Kein Rückerstattungsanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland nach Rückzahlung eines Altdarlehens

31.03.2006

Bundesgerichtshof

Der für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des

Bundesgerichtshofs hatte über eine Klage auf Rückerstattung von Zahlungen an

die Bundesrepublik Deutschland auf vor 1941 gewährte Darlehen zu

entscheiden.

Das Deutsche Reich und zwei Kreditinstitute gewährten dem Vater und dem

Großva-ter des Klägers in der Zeit zwischen 1926 und 1941 Darlehen, die

durch Grund-pfandrechte auf ihrem landwirtschaftlichen Anwesen in

Brandenburg gesichert wur-den. Die Kreditinstitute wurden im Mai 1949 durch

den für Ost-Berlin zuständigen Magistrat enteignet. 1955 wurde auch das

landwirtschaftliche Anwesen enteignet, nachdem der Vater des Klägers die DDR

verlassen hatte. Nach der Wiedervereini-gung übertrug das Landesamt zur

Regelung offener Vermögensfragen das Eigentum an dem Grundstück auf den

Kläger als Erbe seines Vaters. 1999 zahlte der Kläger sämtliche Darlehen auf

Verlangen der beklagten Bundesrepublik Deutschland an diese zurück. Nachdem

der XI. Zivilsenat mit Urteil vom 12. Juni 2001 (BGHZ 148, 90 ff.)

hinsichtlich ähnlicher Darlehen entschieden hat, dass der

Darlehensrückzah-lungsanspruch der Bundesrepublik Deutschland verjährt sei,

begehrt der Kläger nunmehr die Rückerstattung der von ihm gezahlten Beträge,

weil die Beklagte mit ihrem Zahlungsverlangen gegen Treu und Glauben

verstoßen habe und die Darle-hensforderungen im Zeitpunkt der Zahlung

bereits verjährt gewesen seien. Der Klä-ger hat außerdem die

Gläubigerstellung der Beklagten hinsichtlich der Bankdarlehen in Zweifel

gezogen. Die Klage war in den Vorinstanzen erfolglos.

Der Bundesgerichtshof hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision

zurück-gewiesen. Er hat offen gelassen, ob die streitgegenständlichen

Darlehensrückzah-lungsansprüche durch die vom Magistrat von Groß-Berlin

verfügte Enteignung 1949 erfasst wurden, obwohl sie nicht im Machtbereich

des Magistrats belegen waren. Die Forderungen stehen der Beklagten jetzt

jedenfalls in entsprechender Anwendung von § 1 des Gesetzes zur Regelung

bestimmter Altforderungen vom 10. Juni 2005 (AFRG) zu. Dieses Gesetz

bezweckt eine eindeutige Zuordnung von Altforderungen, die – wie im

vorliegenden Fall – in der Rechtswirklichkeit der DDR als enteignet gal-ten,

die aber nach heutiger Rechtsauffassung nicht wirksam enteignet worden

wa-ren. Jedenfalls dann, wenn diese Forderungen von der Kreditanstalt für

Wiederauf-bau bereits realisiert worden sind, soll es hierbei verbleiben.

Die Zahlung des Klägers ist auch nicht aus anderen Gründen rechtsgrundlos

erfolgt. Weder sind die schuldrechtlichen Ansprüche auf Darlehensrückzahlung

infolge der Enteignung des Grundstücks erloschen noch sind sie infolge

Zeitablaufs verwirkt. Die Geltendmachung dieser Ansprüche ist darüber hinaus

nicht treuwidrig gewesen. Insbesondere führte die Grundstücksenteignung

nicht zum Wegfall der Geschäfts-grundlage der Darlehensverträge. Der

Fortbestand des landwirtschaftlichen Betrie-bes ist auch nicht dadurch zur

Geschäftsgrundlage der Darlehen geworden, dass letztere Gegenstand von

Entschuldungsverfahren nach dem Gesetz zur Regelung der landwirtschaftlichen

Schuldverhältnisse vom 1. Juni 1993 (RGBl. I S. 331) waren.

Schließlich ergibt sich ein Bereicherungsanspruch nicht daraus, dass der

Kläger auf eine verjährte Forderung gezahlt hat. Nach §§ 813 Abs. 2 Satz 2,

222 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F. ist die Rückforderung des zur Befriedigung von

verjährten Ansprüchen Geleisteten im Interesse des Rechtsfriedens

ausgeschlossen und zwar unabhängig davon, ob der Leistende Kenntnis von der

Verjährung hatte oder der Eintritt der Ver-jährung zweifelhaft war. Die

Beklagte verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn sie sich gegenüber

dem Kläger auf den Ausschluss des Bereicherungsan-spruchs beruft, obwohl sie

nach der Entscheidung des Senats vom 12. Juni 2001 (BGHZ 148, 90 ff.) von

anderen Schuldnern nicht mehr die Rückzahlung vergleich-barer Darlehen

verlangt. Die genannte Entscheidung stellt vielmehr in Verbindung mit § 222

Abs. 2 Satz 1 BGB a. F. einen sachlichen Grund für die Ungleichbehand-lung

der verschiedenen Schuldner dar.

Urteil vom 28. März 2006 – XI ZR 425/04

 

LG Berlin, Urteil vom 30. Juli 2003 – 23 O 77/03 ./.

 

KG Berlin, Urteil vom 15. Oktober 2004 – 25 U 132/03

 

Karlsruhe, den 28. März 2006

 

 

Bundesgerichtshof

 

-Pressestelle-

 

pressestelle@bgh.bund.de

 

Angela Haasters

 

Herrenstraße 45a

 

76133 Karlsruhe

 

Tel.Nr. 0721-159-5013

 

Fax.Nr. 0721-159-5501

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2024 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell