BGH: Verurteilung wegen Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit dem Bau der „Allianz-Arena“ in München bestätigt

09.08.2006

Bundesgerichtshof

Das Landgericht München I hat den Angeklagten Karl-Heinz Wildmoser junior

mit Urteil vom 13. Mai 2006 wegen Untreue in Tateinheit mit Bestechlichkeit

im geschäftlichen Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und

sechs Monaten verurteilt. Gegenstand der Verurteilung sind Zahlungen im

Zusammenhang mit der Vergabe des Bauauftrages für das neue Fußballstadion in

München („Allianz-Arena“) im Jahr 2001/2002. Bauherren des Stadions waren

die Fußballvereine FC Bayern München und TSV München von 1860.

Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte Mitglied des TSV

München von 1860 und Geschäftsführer der TSV München von 1860 GmbH & Co KG

aA. Als Mitglied eines Lenkungsausschusses, des Gutachtergremiums und als

Geschäftsführer der für die Errichtung und den Betrieb des Stadions

gegründeten Allianz Arena München Stadion GmbH war er in maßgeblicher

Position in das Vergabeverfahren einbezogen. Für beide Funktionen erhielt

er jeweils eine Vergütung von jährlich 200.000 € netto.

An dem Verfahren beteiligte sich als Bewerber auch die Alpine Bau

Deutschland GmbH (Alpine GmbH), die einen entsprechenden Hinweis von dem

Angeklagten und dem mit ihm geschäftlich verbundenen Mitangeklagten

erhalten hatte; der Mitangeklagte erhoffte sich für den Fall des Zuschlages

an die Alpine GmbH die Zahlung einer Maklerprovision. Nachdem der Kreis der

Bewerber um die Bauvergabe sich auf die Alpine GmbH und einen zweiten Bieter

reduziert hatte, signalisierte die Alpine GmbH dem Mitangeklagten, dass sie

Zahlungen von Insiderinformationen über das Vergabeverfahren abhängig mache.

Daraufhin kam es zu vier Treffen zwischen dem Angeklagten Wildmoser, dem

Mitangeklagten und dem anderweitig verfolgten Chef des in Salzburg

ansässigen Alpine-Konzerns, der die Zahlung von 5,5 Mio. DM für den Fall

versprach, dass der Angeklagte sich erfolgreich für eine Vergabe an die

Alpine GmbH einsetzt, Insiderinformationen liefert und als

„Ansprechpartner“ für die spätere Bauphase zur Verfügung steht. Dieser

Schmiergeldvereinbarung stimmte der Angeklagte Wildmoser zu.

Nachdem die Alpine GmbH den Zuschlag für den Bau des Stadions erhalten

hatte, kam es zur Auszahlung des vereinbarten Schmiergeldes von

2.812.094,82. € an den Mitangeklagten, die mittels fingierter Rechnungen und

pro forma geschlossener Scheinvereinbarungen verschleiert wurde. Dieser

leitete die Gelder nahezu vollständig an den Angeklagten Wildmoser weiter.

Der geständige Mitangeklagte wurde wegen Beihilfe zur Untreue in Tateinheit

mit Beihilfe zur Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr zu einer

Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung das

Landgericht zur Bewährung ausgesetzt hat.

Gegen das Urteil des Landgerichts haben sowohl der Angeklagte als auch – zu

seinen Ungunsten – die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Der

Angeklagte hat sich mit Verfahrensrügen und der Sachrüge gegen seine

Verurteilung gewendet. Mit einer Verfahrensrüge ist die Befangenheit der

Vorsitzenden der Strafkammer im Zusammenhang mit Presseartikeln der

Münchener Abendzeitung gerügt geworden. Die Staatsanwaltschaft, die eine

Freiheitsstrafe von sechs Jahren beantragt hatte, hat mit ihrer auf den

Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision eine höhere Verurteilung des

Angeklagten wegen eines besonders schweren Falles der Untreue erstrebt.

Der Bundesgerichtshof hat beide Revisionen verworfen und das

landgerichtliche Urteil damit vollumfänglich bestätigt. Die Prüfung der

Befangenheit hat ergeben, dass sich das Verhalten der Vorsitzenden Richterin

im Wesentlichen darin erschöpfte, dass sie gegen einen Artikel in der

Münchener Abendzeitung vorgegangen war, in dem sie als „Frau Gnadenlos“

bezeichnet wurde. Die Abendzeitung hatte im Zusammenhang mit der

beabsichtigten Veröffentlichung eines „Wiedergutmachungsartikels“ zu der

Vorsitzenden Richterin Kontakt aufgenommen. Auf den Inhalt und die

redaktionelle Gestaltung dieses Artikels, in dessen veröffentlichter Fassung

über den Fortgang des Verfahrens und ein mögliches Geständnis des

Angeklagten spekuliert wurde, hatte die Vorsitzende jedoch keinen Einfluss.

Insbesondere redigierte sie den Presseartikel nicht. Wie der Rechtsanwalt

der Münchener Abendzeitung und die Zeitung selbst in einer veröffentlichten

Stellungnahme betonten, entsprach der Artikel allein der Bewertung der

Redaktion über den bisherigen Prozessverlauf; er sei „ohne jedes Zutun“ der

Vorsitzenden Richterin „nach allgemeinjournalistischen Maßstäben“ verfasst

worden. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass vor diesem Hintergrund

aus der Sicht des Angeklagten Zweifel an der Unparteilichkeit der

Vorsitzenden Richterin etwa dadurch, dass diese auf den Presseartikel

hingewirkt oder sich seinen Inhalt zu eigen gemacht habe - nicht

gerechtfertigt gewesen seien. Ob die persönlich motivierten Bemühungen der

Vorsitzenden um Wiedergutmachung während des laufenden Verfahrens angemessen

gewesen seien, könne offen bleiben.

Das Urteil weise, so der Bundesgerichtshof, auch in sachlichrechtlicher

Hinsicht keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf. Das Landgericht

habe die an den Angeklagten geflossenen Beträge zu Recht als Schmiergeld,

und nicht als Provisionszahlungen bewertet. Die Zuwendungen bildeten die

Gegenleistung dafür, dass der Angeklagte sich bereit erklärt habe, einen der

Bewerber im Vergabeverfahren in unlauterer Weise zu bevorzugen. Es handele

sich neben der Untreue um einen geradezu klassischen Fall der

Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr durch Schmiergeldzahlung.

Zur Revision der Staatsanwaltschaft hat der Bundesgerichtshof offen lassen

können, ob das Landgericht zu Unrecht keinen besonders schweren Fall der

Untreue angenommen habe. Denn selbst für diesen Fall sei die vom

Landgericht verhängte Strafe gleichwohl angemessen und könne daher bestehen

bleiben.

Das Urteil des Landgerichts ist damit rechtskräftig.

Urteil vom 9. August 2006 – 1 StR 50/06

Landgericht München I - Urteil vom 13. Mai 2005 - 4 KLs 571 Js 50602/03

Karlsruhe, den 9. August 2006

 

§ 299 StGB Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr

(1) Wer als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes

im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil für sich oder einen Dritten als

Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er

einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im

Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu

drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des

Wettbewerbs einem Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen

Betriebes einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung

dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß er ihn oder einen anderen bei

dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen in unlauterer Weise

bevorzuge.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Handlungen im ausländischen

Wettbewerb.

 

 

Bundesgerichtshof

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