Ruhen der deutschen Approbation hindert nicht vorübergehende ärztliche Tätigkeit in Deutschland aufgrund ausländischer Zulassung

17.10.2005

Bundesgerichtshof

Das Landgericht Wuppertal hatte gegen den Angeklagten, einen deutschen Arzt

und Zahnarzt, wegen zahlreicher Körperverletzungen sowie wegen mehrerer

Verstöße gegen die Bundesärzteordnung und das Zahnheilkundegesetz eine

Gesamtfreiheits-strafe von drei Jahren verhängt. Gegenstand der Verurteilung

war unter anderem, dass der Angeklagte unter Berufung auf seine in Belgien

erlangte Zulassung wieder-holt im Bundesgebiet praktizierte, nachdem das

Ruhen seiner deutschen Approbati-on als Arzt und Zahnarzt "wegen

Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit im Rahmen der Berufsausübung" angeordnet

worden war.

Auf die Revision des Angeklagten hat der 3. Strafsenat entschieden, dass das

Ru-hen der deutschen Approbation keinen unmittelbaren Einfluss auf die nach

europa-rechtlichen Regelungen – der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 50 des

Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) – bestehende

Berechtigung des Arztes zur vorübergehenden Dienstleistung in Deutschland

hat. Sowohl die Bundes-ärzteordnung (BÄO) als auch das Zahnheilkundegesetz

(ZHG) kennen verschiede-ne, selbständig nebeneinander stehende

Legitimationstatbestände für die Ausübung der Heilkunde bzw. Zahnheilkunde

in Deutschland. Die Approbation als Grundlage für eine zeitlich und fachlich

uneingeschränkte Tätigkeit ist nur eine von ihnen. Das Berufsverbot bei zum

Ruhen gebrachter Approbation gilt deshalb nur, soweit die Ap-probation für

die konkrete Tätigkeit auch erforderlich ist.

Die vorübergehende Tätigkeit eines in einem anderen EU-Mitgliedstaat

zugelasse-nen Arztes bzw. Zahnarztes in Deutschland wird demgegenüber erst

dann unzuläs-sig, wenn ihm der Staat, der ihm die Zulassung erteilt hat,

diese entzieht. Verstößt der Arzt bei seiner Tätigkeit in Deutschland gegen

seine Pflichten, sehen die BÄO und das ZHG dementsprechend Meldepflichten

der deutschen an die zuständigen ausländischen Behörden vor, damit diese die

notwendigen Maßnahmen einleiten können. Damit unterscheidet sich die

Rechtslage etwa von den Regelungen über die Anerkennung im EU-Ausland

erteilter Fahrerlaubnisse, denn hier sehen die ein-schlägigen deutschen

Vorschriften ausdrücklich vor, dass derjenige, dem in Deutsch-land

beispielsweise die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden ist, im Inland

Kraft-fahrzeuge auch nicht aufgrund einer Fahrerlaubnis führen darf, die ihm

ein anderer EU-Mitgliedstaat erteilt hat. Eine entsprechende Regelung gibt

es im Berufsrecht der Ärzte nicht.

Der 3. Strafsenat hat deshalb die Verurteilung in den Fällen aufgehoben, in

denen sie allein nach § 13 BÄO bzw. § 18 Nr. 2 ZHG ergangen ist. Hierfür

hatte das Land-gericht jeweils Geldstrafen festgesetzt. Der Senat hat aber

angesichts der Schwere der verbleibenden Körperverletzungstaten des

Angeklagten – unter ihnen mehrere schwer kunstfehlerhafte Eingriffe mit

schwerwiegenden Folgen für die Patienten – die verbleibenden Einzelstrafen

und die Gesamtstrafe für angemessen erachtet und die Revision deshalb im

übrigen verworfen.

Damit ist die Verurteilung des Arztes zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe

rechtskräf-tig.

Urteil vom 13. Oktober 2005 – 3 StR 385/04, Landgericht Wuppertal – Entscheidung vom 23.12.2003 - 22 KLs 20/02 II 430 Js

132/01

 

Karlsruhe, den 13. Oktober 2005

Wortlaut der Vorschriften

Bundesärzteordnung

§ 2 Bundesärzteordnung

(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes den ärztlichen Beruf ausüben

will, be-darf der Approbation als Arzt.

(2) Eine vorübergehende oder eine auf bestimmte Tätigkeiten beschränkte

Aus-übung des ärztlichen Berufs im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist auch

aufgrund einer Erlaubnis zulässig.

