BUNDESVERFASSUNGSGERICHT: Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen der alten Handwerksordnung zum Meisterzwang

19.12.2005

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

Die Verfassungsbeschwerde eines gelernten Zimmerers mit langjähriger Berufserfahrung hatte Erfolg.

Dieser hatte sich nach erfolgreichem Gesellenabschluss und zehnjähriger beruflicher Tätigkeit im

Jahr 1999 in die Handwerksrolle mit dem Gewerbe „Einbau von genormten Baufertigteilen“ eintragen

lassen. Die zusätzlich beantragte Eintragung für Zimmererarbeiten wurde wegen der fehlenden Meisterprüfung

abgelehnt. Gleichwohl erbrachte der Beschwerdeführer durch seinen Betrieb von 1998 bis 2001

Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten, wobei er Umsatzerlöse von 1 Mio. Euro erzielte. Hiergegen schritt

die zuständige Behörde ein. Rechtsmittel des Beschwerdeführers blieben erfolglos. Auf seine Verfassungsbeschwerde

hin hob die 3. Kammer des Ersten Senats die angegriffenen gerichtlichen Beschlüsse

auf, da sie den Beschwerdeführer in seiner Berufsfreiheit verletzten.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Grundlage der angegriffenen Maßnahmen sind die Vorschriften der bis 2003 geltenden Handwerksordnung

über den Meisterzwang. Danach ist der selbständige Betrieb eines Handwerks nur den in die

Handwerksrolle Eingetragenen gestattet. Eingetragen in die Handwerksordnung wurde grundsätzlich nur,

wer die Meisterprüfung bestanden hatte. Das Bundesverfassungsgericht hatte jedoch schon in seiner

grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1961 verdeutlicht, dass von der Möglichkeit Ausnahmen

zuzulassen, großzügig Gebrauch gemacht werden soll. Die Erteilung einer solchen Ausnahmebewilligung

war in der Situation des Beschwerdeführers nicht ausreichend geprüft worden. Es bestehen zudem

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des früher geltenden Rechts. Wegen der veränderten rechtlichen

und wirtschaftlichen Situation ist zweifelhaft, ob die Regelung der alten Handwerksordnung in dem hier

maßgeblichen Zeitraum noch verhältnismäßig war. Die wachsende Konkurrenz aus dem EU-Ausland

lässt daran zweifeln, ob der große Befähigungsnachweis zur Sicherung der Qualität der in Deutschland

angebotenen Handwerkerleistungen noch geeignet sein konnte. Es stellt sich die Frage, ob der hohe zeitliche

und finanzielle Aufwand, den die Meisterprüfung erfordert, zumutbar ist, wenn Handwerker aus

dem EU-Ausland für ein selbständiges Tätigwerden in Deutschland lediglich eine mehrjährige Berufserfahrung

mit herausgehobener beruflicher Verantwortung benötigen, nicht dagegen eine dem Meistertitel

entsprechende Qualifikation. Auch soweit der Gesetzgeber das Ziel der Ausbildungssicherung verfolgt,

bestehen Zweifel an der Erforderlichkeit des Meisterzwangs. Dass es nicht zwingend ist, die Ausbildung

ausschließlich Handwerksmeistern anzuvertrauen, könnte aus der Neuregelung des Handwerksrechts

folgen. Nach der seit 2004 geltenden Fassung der Handwerksordnung sind unter bestimmten Voraussetzungen

auch berufserfahrene Gesellen zur Ausbildung geeignet.

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