Bundesgerichtshof stärkt die Funktion der Presse für die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung

15.03.2006

Bundesgerichtshof

Im Jahr 2001 verschwand ein Landwirt aus Neuburg an der Donau spurlos. Seine

Leiche wurde nie gefunden. Nach den Feststellungen des Urteils des

Landgerichts Ingolstadt vom 13. Mai 2005 wurde er in der Nacht vom 12. auf

den 13. Oktober 2001 im gemeinsamen Wohnhaus der Familie getötet. Der damals

18 Jahre alte im Haus lebende Freund seiner Tochter und seine damals 46

Jahre alte Ehefrau schlugen zunächst mit einer Holzlatte dem Landwirt ins

Genick und auf den Rücken; der Freund der Tochter schlug später mit einem

Zimmermannshammer mehrfach auf den Kopf des Landwirts ein. Dem Tatplan

entsprechend verstarb der Landwirt infolge der Gewalthandlungen. Seinen

beiden damals 16- und 15-jährigen Töchtern wurde eine Beihilfe durch

Unterlassen angelastet. Sie wussten von dem Tatplan, billigten ihn, waren

bei den Gewalthandlungen anwesend und schritten nicht ein. Der Freund der

Tochter zerteilte am nächsten Tag die Leiche, warf einige Leichenteile den

Hunden zum Fraß vor und entsorgte die restlichen Leichenteile an einem

unbekannten Ort. Hintergrund der Tat waren zerrüttete Familienverhältnisse,

insbesondere auch der jahrelange sexuelle Missbrauch der beiden Töchter

durch ihren Vater. Drei der vier Angeklagten hatten die Tat während des

Ermittlungsverfahrens ganz oder zum Teil eingestanden, widerriefen

allerdings das (Teil )Geständnis später.

Die 1. Jugendkammer des Landgerichts Ingolstadt hat den Freund der Tochter

und die Ehefrau wegen gemeinschaftlichen Totschlags zu einer Jugendstrafe

bzw. Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten, die beiden Töchter

wegen durch Unterlassen begangener Beihilfe zum Totschlag zu Jugendstrafen

von drei Jahren und sechs Monaten bzw. zwei Jahren und sechs Monaten

verurteilt.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2006 die

Revisionen der Angeklagten verworfen. Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt

ist damit rechtskräftig. Der 1. Strafsenat hat sich mit der von den

Angeklagten erhobenen Rüge einer Verletzung der Öffentlichkeit näher

auseinandergesetzt. Er hat entschieden, dass es nicht zu beanstanden ist,

wenn einige Zuschauerplätze – nicht alle – Pressevertretern vorbehalten

bleiben. Dies folgt aus der besonderen Funktion der Presse, deren

Anwesenheit schon im Ansatz die öffentliche Kontrolle von

Gerichtsverhandlungen nicht einschränkt, sondern fördert.

Beschluss vom 10. Januar 2006 – 1 StR 527/05

 

Landgericht Ingolstadt – Urteil vom 13. Mai 2005 – JKls 11 Js 491/04

 

Karlsruhe, den 10. März 2006

 

 

Bundesgerichtshof

 

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Angela Haasters

 

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