(3) Ärzte, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union

oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen

Wirt-schaftsraum oder eines Vertragsstaates sind, dem Deutschland und die

Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union

vertraglich einen ent-sprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, dürfen

den ärztlichen Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes ohne Approbation als

Arzt oder ohne Erlaub-nis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs

ausüben, sofern sie vo-rübergehend als Erbringer von Dienstleistungen im

Sinne des Artikels 50 des EG-Vertrages im Geltungsbereich dieses Gesetzes

tätig werden. Sie unterliegen jedoch der Anzeigepflicht nach diesem Gesetz.

(4) Für die Ausübung des ärztlichen Berufs in Grenzgebieten durch im Inland

nicht niedergelassene Ärzte gelten die hierfür abgeschlossenen

zwischenstaatlichen Ver-träge.

(5) Ausübung des ärztlichen Berufs ist die Ausübung der Heilkunde unter der

Be-rufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin".

§ 6 Bundesärzteordnung

(1) Das Ruhen der Approbation kann angeordnet werden, wenn ….

(2) Die Anordnung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr

vorliegen.

(3) Der Arzt, dessen Approbation ruht, darf den ärztlichen Beruf nicht

ausüben.

(4) Die zuständige Behörde kann zulassen, dass die Praxis eines Arztes,

dessen Approbation ruht, für einen von ihr zu bestimmenden Zeitraum durch

einen anderen Arzt weitergeführt werden kann.

§ 10b Bundesärzteordnung

(1) Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines

anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum,

oder eines Vertragsstaates, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft

oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden

Rechtsanspruch eingeräumt haben, die zur Ausübung des ärztlichen Berufs in

einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem

ande-ren Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum

oder einem Vertragsstaat, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft

oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden

Rechts-anspruch eingeräumt haben, auf Grund einer nach deutschen

Rechtsvorschriften abgeschlossenen ärztlichen Ausbildung oder auf Grund

eines in der Anlage zu § 3 Abs. 1 Satz 2, in § 3 Abs. 1 Satz 6 oder in § 14b

genannten ärztlichen Diploms, Prü-fungszeugnisses oder sonstigen

Befähigungsnachweises berechtigt sind, dürfen als Dienstleistungserbringer

im Sinne des Artikels 50 des EG-Vertrages vorü-bergehend den ärztlichen

Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes ausüben.

(2) Ein Dienstleistungserbringer im Sinne des Absatzes 1 hat das Erbringen

der Dienstleistung der zuständigen Behörde vorher anzuzeigen. Sofern eine

vorherige Anzeige wegen der Dringlichkeit des Tätigwerdens nicht möglich

ist, hat die Anzeige unverzüglich nach Erbringen der Dienstleistung zu

erfolgen. Bei der Anzeige sind Bescheinigungen des Herkunftsstaates darüber

vorzulegen, dass der Dienstleis-tungserbringer

1. den ärztlichen Beruf im Herkunftsstaat rechtmäßig ausübt und

2. ein ärztliches Diplom, Prüfungszeugnis oder einen sonstigen ärztlichen

Befähigungsnachweis im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 besitzt.

Die Bescheinigungen dürfen bei ihrer Vorlage nicht älter als zwölf Monate

sein.

(3) Der Dienstleistungserbringer hat beim Erbringen der Dienstleistung im

Gel-tungsbereich dieses Gesetzes die Rechte und Pflichten eines Arztes.

Verstößt ein Dienstleistungserbringer gegen diese Pflichten, so hat die

zuständige Behörde un-verzüglich die zuständige Behörde des Herkunftsstaates

dieses Dienstleistungserb-ringers hierüber zu unterrichten.

(4) Einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union

oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen

Wirtschafts-raum, oder eines Vertragsstaates, dem Deutschland und die

Europäische Gemein-schaft oder Deutschland und die Europäische Union

vertraglich einen entsprechen-den Rechtsanspruch eingeräumt haben, der im

Geltungsbereich dieses Gesetzes den ärztlichen Beruf auf Grund einer

Approbation als Arzt oder einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des

ärztlichen Berufs ausübt, sind auf Antrag für Zwe-cke der

Dienstleistungserbringung in einem der übrigen Mitgliedstaaten der

Europäi-schen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den

Europäi-schen Wirtschaftsraum Bescheinigungen darüber auszustellen, dass er

1. den ärztlichen Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes rechtmäßig

ausübt

und

2. den erforderlichen Ausbildungsnachweis besitzt.

§ 13 Bundesärzteordnung

Wer die Heilkunde ausübt, solange durch vollziehbare Verfügung das Ruhen der

Approbation angeordnet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder

mit Geld-strafe bestraft.

Zahnheillkundegesetz

§ 1 ZHG

(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Zahnheilkunde dauernd ausüben

will, bedarf einer Approbation als Zahnarzt nach Maßgabe dieses Gesetzes.

Die Ap-probation berechtigt zur Führung der Bezeichnung als "Zahnarzt" oder

"Zahnärztin". Die vorübergehende Ausübung der Zahnheilkunde bedarf einer

jederzeit widerrufli-chen Erlaubnis.

