Zur Zulässigkeit eines "Nullausgleichs" für außenstehende Aktionäre bei Gewinnabführungsvertrag mit chronisch defizitärer Aktiengesellschaft

15.02.2006

Bundesgerichtshof

Der II. Zivilsenat hatte heute darüber zu entscheiden, ob der einem

Gewinnabführungsvertrag zustimmende Beschluss der Hauptversammlung einer

Aktiengesellschaft deshalb anfechtbar ist, weil der Vertrag den Ausgleich

für außenstehende Aktionäre auf 0,00 € festgesetzt hat.

Die Klägerin ist Aktionärin der Beklagten, einer seit längerem defizitär

arbeitenden Straßenbahnen-Gesellschaft. Diese schloss mit ihrer

Mehrheitsaktionärin einen Gewinnabführungsvertrag, der einen Ausgleich von

0,00 € für außenstehende Aktionäre vorsah. Die Hauptversammlung der

Beklagten stimmte dem Vertrag zu. Die dagegen gerichtete Anfechtungsklage

der Klägerin blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Das Berufungsgericht

hat die Revision nicht zugelassen.

Der Senat hat die auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wegen

grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision der

Klägerin zurückgewiesen.

Ein Gewinnabführungsvertrag, durch den sich eine Aktiengesellschaft zur

Abführung ihres ganzen Gewinns an ein anderes Unternehmen verpflichtet,

führt normalerweise dazu, dass die Gesellschaft keinen Bilanzgewinn mehr

ausweisen kann und deshalb eine Dividende der außenstehenden Aktionäre

entfällt. Gemäß § 304 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AktG muss deshalb

ein Gewinnabführungsvertrag einen "angemessenen Ausgleich" für die

außenstehenden Aktionäre durch jährliche Zahlung zumindest desjenigen

Betrages vorsehen, der ohne den Unternehmensvertrag als Gewinnanteil

(Dividende) auf die einzelne Aktie verteilt werden könnte. Ergibt die

Ertragsprognose (zum Stichtag des Hauptversammlungsbeschlusses; vgl. Senat,

BGHZ 138, 136, 139 f.), dass ein positiver Ertrag ohnehin nicht zu erwarten

wäre, wie das von den Parteien des vorliegenden nur aus steuerlichen

Gründen abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrages angenommen und durch

den gerichtlich bestellten Vertragsprüfer (§ 293 c AktG) bestätigt worden

ist, kann auch ein sog. "Nullausgleich" angemessen sein. Seine Festsetzung

und Prüfung unterliegt wie jede sonstige Ausgleichsregelung dem geordneten

Verfahren gemäß §§ 293 a ff. AktG und ist dem gemäß § 304 Abs. 3 Satz 1 AktG

mit der Nichtigkeit des Unternehmensvertrages sanktionierten Fall, dass der

Vertrag "überhaupt keinen Ausgleich vorsieht", nach Sinn und Zweck sowie

nach der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift nicht gleichzustellen.

Fragen der Angemessenheit einer Ausgleichsregelung und der Richtigkeit ihrer

Grundlagen einschließlich derjenigen eines Nullausgleichs berühren die

Wirksamkeit des Unternehmensvertrages nicht und können gemäß § 304 Abs. 3

Satz 2, 3 AktG auch nicht im Wege der Anfechtung des dem Vertrag

zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses, sondern nur in dem dafür

vorgesehenen Spruchverfahren geltend gemacht werden, das ggf. zu einer

Erhöhung des Ausgleichs führen kann. Die Anfechtungsklage der Klägerin ist

deshalb in den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen worden.

Urteil vom 13. Februar 2006 II ZR 392/03

 

LG Bochum - Urteil vom 19. Februar 2003 - 13 O 192/02 ./. OLG Hamm - Urteil

vom 18. November 2003 - 27 U 66/03

 

Karlsruhe, den 13. Februar 2006

Bundesgerichtshof

 

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