BVerfG: Verfassungsbeschwerden gegen die Berechnung von Zusatzrenten der VBL nach § 18 BetrAVG erfolglos

12.06.2012

Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Berechnung von Zusatzrenten der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (im Folgenden: Versorgungsanstalt) nach § 18 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG). Diese Vorschrift regelt die unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst.

Beide Beschwerdeführer waren im öffentlichen Dienst beschäftigt und bei der Versorgungsanstalt pflichtversichert. Sie beendeten ihre Arbeitsverhältnisse vor Erreichen der Regelaltersgrenze und schieden damit aus der Pflichtversicherung der Versorgungsanstalt aus. Von der Versorgungsanstalt erhielten sie ab Renteneintritt eine Zusatzrente, die aufgrund der einschlägigen Satzungsbestimmungen der Versorgungsanstalt in Verbindung mit § 18 BetrAVG berechnet wurde. In den Ausgangsverfahren erstrebten die Beschwerdeführer die Zahlung höherer Zusatzrenten. Die maßgeblichen Satzungsregelungen seien verfassungswidrig; daher müssten jene Berechnungsvorschriften Anwendung finden, die ohne ein vorzeitiges Ausscheiden gelten. Hilfsweise machten sie eine Berechnung ihrer Zusatzrenten nach der Regelung für die Privatwirtschaft in § 2 BetrAVG geltend. Ihre Klagen vor den Zivilgerichten blieben erfolglos.

Mit ihren hiergegen sowie gegen die Bestimmungen zur Berechnung der Zusatzrenten gerichteten Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführer im Wesentlichen eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, weil die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes abhängig vom Zeitpunkt ihres Ausscheidens unterschiedlich und zudem bei vorzeitigem Ausscheiden auch anders behandelt würden als die Beschäftigten der Privatwirtschaft. Zudem seien sie in ihrem Grundrecht auf Eigentum verletzt, denn ihre erdienten Renten würden ihnen teilweise wieder entzogen. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen, weil sie unzulässig sind.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Soweit sich die Verfassungsbeschwerden unmittelbar gegen § 18 BetrAVG richten, sind sie bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht innerhalb eines Jahres seit Inkrafttreten des Gesetzes erhoben wurden. Im Übrigen werden die Verfassungsbeschwerden nicht den Anforderungen gerecht, die an ihre Begründung zu stellen sind.

Die Satzung der Versorgungsanstalt ist zwar tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde. Das gilt unabhängig von ihrer Einordnung durch den Bundesgerichtshof als privatrechtliche Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Form Allgemeiner Versicherungsbedingungen. Die Verfassungsbeschwerden sind jedoch nicht hinreichend substantiiert. Sie legen insbesondere nicht in ausreichender Weise dar, inwiefern das Grundrecht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG zulasten der Beschwerdeführer konkret verletzt sein soll.

Die prozessuale Anforderung, eine Grundrechtsverletzung plausibel darzulegen, kann auch Informationen umfassen, die ursprünglich nicht im Kenntnisbereich der Beschwerdeführer liegen, wenn ihnen diese Darlegung möglich und zumutbar ist. Im Einzelfall kann es zumutbar sein, unterstützende Beratung in Anspruch zu nehmen, um einen Verfassungsverstoß substantiiert rügen zu können.

Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde gegen komplexe Regelungen, genügt es nicht, nachteilige Ungleichbehandlungen durch einzelne Faktoren in einer Leistungsberechnung zu rügen. Die Beschwerdeführer müssen sich vielmehr auch mit ihrem Zusammenwirken und dem Gesamtergebnis auseinandersetzen. Dazu sind erforderlichenfalls Alternativberechnungen vorzulegen, die, wenn nötig, auch mit Hilfe sachkundiger Dritter zu erstellen sind. Auslagen für Alternativberechnungen sind den Beschwerdeführern zumutbar, wenn die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde dadurch nicht in unverhältnismäßiger Weise erschwert wird. Das ist hier nicht ersichtlich. Ist eine Alternativberechnung jedoch ausnahmsweise unzumutbar, müssen jedenfalls die konkreten tatsächlichen Grundlagen für diese vorgetragen werden. Eine entscheidungserhebliche Ungleichbehandlung durch Einzelregelungen in komplexen Berechnungssystemen ist zudem nur dann hinreichend dargelegt, wenn die Verfassungsbeschwerde die konkret nachteiligen Auswirkungen der jeweiligen Regelung auf die Leistungshöhe aufzeigt.

Nach dem Vortrag der Beschwerdeführer ist insbesondere unklar, wie hoch ein Anspruch nach § 2 BetrAVG wäre und wie dieser für sie zu berechnen wäre. Zwar hatte das hier maßgebliche Regelungswerk eine Komplexität, die es Versicherten kaum mehr ermöglichte zu überschauen, wel- che Leistung sie erwarten konnten. Doch haben sie weder Alternativberechnungen vorgelegt noch mit Hilfe Dritter erstellt noch die Grundlagen für eine solche Berechnung entsprechend vorgetragen. Im Übrigen sind die Beschwerdeführer den Alternativberechnungen der Versorgungsanstalt, wonach sich keine höheren Ansprüche ergäben, nicht entgegen getreten.

Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, dass sie gegenüber denjenigen, die nicht vorzeitig ausscheiden, benachteiligt worden wären, haben sie zwar Nachteile dargelegt. Doch fehlt substantiierter Vortrag dazu, inwieweit darin Grundrechtsverletzungen liegen können. Sie setzen sich insbesondere nicht mit der Frage auseinander, ob Betriebstreue bis zum Renteneintritt höhere Renten rechtfertigen kann.

Die Verfassungsbeschwerden zeigen auch die Möglichkeit einer Verletzung des Grundrechts auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht auf. Zwar sind auch unverfallbare Anwartschaften auf Betriebsrenten eigentumsrechtlich geschützt. Die Beschwerdeführer nennen jedoch keine Rechtspositionen, welche die Rechtsordnung ihnen bereits in einer Weise zugeordnet hat, dass sie auch in einer bestimmten Höhe durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt wären.

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