Verfassungsbeschwerde von drei Ruhestandsbeamten gegen Vorschriften des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 abgewiesen

28.09.2005

Bundesverfassungsgericht

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Urteil vom 27. September 2005 die Verfassungsbeschwerde

von drei Ruhestandsbeamten, die sich gegen Vorschriften des Versorgungsänderungsgesetzes

2001 gewandt hatten (Pressemitteilung Nr. 50/2005 vom 14. Juni 2005), abgewiesen.

Die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig, soweit sie sich dagegen wendet, dass die steuerliche Förderung

der privaten Altersvorsorge auf aktive Beamte beschränkt bleibt und Ruhestandsbeamte von der

Förderung ausgeschlossen sind. Insoweit hätten die Beschwerdeführer zunächst fachgerichtlichen

Rechtsschutz in Anspruch nehmen müssen.

Soweit sich die Beschwerdeführer gegen die Verringerung des Pensionsniveaus von Ruhestandsbeamten

wenden, sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Die beanstandete Regelung verstoße nicht gegen

die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, insbesondere greife die Regelung nicht in den

Kernbestand des Alimentationsprinzips (Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts) ein. Zwar sei

im Beamtenrecht das Bemühen, Ausgaben zu sparen, in aller Regel für sich genommen keine ausreichende

Legitimation für eine Kürzung der Altersversorgung. Die Verringerung des Versorgungsniveaus sei

aber im Hinblick auf die Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung gerechtfertigt. Auch habe der

Gesetzgeber die ihm durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes gezogenen Grenzen nicht überschritten.

Das mit der Übertragung der Rentenreform auf die Beamtenversorgung verfolgte Anliegen einer

langfristigen Sicherung des Systems der Beamtenversorgung überwiege das schützenswerte Vertrauen

der Beschwerdeführer in den Fortbestand der für die Berechnung ihrer Versorgungsbezüge maßgeblichen

Faktoren.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

A.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sich die Beschwerdeführer dagegen wenden, dass die

steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge auf aktive Beamte beschränkt bleibt (Art. 11 Nr. 1a

VersÄndG 2001). Insoweit erfordert die Beurteilung der mit ihr erhobenen Rügen die vorrangige Inanspruchnahme

fachgerichtlichen Rechtschutzes. Dort wird vor allem zu klären sein, inwiefern die Möglichkeit

des Abschlusses eines ergänzenden privaten Versorgungsvertrages für Bestandspensionäre überhaupt

relevant ist.

B.

Soweit sich die Beschwerdeführer gegen die Absenkung des Versorgungsniveaus von Ruhestandsbeamten

(Art. 1 Nr. 48 VersÄndG 2001 in Verbindung mit § 69e Beamtenversorgungsgesetz) wenden, ist

die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

I. Die Regelung verstößt nicht gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums im Sinne

des Art. 33 Abs. 5 GG.

1. Es existiert kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, der den Gesetzgeber

verpflichtete, bei Anpassungen der Bezüge eine strikte Parallelität der Besoldungs- und

Versorgungsentwicklung zu gewährleisten. Des Weiteren gibt es keinen hergebrachten

Grundsatz des Berufsbeamtentums, wonach der Höchstversorgungssatz mindestens 75 v.

H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge betragen müsste.

2. Der neu eingefügte § 69e BeamtVG greift nicht in den Kernbestand des Alimentationsprinzips

ein. Die Verringerung des Versorgungsniveaus ist im Hinblick auf die Entwicklung der

gesetzlichen Rentenversicherung gerechtfertigt.

Keinen sachlichen Grund für die Verminderung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und des

Versorgungssatzes stellen die steigenden Ausgaben der Beamtenversorgung dar. Die vom

Dienstherrn geschuldete Alimentierung ist keine dem Umfang nach beliebig variable Größe,

die sich einfach nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten der öffentlichen Hand bemessen

lässt. Zu den finanziellen Erwägungen müssen in aller Regel weitere Erwägungen hinzukommen,

die im Bereich des Systems der Altersversorgung liegen. So ist die Inanspruchnahme

auch der Beamten für die durch das Anwachsen des Versorgungszeitraums bedingten

Mehrkosten im Hinblick auf den Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung sowie die

hohe Zahl von Frühpensionierungen grundsätzlich nicht sachfremd. Da jedoch diese Gesichtspunkte

die Beamtenschaft insgesamt betreffen, weisen sie keinen spezifischen Bezug

zum System der Altersversorgung auf und rechtfertigen deshalb nicht die Inanspruchnahme

allein der Versorgungsempfänger.

