BGH: Klarstellung zum Vertrauensschutz hinsichtlich der Haftung des einer BGB-Gesellschaft beitretenden Gesellschafters für Altverbindlichkeiten: Keine Anwendung auf Lieferungen aus Versorgungsverträgen
Bundesgerichtshof
Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat hatte mit Urteil
vom 7. April 2003 II ZR 56/02 - (Pressemitteilung 49/2003), insofern in
Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung, entschieden, dass ein neu in
die Gesellschaft bürgerli-chen Rechts eingetretener Gesellschafter nach §
130 HGB persönlich, d.h. mit sei-nem Privatvermögen, neben den
Altgesellschaftern für bereits begründete Verbind-lichkeiten der
Gesellschaft haftet. Aus Gründen des Vertrauensschutzes hat der Se-nat in
dem seinerzeit zu entscheidenden Fall es ging um einen Junganwalt, der für
die Rückzahlung von vor seinem Beitritt eingezahlten Honorarvorschüssen
haften sollte - die Haftung des Neugesellschafters gleichwohl abgelehnt und
ausgespro-chen, dass die Grundsätze über die persönliche Haftung des
Neugesellschafters erst auf künftige Beitrittsfälle Anwendung finden
sollten. Auf diesen Vertrauensschutz beruft sich der Beklagte in einem
Verfahren, in dem der II. Zivilsenat heute sein Urteil verkündet hat.
Das klagende städtische Gasversorgungsunternehmen hatte Ende 2000/Anfang
2001 aufgrund von Lieferverträgen, die nach dem der Entscheidung zugrunde zu
legenden Vortrag des Beklagten im Jahre 1999 geschlossen worden waren, Gas
für zwei Mietshäuser geliefert, die im Eigentum einer Gesellschaft
bürgerlichen Rechts stehen, deren Mitgesellschafter der Beklagte bis Ende
1998 gewesen war und der er dann wieder ab Januar 2000, also auch zur Zeit
der Gaslieferungen, angehörte. Sei-ne Inanspruchnahme als Gesellschafter für
die Gaslieferungen hat der Beklagte un-ter Hinweis auf die oben genannte
Senatsentscheidung abgelehnt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die
dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Der
II. Zivilsenat hat das Berufungsurteil bestätigt. Dabei hat der Senat in
Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und
der ganz herrschenden An-sicht im Schrifttum angenommen, dass bei
Sukzessivlieferungsverträgen wie dem vorliegenden Versorgungsvertrag die
durch die Einzellieferungen ausgelösten Ver-bindlichkeiten bereits in dem
Moment begründet sind, in dem der Versorgungsver-trag abgeschlossen wird.
Durch die Einzellieferungen entstehen nicht jeweils neue
Verbindlichkeiten. Deshalb handelt es sich bei den eingeklagten Forderungen
für die aufgrund des Vertrages aus dem Jahr 1999 in 2000/2001 erbrachten
Lieferungen um bei Eintritt des Beklagten bereits begründete
Verbindlichkeiten gemäß § 130 HGB (sog. Altverbindlichkeiten). Deswegen
stellt sich hier das Problem, ob sich der Beklagte darauf berufen kann, ihm
sei als neu beigetretenem Gesellschafter Ver-trauensschutz gegenüber der
Haftung für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft zu gewähren. Der Beklagte,
einige Instanzgerichte sowie Stimmen in der Literatur ha-ben die
Ausführungen des Senats in dem genannten Urteil dahin missverstanden, dass
bei Altverbindlichkeiten schlechthin Vertrauensschutz zu gewähren ist, weil
sie diese Aussagen isoliert betrachtet und den Fall ausgeblendet haben, zu
dem sie veranlasst waren. Demgegenüber hat der II. Zivilsenat in der heute
verkündeten Ent-scheidung klargestellt, dass ein Neugesellschafter sich
nicht generell auf Vertrau-ensschutz gegenüber Altverbindlichkeiten einer
BGB-Gesellschaft berufen kann, wenn er dieser vor der Publikation des
Urteils vom 7. April 2003 beigetreten ist. Er-forderlich ist vielmehr in
jedem Einzelfall eine Abwägung dahin, ob im Interesse des Vertrauens des
Beitretenden der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit, dass ein bei-tretender
Gesellschafter für die Altverbindlichkeiten nicht nach § 130 HGB (analog)
haftet, gegenüber der materiellen Rechtslage Vorrang hat. Weiß der
Neugesell-schafter bei seinem Beitritt vom Vorhandensein von
Altverbindlichkeiten oder hätte er hiervon bei auch nur geringer
Aufmerksamkeit Kenntnis erlangen können, ist die Gewährung von
Vertrauensschutz nicht gerechtfertigt. Das gilt erst Recht, wenn sich dem
Beitretenden das Bestehen von Altverbindlichkeiten aufdrängen muss, weil
sie etwas aufgrund von Sonderabnehmerverträgen über die Belieferung von
Gas für Mietshäuser typischerweise vorhanden sind. Deswegen ist der
Beklagte hier nicht schutzwürdig und haftet der Klägerin für die Bezahlung
der Gaslieferungen. Das
Urteil vom 12. Dezember 2005 II ZR 283/03
Landgericht Wuppertal Entscheidung vom 20. Dezember 2002 2 O 438/01
Oberlandesgericht Düsseldorf Entscheidung vom 15. August 2003 22 U 16/03
Karlsruhe, den 12. Dezember 2005
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