Zur Zulässigkeit eines "Nullausgleichs" für außenstehende Aktionäre bei Gewinnabführungsvertrag mit chronisch defizitärer Aktiengesellschaft
Bundesgerichtshof
Der II. Zivilsenat hatte heute darüber zu entscheiden, ob der einem
Gewinnabführungsvertrag zustimmende Beschluss der Hauptversammlung einer
Aktiengesellschaft deshalb anfechtbar ist, weil der Vertrag den Ausgleich
für außenstehende Aktionäre auf 0,00 festgesetzt hat.
Die Klägerin ist Aktionärin der Beklagten, einer seit längerem defizitär
arbeitenden Straßenbahnen-Gesellschaft. Diese schloss mit ihrer
Mehrheitsaktionärin einen Gewinnabführungsvertrag, der einen Ausgleich von
0,00 für außenstehende Aktionäre vorsah. Die Hauptversammlung der
Beklagten stimmte dem Vertrag zu. Die dagegen gerichtete Anfechtungsklage
der Klägerin blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Das Berufungsgericht
hat die Revision nicht zugelassen.
Der Senat hat die auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision der
Klägerin zurückgewiesen.
Ein Gewinnabführungsvertrag, durch den sich eine Aktiengesellschaft zur
Abführung ihres ganzen Gewinns an ein anderes Unternehmen verpflichtet,
führt normalerweise dazu, dass die Gesellschaft keinen Bilanzgewinn mehr
ausweisen kann und deshalb eine Dividende der außenstehenden Aktionäre
entfällt. Gemäß § 304 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AktG muss deshalb
ein Gewinnabführungsvertrag einen "angemessenen Ausgleich" für die
außenstehenden Aktionäre durch jährliche Zahlung zumindest desjenigen
Betrages vorsehen, der ohne den Unternehmensvertrag als Gewinnanteil
(Dividende) auf die einzelne Aktie verteilt werden könnte. Ergibt die
Ertragsprognose (zum Stichtag des Hauptversammlungsbeschlusses; vgl. Senat,
BGHZ 138, 136, 139 f.), dass ein positiver Ertrag ohnehin nicht zu erwarten
wäre, wie das von den Parteien des vorliegenden nur aus steuerlichen
Gründen abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrages angenommen und durch
den gerichtlich bestellten Vertragsprüfer (§ 293 c AktG) bestätigt worden
ist, kann auch ein sog. "Nullausgleich" angemessen sein. Seine Festsetzung
und Prüfung unterliegt wie jede sonstige Ausgleichsregelung dem geordneten
Verfahren gemäß §§ 293 a ff. AktG und ist dem gemäß § 304 Abs. 3 Satz 1 AktG
mit der Nichtigkeit des Unternehmensvertrages sanktionierten Fall, dass der
Vertrag "überhaupt keinen Ausgleich vorsieht", nach Sinn und Zweck sowie
nach der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift nicht gleichzustellen.
Fragen der Angemessenheit einer Ausgleichsregelung und der Richtigkeit ihrer
Grundlagen einschließlich derjenigen eines Nullausgleichs berühren die
Wirksamkeit des Unternehmensvertrages nicht und können gemäß § 304 Abs. 3
Satz 2, 3 AktG auch nicht im Wege der Anfechtung des dem Vertrag
zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses, sondern nur in dem dafür
vorgesehenen Spruchverfahren geltend gemacht werden, das ggf. zu einer
Erhöhung des Ausgleichs führen kann. Die Anfechtungsklage der Klägerin ist
deshalb in den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen worden.
Urteil vom 13. Februar 2006 II ZR 392/03
LG Bochum - Urteil vom 19. Februar 2003 - 13 O 192/02 ./. OLG Hamm - Urteil
vom 18. November 2003 - 27 U 66/03
Karlsruhe, den 13. Februar 2006
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