zu

leis-ten; sie haben deshalb den Klagen stattgegeben. Hiergegen richten sich

die im Ver-fahren II ZR 126/04 vom Senat und im Verfahren II ZR 306/04 vom

Berufungsge-richt zugelassenen Revisionen der jeweiligen Beklagten.

Der II. Zivilsenat hat auf die Revisionen der Beklagten beide Klagen

abgewiesen, weil einer Nachzahlungsverpflichtung § 707 BGB, der den

Gesellschafter vor Auflö-sung der Gesellschaft vor einer unfreiwilligen

Vermehrung seiner Beitragspflichten schützen will, entgegensteht. In beiden

Fällen war nämlich die Nachschusspflicht weder als solche im

Gesellschaftsvertrag mit der erforderlichen Deutlichkeit nieder-gelegt

worden, noch konnte sie durch Mehrheitsbeschluss begründet werden.

Ab-weichend von § 707 BGB, der dispositiv ist, kann der Gesellschaftsvertrag

grund-sätzlich bestimmen, dass die Gesellschafter über die eigentliche

Einlageschuld hin-aus weitergehende Beitragspflichten zu erfüllen haben. Das

bedarf aber zweifelsfrei-er Festlegung, damit jeder einer

Personengesellschaft Beitretende im voraus erse-hen kann, welche

Beitragspflichten er übernimmt. Dementsprechend hängt nach der

höchstrichterlichen Rechtsprechung auch die Zulässigkeit nachträglicher,

durch Mehrheitsbeschluss begründeter Beitragspflichten davon ab, dass in dem

jeweiligen Gesellschaftsvertrag eine Obergrenze für Beitragserhöhungen

festgelegt oder das Erhöhungsrisiko sonst in entsprechender Weise

eingegrenzt wird. Für Publikumsge-sellschaften gilt nichts anderes (vgl.

zuletzt Urt. vom 04.07.2005 – II ZR 354/03, ZIP 2005, 1455).

Gesellschaftsvertragliche Bestimmungen, die den einzelnen Gesell-schafter zu

Nachschusszahlungen verpflichten, „soweit bei laufender Bewirtschaf-tung des

Grundstücks Unterdeckungen auftreten“ oder „soweit die laufenden Ein-nahmen

die laufenden Ausgaben nicht decken“, genügen diesen Anforderungen nicht,

sie können deshalb nicht Grundlage einer Nachschussverpflichtung sein.

Die besonderen Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise ein Gesellschafter

aufgrund der gesellschafterlichen Treuepflicht verpflichtet ist, einem

Mehrheitsbe-schluss, auch wenn er eine Beitragserhöhung betrifft,

zuzustimmen, hat der II. Zivil-senat in beiden Fällen verneint.

Urteile vom 23. Januar 2006

 

II ZR 306/04 - AG Charlottenburg - 206 C 176/04 ./. LG Berlin - 52 S 298/04

 

und

 

II ZR 126/04 – LG Augsburg - 1 0 739/02 ./. OLG München - 30 U 705/03

 

Karlsruhe, den 23. Januar 2006

 

 

Bundesgerichtshof

 

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