Bundesgerichtshof bejaht Anspruch eines antragsgemäß gesperrten Spielers gegen die Spielbank auf Erstattung verspielter Geldbeträge

19.12.2005

Bundesgerichtshof

Die Klägerin, die mit einem "spielsüchtigen" Mann verheiratet ist, und die

beklagte Betreiberin öffentlich-rechtlich konzessionierter Spielcasinos in

Nordrhein-Westfalen streiten über die rechtliche Tragweite von

"Selbstsperren", die die Beklagte auf Wunsch der Spieler gegen diese

ausgesprochen hat.

In den Casinos der Beklagten befinden sich neben dem abgesperrten und

Perso-nenkontrollen unterliegenden Bereich des "Großen Spiels" auch

Automatenspielsäle, die ohne Personenkontrolle betreten werden können. An

den Eingängen zu diesen Sälen sind Hinweisschilder angebracht, wonach

minderjährigen, gesperrten oder nicht zum Spiel zugelassenen Personen der

Zutritt zum Spielsaal/Automatensaal nicht gestattet ist und im Falle eines

Spielverlustes für diese Personen kein An-spruch auf Rückerstattung der

Spieleinsätze, im Falle eines Gewinns weder ein An-spruch auf Rückerstattung

der Spieleinsätze noch auf Auszahlung der Gewinne be-steht. In dem Bereich,

der keiner Personenkontrolle unterliegt, befinden sich Tele-cash-Geräte, mit

deren Hilfe Besucher Geld von ihren Konten abheben können. Die Bedienung der

Telecash-Geräte erfolgt in der Weise, dass den Mitarbeitern der Be-klagten

eine Scheckkarte übergeben wird, die sodann nach Eingabe der

entspre-chenden PIN-Nummer durch den Spieler - den gewünschten Betrag an den

Spieler auszahlen.

Der Ehemann der Klägerin hob an einem Tag im Dezember 1997 mittels der

Tele-cash-Geräte 20 mal je 500 DM von seinem Konto ab, die er vollständig an

den in den Automatenspielsälen befindlichen Geräten verspielte. Die Klägerin

verlangt aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns die Rückzahlung der

verspielten Beträge.

Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass sich die "Selbstsperre" ihrem

Inhalt nach (der vom Ehemann der Klägerin im Januar 1997 unterschriebene

Antrag enthielt den Hinweis: "Mir ist weiterhin bekannt, dass diese

Selbstsperre nur für das 'Große Spiel' vorgemerkt wird und für das

Automatenspiel nicht berücksichtigt werden kann, weil meine persönlichen

Daten im Automatenspiel nicht registriert werden und damit kei-ne

Überwachungsmöglichkeit besteht") nicht auf das Spiel an Automaten erstreckt

habe. Des weiteren hat sie geltend gemacht, dass nach der Rechtsprechung des

Bundesgerichtshofs (Urteil vom 31. Oktober 1995 XI ZR 6/95 - BGHZ 131,

136) die Nichtbeachtung einer "Selbstsperre" durch den Betreiber eines

Spielcasinos diesen nicht zum Ersatz der Spielverluste des gesperrten

Spielers verpflichte.

Die Vorinstanzen haben die beklagte Spielbank antragsgemäß zur Rückzahlung

ver-urteilt. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten

hatte keinen Erfolg. Der III. Zivilsenat hat in Abkehr von der Entscheidung

des XI. Zivilsenats (BGHZ 131, 136) einen Anspruch gegen die Spielbank

bejaht. Anders als bei einer einseitigen Sperre geht es bei einer solchen

auf Antrag des Spielers nicht nur um die Geltendmachung des Hausrechts der

Spielbank, die lediglich als Reflex zugunsten des Kunden wirken mag, sondern

darum, dass die Spielbank dem von ihr als berechtigt erkannten

Individualinteresse des Spielers entsprechen will. Die Spielbank geht daher

mit der Annahme des Antrags eine vertragliche Bindung gegenüber dem

Antragsteller ein, die auch und gerade dessen Vermögensinteresse schützt,

ihn vor den aufgrund seiner Spielsucht zu befürchtenden wirtschaftlichen

Schäden zu bewahren.

Ihrem Inhalt nach war die von der Beklagten übernommene vertragliche

Verpflich-tung darauf gerichtet, in ihren Betrieben das Zustandekommen von

Spielverträgen mit dem gesperrten Spieler zu verhindern. Diese Verpflichtung

bestand allerdings nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren, insoweit aber

auch für den hier in Rede stehenden Bereich des Automatenspiels. Der in dem

Antrag enthaltene Hinweis auf mangelnde Überwachungsmöglichkeiten beim

Automatenspiel besagte nicht etwa, dass der gesperrte Spieler

uneingeschränkt zum Automatenspiel zugelassen werde. Deshalb stand die

Einschränkung einer Überwachungspflicht dort nicht entgegen, wo eine solche

Überwachung ohne weiteres möglich und zumutbar war. In rechtsfehler-freier

tatrichterlicher Würdigung hat das Berufungsgericht festgestellt, dass

zumin-dest bei den hier in Rede stehenden Telecash-Abhebungen für die

zuständigen Mit-arbeiter der Beklagten hinreichender Anlass bestanden hätte,

eine Kontrolle durch-zuführen, ob der Ehemann der Klägerin zu den gesperrten

Spielern zählte. Auch die technischen Möglichkeiten hierfür hatten, wie das

Berufungsgericht weiter feststellt, bestanden.

Der Beklagten fiel somit eine positive Vertragsverletzung zur Last, die sie

zur Rück-zahlung der verlorenen Spieleinsätze verpflichtete.

Urteil vom 15. Dezember 2005 - III ZR 65/05

 

AG Münster Urteil vom 11. Februar 2004 - 55 C 3513/03

 

LG Münster Urteil vom 24. Februar 2005 - 8 S 81/04

 

Karlsruhe, den 15. Dezember 2005

 

 

Bundesgerichtshof

 

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