BGH: Sportgate-Verfahren zurückverwiesen

08.05.2006

Bundesgerichtshof

Der II. Zivilsenat hatte heute darüber zu entscheiden, ob die Gläubiger der

insolventen Sportgate AG doch noch auf mehr verteilungsfähige Masse hoffen

dürfen.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Sportgate AG. Zu

ihren Gründern gehört u. a. der beklagte Unternehmer Boris Becker, der 5%

des Grundkapitals der Gesellschaft gezeichnet hatte. Über das Vermögen der

am 23. März 2001 ins Handelsregister eingetragenen Schuldnerin wurde am 1.

August 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von 1,5 Millionen Euro aus einer

Erklärung in Anspruch, die dieser kurz nach Gründung der Schuldnerin

abgegeben hat. Diese Erklärung, die der Beklagte nach einem Gespräch mit

einem Aufsichtsratsmitglied der Schuldnerin und der Vertreterin eines

anderen Gründungsgesellschafters an einer Bar in einem Washingtoner Hotel

unterschrieben hat und die nach den Angaben des Beklagten – obwohl deutsches

Recht Anwendung finden soll - deshalb in englischer Sprache verfasst ist,

weil die Hotelangestellte, die den Text auf Anweisung geschrieben hat, nur

der englischen Sprache mächtig gewesen ist, hat folgenden Wortlaut (deutsche

von dem Kläger im Prozess vorgelegte Übersetzung):

„An diejenigen, die es angeht:

Ich verpflichte mich hiermit gegenüber der Sportgate AG i.G. sowohl

unverzüglich jegliche Verluste, die während des Geschäftsganges eintreten,

bis zu einer Summe von 1,5 Millionen Euro mittels geeigneter Maßnahmen

auszugleichen, als auch die Versorgung der Gesellschaft in dieser Zeit mit

flüssigen Mitteln sicher zu stellen, so dass die Gesellschaft jederzeit

ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen kann…“

Das Landgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass der Beklagte

diese Erklärung gegenüber der Schuldnerin abgegeben hat und der Schuldnerin

aus dieser - nach Ansicht des Landgerichts eine einheitliche Verpflichtung

enthaltenden - Erklärung ein Erfüllungsanspruch zugestanden hätte. Es hat

die Klage mit der Begründung abgewiesen, mit der Eröffnung des

Insolvenzverfahrens sei der Erfüllungsanspruch untergegangen.

Das Berufungsgericht - das die Berufung zunächst durch einstimmigen

Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO hat zurückweisen wollen - hat durch sein

Urteil die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis bestätigt und die

Revision nicht zugelassen. Es hat angenommen, der Zahlungsanspruch des

Klägers bestehe schon deswegen nicht, weil die Erklärung formunwirksam und

nichtig sei. Bei dem Versprechen des Beklagten, Verluste der Schuldnerin

auszugleichen, handele es sich um eine schenkweise, nach dem hier

anwendbaren deutschen Recht notariell zu beurkundende Verpflichtung (§§ 125

S. 1, 518 Abs. 1 S. 2 BGB).

Der II. Zivilsenat hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers die

Revision zugelassen und heute das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache

zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des

Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Die Ansicht des Berufungsgericht, es handele sich bei der Erklärung des

beklagten Gründungsgesellschafters und Aktionärs Boris Becker, deren Abgabe

gegenüber der Schuldnerin das Berufungsgericht zugunsten des Klägers

unterstellt hat, um eine mangels Gegenleistung schenkweise eingegangene und

deshalb formunwirksame Verpflichtung, beruht u.a. auf einer grundlegenden

Verkennung der Rechtsnatur von Finanzierungsvereinbarungen zwischen

Gesellschaftern und ihrer Gesellschaft. Diese werden in aller Regel im

Hinblick auf die Mitgliedschaft in der Gesellschaft und allein schon wegen

dieser kausalen Verknüpfung nicht „unentgeltlich“ abgegeben. Die Erklärung

ist deshalb formlos gültig.

Der Senat hat das Berufungsurteil auch nicht mit der Begründung des

Landgerichts aufrechterhalten. Ob dessen Ansicht bei einer einheitlichen,

auf die Ausstattung der Schuldnerin mit Liquidität gerichteten

Verpflichtungserklärung zutreffend wäre, konnte der Senat dahinstehen

lassen. Denn die Erklärung des Beklagten besteht aus zwei Teilen und der

Kläger stützt die Klage nicht auf die in der Erklärung – auch – enthaltene

Ausstattungsverpflichtung, sondern allein auf die Erklärung des Beklagten

„unverzüglich jegliche Verluste, die während des Geschäftsgangs eintreten,

bis zu einer Summe von 1,5 Millionen Euro mittels geeigneter Maßnahmen

auszugleichen“. Die zuletzt genannte Verpflichtung wird durch die Eröffnung

eines Insolvenzverfahrens nicht unerfüllbar; dass sie auf die Zeit vor

Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beschränkt sein sollte, ist nach dem

bisherigen Vortrag nicht ersichtlich.

In dem nach Zurückverweisung wieder eröffneten Berufungsverfahren wird sich

ein anderer Senat des Berufungsgerichts nunmehr - erstmals – mit dem

umfänglichen, in vielen entscheidungserheblichen Fragen streitigen

Sachvortrag der Parteien auseinandersetzen müssen.

Urteil vom 8. Mai 2006 – II ZR 94/05

 

LG München I, Urteil vom 18. Dezember 2003 – 12 O 13994/02 ./.

 

OLG München, Urteil vom 18. Januar 2005 – 18 U 1887/04

 

Karlsruhe, den 8. Mai 2006

Bundesgerichtshof

 

-Pressestelle-

 

pressestelle@bgh.bund.de

 

Angela Haasters

 

Herrenstraße 45a

 

76133 Karlsruhe

 

Tel.Nr. 0721-159-5013

 

Fax.Nr. 0721-159-5501

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2024 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell