Bundesfinanzhof: Besteuerung privater Wertpapierveräußerungsgeschäfte im Jahr 1999 verfassungsgemäß
Bundesfinanzhof
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.
November 2005 IX R 49/04 entschieden, dass die Besteuerung privater
Wertpapierveräußerungsgeschäfte im Jahr 1999 verfassungsgemäß war.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Besteuerung von privaten
Spekulationseinkünften bei Wertpapieren für die Jahre 1997 und 1998 wegen
eines strukturellen Vollzugsdefizits als verfassungswidrig beurteilt und die
Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) EStG 1997 insoweit für
nichtig erklärt hatte, musste der BFH die Verfassungsmäßigkeit der Norm in
der nun gültigen Fassung ab dem Jahr 1999 prüfen.
Im Streitfall erzielte ein Steuerpflichtiger im Jahr 1999 Einkünfte aus
privaten Veräußerungsgeschäften. Er machte geltend, dass ebenso wie in den
Vorjahren ein Vollzugsdefizit bestanden habe.
Der BFH verneinte jedoch ein normatives, gleichheitswidriges Erhebungsdefizit
jedenfalls nach Einführung des sog. Kontenabrufverfahrens. Nach seiner
Auffassung führt der Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 i.V.m. § 93b Abs. 1 AO 1977
zu einer Effektuierung bestehender Ermittlungsmöglichkeiten und zu einer
umfassenden Verifizierung der vom Steuerpflichtigen zu erklärenden Einkünfte
aus der Veräußerung von Wertpapieren. Zwar gilt das Verfahren erst ab dem 1.
April 2005; es betrifft aber auch Sachverhalte der Vergangenheit, weil z.B.
eine Bank nach § 24c KWG die Nummer eines Depots aufnehmen muss, das bereits
im Jahr 1999 oder vorher errichtet worden ist. Da überdies die
Festsetzungsfrist bei hinterzogenen Steuern zehn Jahre beträgt - und die
Steuer auf nicht erklärte Veräußerungsgeschäfte ist regelmäßig hinterzogen -
können die Finanzbehörden für den Veranlagungszeitraum 1999 noch ermitteln.
So verhält es sich, wenn das FA z.B. bei der Veranlagung der Einkommensteuer
für das Jahr 2004 erfährt, dass der Steuerpflichtige (auch) im Jahr 1999 ein
Depot unterhalten aber keine Erträge erklärt hatte.
Das Kontenabrufverfahren ist nicht nur zur Verifikation geeignet; es ist
wegen der Regelung über das sog. Bankgeheimnis (§ 30a AO 1977) auch
verfassungsrechtlich notwendig, um das Erklärungsverhalten der
Steuerpflichtigen zu überprüfen. Die Finanzverwaltung muss nach einer ihr
zuzubilligenden Anlaufphase die Voraussetzungen für ein rasches Funktionieren
des Verfahrens schaffen. Der BFH hat ausdrücklich offen gelassen, ob und ab
wann - trotz der nun gegebenen rechtlichen Strukturen - von einem
Vollzugsdefizit auszugehen ist, wenn der Kontenabruf aus
wirtschaftspolitischen oder anderen politischen Gründen nicht vollzogen
werden sollte.