(2) Zahnärzte, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen

Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen

Wirtschaftsraum oder eines Vertragsstaates sind, dem Deutschland und die

Europä-ische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union

vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, dürfen den

zahnärztlichen Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes ohne Approbation als

Zahnarzt oder ohne Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung der Zahnheilkunde

ausüben, so-fern sie vorübergehend als Erbringer von Dienstleistungen im

Sinne des Arti-kels 50 des EG-Vertrages im Geltungsbereich dieses Gesetzes

tätig werden. Sie unterliegen jedoch der Anzeigepflicht nach diesem Gesetz.

(3) …

§ 5 ZHG

(1) Das Ruhen der Approbation kann angeordnet werden, wenn …

(2) Die Anordnung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr

vorliegen.

(3) Der Zahnarzt, dessen Approbation ruht, darf den zahnärztlichen Beruf

nicht ausüben.

§ 13a ZHG

(1) Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines

anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum

oder eines Vertragsstaates, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft

oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden

Rechtsanspruch eingeräumt haben, die zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs

in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem

anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum

oder einem Vertragsstaat, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft

oder Deutsch-land und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden

Rechtsanspruch eingeräumt haben, auf Grund einer nach deutschen

Rechtsvorschriften abgeschlos-senen zahnärztlichen Ausbildung oder auf Grund

eines in der Anlage zu § 2 Abs. 1 Satz 2, in § 2 Abs. 1 Satz 6 oder in § 20a

genannten zahnärztlichen Diploms, Prü-fungszeugnisses oder sonstigen

Befähigungsnachweises berechtigt sind, dürfen als Dienstleistungserbringer

im Sinne des Artikels 50 des EG-Vertrages vorü-bergehend den zahnärztlichen

Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes aus-üben.

(2) Ein Dienstleistungserbringer im Sinne des Absatzes 1 hat das Erbringen

der Dienstleistung der zuständigen Behörde vorher anzuzeigen. Sofern eine

vorhe-rige Anzeige wegen der Dringlichkeit des Tätigwerdens nicht möglich

ist, hat die An-zeige unverzüglich nach Erbringen der Dienstleistung zu

erfolgen. Bei der Anzeige sind Bescheinigungen des Herkunftsstaates darüber

vorzulegen, dass der Dienstleistungserbringer

1. den zahnärztlichen Beruf im Herkunftsstaat rechtmäßig ausübt und

2. ein zahnärztliches Diplom, Prüfungszeugnis oder einen sonstigen

zahnärztlichen Befähigungsnachweis im Sinne des Absatzes 1 Satz 1

besitzt.

Die Bescheinigungen dürfen bei ihrer Vorlage nicht älter als zwölf Monate

sein.

(3) Der Dienstleistungserbringer hat beim Erbringen der Dienstleistung im

Geltungs-bereich dieses Gesetzes die Rechte und Pflichten eines Zahnarztes.

Verstößt ein Dienstleistungserbringer gegen diese Pflichten, so hat die

zuständige Behörde un-verzüglich die zuständige Behörde des Herkunftsstaates

dieses Dienstleistungserb-ringers hierüber zu unterrichten.

(4) Einem Staatsangehörigen eines der Mitgliedstaates der Europäischen Union

oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen

Wirtschafts-raum oder eines Vertragsstaates, dem Deutschland und die

Europäische Gemein-schaft oder Deutschland und die Europäische Union

vertraglich einen entsprechen-den Rechtsanspruch eingeräumt haben, der im

Geltungsbereich dieses Gesetzes den zahnärztlichen Beruf auf Grund einer

Approbation als Zahnarzt oder einer Er-laubnis zur vorübergehenden Ausübung

der Zahnheilkunde ausübt, sind auf Antrag für Zwecke der

Dienstleistungserbringung in einem anderen Mitgliedstaat der Euro-päischen

Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Euro-päischen

Wirtschaftsraum oder einem Vertragsstaat, dem Deutschland und die

Eu-ropäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union

vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben,

Bescheinigungen dar-über auszustellen, dass er

1. den zahnärztlichen Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes rechtmäßig

ausübt und

2. den erforderlichen Ausbildungsnachweis besitzt.

§ 18 ZHG

Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft,

1. wer die Zahnheilkunde ausübt, ohne eine Approbation oder Erlaubnis als

Zahnarzt zu besitzen oder nach § 1 Abs. 2, § 14 oder § 19 zur Ausübung

der

Zahnheilkunde berechtigt zu sein,

2. wer die Zahnheilkunde ausübt, solange durch vollziehbare Verfügung das

Ruhen der Approbation angeordnet ist.

Bundesgerichtshof

 

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