BGH: Grenze für Nachschusspflicht muss auch bei Publikums-gesellschaften im voraus festgelegt werden
Bundesgerichtshof
Erneut (vgl. Urt. v. 4.7.2005 II ZR 354/03, ZIP 2005, 1455) hat der II.
Zivilsenat heute darüber entschieden, dass nachträgliche Beitragserhöhungen
(Nachschüs-se) auch in einer Publikumspersonengesellschaft nicht ohne
weiteres durch die Mehrheit beschlossen werden können, sondern dass es
hierzu einer im voraus ver-einbarten Grenze bedarf.
Klägerin ist in beiden Verfahren eine Publikumsgesellschaft in Form einer
BGB-Gesellschaft, deren Zweck die Errichtung und Bewirtschaftung einer
Immobilie ist. Die Beklagten traten 1991 bzw. 1992 mit einem betragsmäßig
feststehenden Eigen-kapital der jeweiligen Gesellschaft bei und werden
nunmehr auf Zahlung von als Nachschüssen bezeichneten Geldbeträgen, die
erforderlich sind, sog. Unterde-ckungen auszugleichen, in Anspruch
genommen. Die Beklagten verweigern die ge-forderten Nachzahlungen unter
Berufung auf § 707 BGB. Danach ist ein Gesell-schafter einer Gesellschaft
bürgerlichen Rechts dieser gegenüber weder verpflichtet, mehr als den
vereinbarten Beitrag zu leisten noch während des Bestehens der Ge-sellschaft
seine durch Verlust verminderte Einlage zu ergänzen. Davon zu unter-scheiden
ist die im vorliegenden Fall unerhebliche Haftung im Außenverhältnis
gegenüber Gläubigern der Gesellschaft.
Die Vorinstanzen haben jeweils angenommen, die Beklagten seien wirksam durch
die gefassten Mehrheitsbeschlüsse verpflichtet worden, die Nachzahlungen zu
leis-ten; sie haben deshalb den Klagen stattgegeben. Hiergegen richten sich
die im Ver-fahren II ZR 126/04 vom Senat und im Verfahren II ZR 306/04 vom
Berufungsge-richt zugelassenen Revisionen der jeweiligen Beklagten.
Der II. Zivilsenat hat auf die Revisionen der Beklagten beide Klagen
abgewiesen, weil einer Nachzahlungsverpflichtung § 707 BGB, der den
Gesellschafter vor Auflö-sung der Gesellschaft vor einer unfreiwilligen
Vermehrung seiner Beitragspflichten schützen will, entgegensteht. In beiden
Fällen war nämlich die Nachschusspflicht weder als solche im
Gesellschaftsvertrag mit der erforderlichen Deutlichkeit nieder-gelegt
worden, noch konnte sie durch Mehrheitsbeschluss begründet werden.
Ab-weichend von § 707 BGB, der dispositiv ist, kann der Gesellschaftsvertrag
grund-sätzlich bestimmen, dass die Gesellschafter über die eigentliche
Einlageschuld hin-aus weitergehende Beitragspflichten zu erfüllen haben. Das
bedarf aber zweifelsfrei-er Festlegung, damit jeder einer
Personengesellschaft Beitretende im voraus erse-hen kann, welche
Beitragspflichten er übernimmt. Dementsprechend hängt nach der
höchstrichterlichen Rechtsprechung auch die Zulässigkeit nachträglicher,
durch Mehrheitsbeschluss begründeter Beitragspflichten davon ab, dass in dem
jeweiligen Gesellschaftsvertrag eine Obergrenze für Beitragserhöhungen
festgelegt oder das Erhöhungsrisiko sonst in entsprechender Weise
eingegrenzt wird. Für Publikumsge-sellschaften gilt nichts anderes (vgl.
zuletzt Urt. vom 04.07.2005 II ZR 354/03, ZIP 2005, 1455).
Gesellschaftsvertragliche Bestimmungen, die den einzelnen Gesell-schafter zu
Nachschusszahlungen verpflichten, soweit bei laufender Bewirtschaf-tung des
Grundstücks Unterdeckungen auftreten oder soweit die laufenden Ein-nahmen
die laufenden Ausgaben nicht decken, genügen diesen Anforderungen nicht,
sie können deshalb nicht Grundlage einer Nachschussverpflichtung sein.
Die besonderen Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise ein Gesellschafter
aufgrund der gesellschafterlichen Treuepflicht verpflichtet ist, einem
Mehrheitsbe-schluss, auch wenn er eine Beitragserhöhung betrifft,
zuzustimmen, hat der II. Zivil-senat in beiden Fällen verneint.
Urteile vom 23. Januar 2006
II ZR 306/04 - AG Charlottenburg - 206 C 176/04 ./. LG Berlin - 52 S 298/04
und
II ZR 126/04 LG Augsburg - 1 0 739/02 ./. OLG München - 30 U 705/03
Karlsruhe, den 23. Januar 2006
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