Die Verringerung des Versorgungsniveaus ist jedoch im Hinblick auf die Entwicklung der

gesetzlichen Rentenversicherung gerechtfertigt. Das System der gesetzlichen Rentenversicherung

und dessen Veränderungen können allerdings nur insofern zur Bestimmung der

Amtsangemessenheit der Versorgungsbezüge und zur Rechtfertigung von deren Absenkung

herangezogen werden, als dies mit den strukturellen Unterschieden der Versorgungssysteme

vereinbar ist. Ein wesentlicher Unterschied der gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber

der beamtenrechtlichen Altersversorgung besteht darin, dass die Sozialrente als Grundversorgung

durch Zusatzleistungen ergänzt wird. Die Beamtenversorgung umfasst hingegen als

Vollversorgung sowohl die Grund- als auch die Zusatzversorgung, wie sie durch die betriebliche

Altersvorsorge erfolgt. Diese strukturellen Unterschiede sind bei einem Vergleich

der Systeme zu berücksichtigen. Das Versorgungsniveau von Mitgliedern der gesetzlichen

Rentenversicherung bildet daher nur dann einen tauglichen Vergleichsmaßstab, wenn dabei

neben der Rente auch die Einkünfte aus einer betrieblichen Zusatzversorgung berücksichtigt

werden.

§ 69e BeamtVG stellt keine wirkungsgleiche Übertragung der Rentenreform 2001 dar. Unberücksichtigt

blieb, dass die gesetzliche Rente in vielen Fällen nur einen Teil der Altersversorgung

ausmacht und dass die vorgenommenen Kürzungen zudem – jedenfalls teilweise –

durch eine staatlich geförderte private Altersvorsorge kompensiert werden. Auch soweit die

Rentenreform des Jahres 2001 dazu führt, dass eine angemessene Altersversorgung nur mit

Hilfe zusätzlicher, privater Altersvorsorge (sog. Riester-Rente) gesichert werden kann,

scheidet eine Übertragbarkeit auf das Versorgungsrecht aus.

Dennoch hat der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seines Entscheidungsspielraums

noch nicht überschritten. Wegen der Unterschiedlichkeit der Versorgungssysteme

können die Beschwerdeführer eine prozentual identische Angleichung nicht verlangen.

Hinzu kommt, dass die finanziellen Auswirkungen der Reform der gesetzlichen Rentenversicherung

bei Erlass des VersÄndG 2001 nicht fest standen, sondern sich lediglich anhand

von Modellrechnungen abschätzen ließen. Die Übertragung der erst künftigen Auswirkungen

der Rentenreform auf die Beamtenversorgung erforderte deshalb eine prognostische

Entscheidung des Gesetzgebers. Hiermit zwangsläufig verbundene Ungenauigkeiten und

Abweichungen sind bei der Beurteilung des Gestaltungsspielraums zu berücksichtigen. Bei

einer nicht unerheblichen Abweichung der tatsächlichen von der prognostizierten Entwicklung

ist der Gesetzgeber allerdings gehalten, Korrekturen an der Ausgestaltung der Bezüge

vorzunehmen. Dem hat er durch die Vorschrift des § 14a Abs. 5 BBesG Rechnung getragen,

die gleichfalls durch das VersÄndG 2001 eingeführt wurde.

II. § 69e BeamtVG verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

Die Norm bewirkt, dass aktive Beamte nur in Höhe der bislang angefallenen Versorgungsrücklage

(§ 14a Bundesbesoldungsgesetz), Versorgungsempfänger hingegen zusätzlich durch die Absenkung

des Versorgungsniveaus (§ 69e BeamtVG) finanziell belastet werden. Hierin liegt eine Ungleichbehandlung

wesentlich gleicher Tatbestände. Besoldung und Versorgung sind bloße Teilelemente

des einheitlichen Tatbestands der Alimentation; eine „Versorgungslast“ gibt es in rechtlicher

Hinsicht daher nicht. Jedoch ist diese Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt. Insofern gelten

die gleichen Maßstäbe wie bei der Überprüfung anhand des Kriteriums der amtsangemessenen Alimentation

und der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (siehe oben I. 2).

III. § 69e BeamtVG verstößt weder gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot noch gegen

den rechtstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes.

Der Umfang der Absenkung des Versorgungsniveaus in Höhe von 5 v. H. innerhalb eines Zeitraums

von sieben Jahren und der Umstand, dass die Verminderung voraussichtlich nicht mit einem

betragsmäßigen Rückgang der Bezüge einhergehen wird, lassen erwarten, dass die Beschwerdeführer

in der Lage sein werden, sich den veränderten Umständen anzupassen. Hinzu kommt, dass

das sachlich gerechtfertigte Ziel des Gesetzgebers, die Rentenreform 2001 auf die Pensionen zu

übertragen, von der Notwendigkeit unterstützt wird, das System der Beamtenversorgung langfristig

zu sichern.

Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 –

 

Karlsruhe, den 27. September 2005

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