Audi-Abgasskandal: Alle wichtigen Fragen zum BGH-Verfahren

16.12.2021

BGH befasst sich erstmals mit manipulierten Motoren von Audi 

Verbraucherfreundliche Entscheidung wird erwartet 

Audi droht eine Klagewelle vor Neujahr  

  Berlin-Schönefeld, 15. Dezember 2021. Während sich das Stadler-Verfahren wohl noch mindestens ein Jahr lang hinziehen wird, steht die zivilrechtliche Aufarbeitung des Audi-Abgasskandals vor einem wichtigen Meilenstein. Morgen werden sich die Richter am Bundesgerichtshof (BGH) nämlich erstmals auch mit Diesel-Motoren, die von Audi manipuliert wurden, befassen. Der Rechtsanwalt Claus Goldenstein beantwortet nachfolgend die wichtigsten Fragen zum Thema. Er ist Inhaber der Kanzlei Goldenstein, die unter anderem für das erste BGH-Urteil im Rahmen des VW-Abgasskandals verantwortlich ist und insgesamt fast 30.000 Mandanten in der Sache vertritt.      Worum geht es in den Verfahren?    2017 entdeckte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), dass Audi nicht nur von VW manipulierte Motoren verbaut hat, sondern auch selbst illegale Abschalteinrichtungen entwickelte und einsetzte. Die manipulierten 3.0- und 4.2-Liter-Motoren von Audi wurden in mehr als zehn Modellvarianten von Audi, Porsche und Volkswagen verbaut. Insgesamt ließ das KBA bislang mehr als 480.000 Autos wegen des Audi-Abgasskandals zurückgerufen.    Im Fall von VW sahen es die BGH-Richter bereits als erwiesen an, dass sich das Unternehmen im Zusammenhang mit der Entwicklung und der Inverkehrbringung von manipulierten Motoren sittenwidrig verhalten hat. Da die betroffenen PKW-Halter ihre Autos nicht zu den gleichen Konditionen erworben hätten, wenn sie zum Kaufzeitpunkt von dem Betrug gewusst hätten, können diese Schadensersatzansprüche durchsetzen.    Nun müssen die BGH-Richter klären, ob dies auch im Rahmen des Audi-Abgasskandals möglich ist. Dafür befassen sich die obersten Zivilrichter Deutschlands mit zwei ähnlichen Fällen. In diesen geht es um einen VW Touareg bzw. Einen Audi A6. Beide Fahrzeuge enthalten einen von Audi entwickelten Diesel-Motor und sind wegen des Abgasskandals von einem amtlichen Rückruf betroffen.    Das Besondere an den Fällen ist, dass die Autos jeweils über einen Kreditvertrag mit einem verbrieften Rückgaberecht finanziert wurden. Das bedeutet, dass die PKW-Halter nach der Tilgung der letzten Kreditrate die Möglichkeit hatten, ihre Fahrzeuge für einen vorab festgelegten Kaufpreis an den verantwortlichen Händler zurückzugeben. Von dieser Option machten beide Kläger jedoch keinen Gebrauch.    Nun müssen die BGH-Richter einerseits klären, ob die betroffenen Halter wegen des Abgasskandals Anspruch auf Schadensersatz haben. Andererseits steht aber auch zur Debatte, ob diese Ansprüche trotz des nicht genutzten Rückgaberechts bestehen.      Wie wurden die Fahrzeuge manipuliert?    Audi hat deutlich komplexere Abschalteinrichtungen als VW entwickelt. Die Manipulationssoftware von Audi erkennt anhand sogenannter Aktivierungsparameter, wenn sich das Fahrzeug im Testbetrieb befindet. Variablen wie die Motordrehzahl, der Umgebungsluftdruck sowie die Umgebungs-, Motoren- und Motoröltemperatur sind hierfür ausschlaggebend.    Wenn diese Parameter vom Fahrzeug in der Form gemessen werden, in der sie nur während eines amtlichen Abgastests auftreten, schaltet das manipulierte Auto in einen umweltfreundlichen Modus. Auf diese Weise war es möglich, dass Hunderttausende Fahrzeuge von Audi, VW und Porsche die Typengenehmigung erhielten, obwohl diese im Normalbetrieb ein Vielfaches der zulässigen Schadstoffmengen ausstoßen.        Wann wird ein Urteil erwartet?    Das Urteil in der Sache wird wahrscheinlich noch am selben Tag verkündet. Dies ist bei vergangenen Dieselskandal-Verfahren am BGH zur Regel geworden.  Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die verantwortlichen Richter ihre Entscheidung erst einige Tage oder Wochen später mit der Öffentlichkeit teilen.      Wie wird das Urteil vermutlich ausfallen?    Wir von Goldenstein Rechtsanwälte gehen davon aus, dass der BGH ein verbraucherfreundliches Urteil fällen wird und eine sittenwidrige Täuschung durch Audi bejaht. Damit würden sich die BGH-Richter der Rechtsauffassung von fast allen deutschen Zivilgerichten anschließen. Auch das ungenutzte Rückgaberecht wird wohl nicht dafür sorgen, dass die zwei Kläger vor Gericht leer ausgehen.     Ein solches Rückgaberecht macht den beim Kauf entstandenen Schaden nämlich nicht ungeschehen und die Nichtausübung dieser Klausel kann sicherlich nicht als Zeichen dafür verstanden werden, dass der getäuschte Käufer das Fahrzeug als einwandfrei wahrnimmt. Schließlich kann der zuvor vereinbarte Rückkaufpreis beispielsweise auch einfach nicht marktgerecht sein, weshalb die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen für die Kläger wirtschaftlich attraktiver ist.      Welche Auswirkungen hat das Urteil?    Durch das BGH-Urteil wird der Abgasskandal Audi endgültig einholen. Zudem kommt der Verhandlungstermin zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt für Audi. Die Mehrzahl der manipulierten Fahrzeuge wurde nämlich im Jahr 2018 wegen des Abgasskandals zurückgerufen. Aufgrund der zivilrechtlichen Verjährungsfrist in Höhe von drei Jahren zum Jahresende könnten die Rechtsansprüche vieler betroffener Verbraucher also möglicherweise zum 01. Januar 2022 verjähren.    Sollten sich die BGH-Richter jedoch noch vor Jahresende verbraucherfreundlich positionieren, muss Audi damit rechnen, dass womöglich Zehntausende Kläger dies nutzen, um ihre Rechtsansprüche noch vor einer möglichen Verjährung geltend zu machen. Zusätzlich zu den bereits laufenden Klagen könnte also eine große Klagewelle auf Audi zukommen. Dem Unternehmen droht deshalb ein Milliardenschaden.    Selbst PKW-Besitzer aus dem EU-Ausland würden von der deutschen Grundsatzentscheidung profitieren, denn diese haben die Möglichkeit ihre Rechte am Gerichtsstand von Audi – dem Landgericht Ingolstadt – durchsetzen. Dort werden sich die verantwortlichen Richter in Zukunft an der BGH-Entscheidung orientieren.     Es ist davon auszugehen, dass Audi sich nach einem verbraucherfreundlichen Urteil gesprächsbereit zeigt und Abgasskandal-Klägern Vergleichsangebote unterbreitet, um Prozesskosten zu sparen. Eine ähnliche Entwicklung konnte bereits nach dem ersten BGH-Urteil im Rahmen des VW-Abgasskandals beobachtet werden.

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