Bundesgerichtshof erklärt Erhöhung der Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen zum 1.Juli 2005 für rechtswirksam

09.02.2006

Bundesgerichtshof

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass sich die

Pfän-dungsgrenzen für Arbeitseinkommen zum 1. Juli 2005, wie vom

Bundesministerium der Justiz bekannt gemacht, erhöht haben. Damit wurde eine

für viele Gläubiger und Schuldner in der täglichen Praxis der

Zwangsvollstreckung bestehende erhebliche Rechtsunsicherheit beseitigt.

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen

einer Geldforderung. Sie hat einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss

erwirkt, mit dem das Arbeitseinkommen des Schuldners gepfändet wurde;

hinsichtlich des pfändbaren Betrags nimmt der Beschluss Bezug auf die

Tabelle zu § 850c Abs.3 ZPO i. d. F. des 7. Gesetzes zur Änderung der

Pfändungsfreigrenzen. Diese Geset-zesreform hatte zum Ziel, eine

Dynamisierung der Pfändungsgrenzen entsprechend der Entwicklung des

steuerlichen Grundfreibetrags zu erreichen. Daher wurde in § 850c Abs.

2a ZPO bestimmt, dass sich die unpfändbaren Beträge jeweils zum 1. Juli

eines jeden zweiten Jahres, erstmalig zum 1. Juli 2003, entsprechend der im

Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen

Entwick-lung des steuerlichen Grundfreibetrags nach § 32a Abs.1 Nr.1 des

Einkommensteu-ergesetzes (EStG) ändern. Dieser Grundfreibetrag war mit

Wirkung vom 1. Januar 2004 erhöht worden; eine weitere Erhöhung zum 1.

Januar 2005 ist hingegen nicht erfolgt. Das Bundesministerium der Justiz hat

im Hinblick auf die Entwicklung des Grundfreibetrages im Gesamtzeitraum vom

1. Januar 2003 bis 1. Januar 2005 die entsprechende Erhöhung der

Pfändungsfreibeträge zum 1. Juli 2005 bekannt ge-macht.

Die Gläubigerin hat - ebenso wie Gläubiger in weiteren

Zwangsvollstreckungsverfah-ren - die Auffassung vertreten, eine Erhöhung der

Pfändungsgrenzen zum 1. Juli 2005 sei nicht wirksam eingetreten. Sie hat

sich darauf berufen, dass sich der Grundfreibetrag nach § 32a Abs.1 Nr.1

EStG im Vorjahreszeitraum, auf den der Wortlaut des Gesetzes abstelle,

nämlich vom 1. Januar 2004 bis 1. Januar 2005, nicht erhöht habe. Mit dieser

Auffassung hatte die Gläubigerin weder in den Vorin-stanzen noch vor dem

Bundesgerichtshof Erfolg. Der VII. Zivilsenat hat zur Begrün-dung der

Zurückweisung der Rechtsbeschwerde folgendes ausgeführt:

Die Erhöhung der Pfändungsgrenzen zum 1. Juli 2005 ist rechtswirksam. Der in

§ 850c Abs. 2a ZPO so bezeichnete „Vorjahreszeitraum“ umfasst die

Zeitspanne, die seit der letzten Feststellung der Pfändungsfreigrenzen

verstrichen ist, somit nach der gesetzlichen Anpassungsregelung einen

Zweijahreszeitraum. Zwar liegt es bei einer lediglich am Wortlaut

orientierten Auslegung nahe, den Begriff „Vorjahreszeit-raum“ nur auf

zurückliegende zwölf Monate zu beziehen. Ein derartiges reines

Wort-verständnis verbietet sich aber unter Berücksichtigung des

Sinnzusammenhangs, in den die Vorschrift gestellt ist, und vor allem im

Hinblick auf den Gesetzeszweck und die Entstehungsgeschichte der Norm.

Mit der Vorschrift des § 850c Abs. 2a ZPO soll eine Dynamisierung der

unpfändba-ren Beträge gewährleistet werden. Der Gesetzentwurf sah dabei

zunächst vor, die Pfändungsgrenzen jeweils zum 1. Januar eines jeden Jahres

entsprechend der im Verhältnis zum jeweiligen Vorjahreszeitpunkt erfolgten

prozentualen Änderung des Grundfreibetrags nach § 32a Abs.1 Nr.1 EStG

anzupassen. Jede Änderung dieses steuerlichen Grundfreibetrags sollte zu

einer entsprechenden Änderung der Pfän-dungsgrenzen führen. Im Laufe des

Gesetzgebungsverfahrens wurde in Abänderung von diesem Entwurf eine

Anpassung alle zwei Jahre jeweils zum 1. Juli bestimmt. Aus dieser lediglich

der Vereinfachung des organisatorischen Ablaufs dienenden Änderung des

Anpassungszeitpunkts kann nicht gefolgert werden, dass der beab-sichtigte

Gleichklang der Entwicklung von steuerlichem Grundfreibetrag und

Pfändungsgrenzen in der Sache angetastet werden sollte. Es ist nicht davon

auszuge-hen, dass der - ersichtlich nur versehentlich - vom Entwurf in die

endgültige Gesetzesfassung übernommene Begriff „Vorjahreszeitraum“ mit der

ursprünglichen Bedeutung aufrechterhalten werden sollte; vielmehr soll der

Zeitraum erfasst werden, der seit dem letzten vorgesehenen

Anpassungszeitpunkt verstrichen ist.

Beschluss vom 24. Januar 2006 - VII ZB 93/05

 

LG Heilbronn - Beschluss vom 2. August 2005 - 1 T 306/05 Bm-

 

Karlsruhe, den 8. Februar 2006

 

 

Bundesgerichtshof

 

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