Bundesgerichtshof erklärt Erhöhung der Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen zum 1.Juli 2005 für rechtswirksam
Bundesgerichtshof
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass sich die
Pfän-dungsgrenzen für Arbeitseinkommen zum 1. Juli 2005, wie vom
Bundesministerium der Justiz bekannt gemacht, erhöht haben. Damit wurde eine
für viele Gläubiger und Schuldner in der täglichen Praxis der
Zwangsvollstreckung bestehende erhebliche Rechtsunsicherheit beseitigt.
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen
einer Geldforderung. Sie hat einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss
erwirkt, mit dem das Arbeitseinkommen des Schuldners gepfändet wurde;
hinsichtlich des pfändbaren Betrags nimmt der Beschluss Bezug auf die
Tabelle zu § 850c Abs.3 ZPO i. d. F. des 7. Gesetzes zur Änderung der
Pfändungsfreigrenzen. Diese Geset-zesreform hatte zum Ziel, eine
Dynamisierung der Pfändungsgrenzen entsprechend der Entwicklung des
steuerlichen Grundfreibetrags zu erreichen. Daher wurde in § 850c Abs.
2a ZPO bestimmt, dass sich die unpfändbaren Beträge jeweils zum 1. Juli
eines jeden zweiten Jahres, erstmalig zum 1. Juli 2003, entsprechend der im
Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen
Entwick-lung des steuerlichen Grundfreibetrags nach § 32a Abs.1 Nr.1 des
Einkommensteu-ergesetzes (EStG) ändern. Dieser Grundfreibetrag war mit
Wirkung vom 1. Januar 2004 erhöht worden; eine weitere Erhöhung zum 1.
Januar 2005 ist hingegen nicht erfolgt. Das Bundesministerium der Justiz hat
im Hinblick auf die Entwicklung des Grundfreibetrages im Gesamtzeitraum vom
1. Januar 2003 bis 1. Januar 2005 die entsprechende Erhöhung der
Pfändungsfreibeträge zum 1. Juli 2005 bekannt ge-macht.
Die Gläubigerin hat - ebenso wie Gläubiger in weiteren
Zwangsvollstreckungsverfah-ren - die Auffassung vertreten, eine Erhöhung der
Pfändungsgrenzen zum 1. Juli 2005 sei nicht wirksam eingetreten. Sie hat
sich darauf berufen, dass sich der Grundfreibetrag nach § 32a Abs.1 Nr.1
EStG im Vorjahreszeitraum, auf den der Wortlaut des Gesetzes abstelle,
nämlich vom 1. Januar 2004 bis 1. Januar 2005, nicht erhöht habe. Mit dieser
Auffassung hatte die Gläubigerin weder in den Vorin-stanzen noch vor dem
Bundesgerichtshof Erfolg. Der VII. Zivilsenat hat zur Begrün-dung der
Zurückweisung der Rechtsbeschwerde folgendes ausgeführt:
Die Erhöhung der Pfändungsgrenzen zum 1. Juli 2005 ist rechtswirksam. Der in
§ 850c Abs. 2a ZPO so bezeichnete Vorjahreszeitraum umfasst die
Zeitspanne, die seit der letzten Feststellung der Pfändungsfreigrenzen
verstrichen ist, somit nach der gesetzlichen Anpassungsregelung einen
Zweijahreszeitraum. Zwar liegt es bei einer lediglich am Wortlaut
orientierten Auslegung nahe, den Begriff Vorjahreszeit-raum nur auf
zurückliegende zwölf Monate zu beziehen. Ein derartiges reines
Wort-verständnis verbietet sich aber unter Berücksichtigung des
Sinnzusammenhangs, in den die Vorschrift gestellt ist, und vor allem im
Hinblick auf den Gesetzeszweck und die Entstehungsgeschichte der Norm.
Mit der Vorschrift des § 850c Abs. 2a ZPO soll eine Dynamisierung der
unpfändba-ren Beträge gewährleistet werden. Der Gesetzentwurf sah dabei
zunächst vor, die Pfändungsgrenzen jeweils zum 1. Januar eines jeden Jahres
entsprechend der im Verhältnis zum jeweiligen Vorjahreszeitpunkt erfolgten
prozentualen Änderung des Grundfreibetrags nach § 32a Abs.1 Nr.1 EStG
anzupassen. Jede Änderung dieses steuerlichen Grundfreibetrags sollte zu
einer entsprechenden Änderung der Pfän-dungsgrenzen führen. Im Laufe des
Gesetzgebungsverfahrens wurde in Abänderung von diesem Entwurf eine
Anpassung alle zwei Jahre jeweils zum 1. Juli bestimmt. Aus dieser lediglich
der Vereinfachung des organisatorischen Ablaufs dienenden Änderung des
Anpassungszeitpunkts kann nicht gefolgert werden, dass der beab-sichtigte
Gleichklang der Entwicklung von steuerlichem Grundfreibetrag und
Pfändungsgrenzen in der Sache angetastet werden sollte. Es ist nicht davon
auszuge-hen, dass der - ersichtlich nur versehentlich - vom Entwurf in die
endgültige Gesetzesfassung übernommene Begriff Vorjahreszeitraum mit der
ursprünglichen Bedeutung aufrechterhalten werden sollte; vielmehr soll der
Zeitraum erfasst werden, der seit dem letzten vorgesehenen
Anpassungszeitpunkt verstrichen ist.
Beschluss vom 24. Januar 2006 - VII ZB 93/05
LG Heilbronn - Beschluss vom 2. August 2005 - 1 T 306/05 Bm-
Karlsruhe, den 8. Februar 2006
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