Allen & Overy: Umfrage zeigt wachsende Unterstützung für das Einheitliche Patentgericht in Europa

11.06.2014

+++ Wertvollste Patente werden in das neue System eingebracht +++

+++ Verlagerung bedeutender Patentverfahren nach Europa +++

Frankfurt am Main, 10. Juni 2014. Eine heute von Allen & Overy veröffentlichte Umfrage unter 152 Unternehmen zeigt eine überraschend hohe Unterstützung für Europas kontrovers diskutiertes Einheitliches Patentgericht („EPG”). Fast drei Viertel (74%) der Befragten, die die Vorbereitungen für das neue System in ihren Unternehmen überwachen, erwarten positive Auswirkungen für das eigene Unternehmen. Nur 15% rechnen mit nachteiligen Folgen. In Deutschland gehen gar 80% der befragten Unternehmen davon aus, dass sie vom EPG profitieren werden; lediglich 10% erwarten, dass dies wahrscheinlich nicht der Fall sein wird.

„Die positive Haltung der Unternehmen gegenüber dem EPG ist ebenso überraschend wie motivierend. Sie sollte die Verantwortlichen in ihren Bemühungen ermuntern, das in das Einheitliche Patentgericht gesetzte Vertrauen durch eine überzeugende prozessuale und personelle Vorbereitung weiter zu fördern“, so Dr. Joachim Feldges, Patent Litigator bei Allen & Overy in München.

Die Mehrheit der Befragten ist allerdings bei einem Großteil ihres Patentportfolios (durchschnittlich 68%) noch unentschlossen, ob sie ihre nach dem bisherigen System erteilten europäischen Patente in der siebenjährigen Übergangsfrist dem neuen System unterwerfen sollen oder nicht. Nahezu jeder zweite Befragte (49%) will jedoch zumindest einen Teil seiner Patente definitiv in das neue System einbringen (Opt-in). Lediglich 15% sagten, dass sie einen Teil ihrer Patente auf keinen Fall in das neue System überführen würden (Opt-out). Ähnlich sieht das Stimmungsbild für Deutschland aus – hier sprachen sich 47% zumindest bei einem Teil ihrer Patente für ein Opt-in aus; 12% planen ein Opt-out für einen Teil ihrer Patente.

Von entscheidender Bedeutung ist, dass Unternehmen, die sich mit durchschnittlich ca. 24% ihres Patentportfolios für eine Teilnahme an dem neuen System entschieden haben, dabei ihre wertvollsten Patente („Crown Jewels“) einbringen wollen. Dies zeigt deutlich, dass sich Unternehmen in Bereichen, die für die Geschäftstätigkeit am entscheidendsten sind, für ein Opt-in entscheiden. Die Unternehmen bringen dem EPG damit ein höheres Vertrauen entgegen, als die oft durch Kritiker des europäischen Gerichts bestimmte öffentliche Debatte erwarten ließ.

Die Umfrage verdeutlicht weiterhin, dass das EPG trotz der geringen Aufmerksamkeit, die es bislang bei Unternehmen findet, erhebliche Auswirkungen haben wird. So gibt das EPG Patentinhabern weitreichendere Rechtsmittel an die Hand als die, die ihnen derzeit in den USA zur Verfügung stehen. Zudem ist ein größerer Markt durch die teilnehmenden europäischen Länder betroffen und Verfügungen können einfacher, kostengünstiger und schneller erwirkt werden. Außerdem werden, Schätzungen zufolge, die Kosten mindestens fünfmal niedriger sein als in den USA.

Allein schon aufgrund dieser Vorteile dürfte es bei größeren Patentstreitigkeiten zu einer Verschiebung zugunsten des EPG als bevorzugte „Anlaufstelle” kommen. Auch für globale Patentstrategien könnte das EPG ein wesentlicher Bestandteil werden. Dafür spricht auch die von der Mehrheit der Befragten bekundete Absicht, im Rahmen des neuen Systems Gemeinschaftspatente anmelden zu wollen – im Gegensatz zum klassischen europäischen oder nationalen Patent.

Trotz der großen Auswirkungen auf ihr Geschäft zeigt die Umfrage allerdings auch deutlich, dass sich die Geschäftsleitungen vieler Unternehmen bislang bedenklich wenig mit dem EPG befassen. Lediglich 13% der für die Vorbereitungen auf das neue System verantwortlichen Personen sagten, dass sich die Geschäftsleitung ihres Unternehmens „intensiv” mit der Problematik beschäftigte und sich der möglichen Auswirkungen bewusst sei; in Deutschland sind dies sogar nur 10%. Mit potentiell weitreichenden Folgen: Unternehmen könnten den Exklusivitätsanspruch an ihren Produkten verlieren oder – noch schlimmer – ihnen oder ihren Produkten könnte der Zugang zum gesamten europäischen Markt verwehrt werden.

Patent Litigator Joachim Feldges warnt: „Die kommenden Veränderungen in Bezug auf das EPG sind so umfangreich, dass sich Unternehmen nicht von heute auf morgen darauf vorbereiten können. Wenn sich Unternehmen nicht jetzt strategisch auf die kommenden Veränderungen einstellen, könnte dies zur Folge haben, dass sie von ihren Wettbewerbern zu deren eigenen Bedingungen in Verfahren vor dem EPG oder in nationale Patentstreitigkeiten hineingezogen werden. Die Ergebnisse der Umfrage unterstreichen, dass es hierzu einen erheblichen Beratungsbedarf gibt.“

Während die Entscheidung, was ein Unternehmen mit seinen wertvollsten Patenten tun sollte, auf der Hand zu liegen scheint, ist die Frage, was mit weniger wertvollen Patenten geschehen sollte, alles andere als klar. Bei den durchschnittlich 68% ihrer Patentportfolios, über die Unternehmen bislang noch nicht entschieden haben, handelt es sich im Wesentlichen um zweitrangige Patente. Zwei Drittel (67%) der Befragten nannten fehlende Klarheit über die Kosten als Haupthinderungsgrund, um hier eine Entscheidung treffen zu können. Erst wenn dieser Punkt geklärt ist, werden die Unternehmen in der Lage sein, eine fundierte Kosten-Nutzen-Analyse für ihre weniger wertvollen Patente durchzuführen und zu entscheiden, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, diese dem neuen System zu unterwerfen oder nicht. Es wird erwartet, dass das hierfür verantwortliche Europäische Patentamt im Frühherbst 2014 hierzu Vorschläge unterbreiten wird.

Neben der Klärung der Kostenfrage muss auch in einigen Bereichen, in denen die Regeln unterschiedlich ausgelegt werden, dringend für Klarheit gesorgt werden. Die Studie offenbart einige gefährliche Unsicherheiten, die sich derzeit noch bei Unternehmen im Hinblick auf die strategischen Folgen ihrer Entscheidungen in Bezug auf das EPG auftun. Insbesondere stellt sich die Frage, was mit Patenten geschieht, die nicht formell aus der Zuständigkeit des EPG ausgenommen werden. Rechtsstreitigkeiten über diese Patente können in der Übergangsfrist entweder vor den nationalen Gerichten oder vor dem EPG ausgetragen werden. Es ist allerdings nicht klar, was nach Abschluss der betreffenden Verfahren geschieht, und ob diese Patente durch Verfahren vor einem nationalen Gericht auch für alle anderen Länder und für ihre gesamte Laufzeit effektiv aus der Zuständigkeit des EPG ausgenommen werden können.

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