Baker Botts, Weil, und Jordan & Hall gewinnen bedeutenden Beihilfefall für Ryanair vor dem Bundesgerichtshof

14.02.2017

Brüssel und Frankfurt, 9. Februar 2017 - Mit seiner heutigen Grundsatzentscheidung in dem beihilferechtlichen Verfahren gegen den Flughafen Lübeck und Ryanair hat der Bundesgerichtshof (BGH) erheblich zur Klärung des Verhältnisses zwischen den nationalen Gerichten und der Europäischen Kommission sowie dem Europäischen Gerichtshof (EUGH) beigetragen.

Im Ausgangsverfahren hatte die Klägerin, Air Berlin, vorgebracht, dass bestimmte zwischen dem Flughafen Lübeck und Ryanair getroffene Vereinbarungen eine rechtswidrige Beihilfe darstellten, und die Hansestadt Lübeck im Wege einer Stufenklage auf Auskunft sowie Rückzahlung der angeblich erhaltenen Beihilfe verklagt. Das Oberlandesgericht Schleswig (OLG) hatte Air Berlins Auskunftsklage stattgegeben, da die Kommission in ihrer Entscheidung aus dem Jahr 2007, das förmliche beihilferechtliche Ermittlungsverfahren zu eröffnen, von der Möglichkeit einer Beihilfe ausgegangen war und sich das OLG an diese vorläufige Einschätzung gebunden fühlte. Zur Begründung stützte sich das OLG auf zwei Vorabentscheidungen des EuGH aus den Jahren 2013 und 2014.

In seiner heutigen Entscheidung ist der BGH hingegen der von Ryanair vertretenen Gegenansicht gefolgt. Danach sind die nationalen Gerichte nicht automatisch verpflichtet, die Rückzahlung angeblicher Beihilfen anzuordnen, weil die Kommission ein förmliches Beihilfeverfahren eröffnet hat. Nach Auffassung des BGH müssen die nationalen Gerichte den vorläufigen Befund in der Eröffnungsentscheidung zwar berücksichtigen; sie müssen diesen aber nicht blind übernehmen. Wenn die nationalen Gerichte Zweifel am beihilferechtlichen Charakter der Maßnahmen hegen, z.B. weil bestimmte Informationen in der Eröffnungsentscheidung nicht berücksichtigt wurden, können die nationalen Gerichte die Kommission um Klarstellung bitten. Fällt die Antwort der Kommission unbefriedigend aus, müssen die nationalen Gerichte die Frage dem EuGH vorlegen. Aber sogar wenn die Gerichte anschließend zu der Ansicht gelangen, die streitgegenständlichen Maßnahmen könnten Beihilfen darstellen, sind sie nicht immer dazu verpflichtet, die Rückzahlung anzuordnen. Vielmehr müssen die nationalen Gerichte die Interessen aller beteiligten Parteien und alle weiteren Umstände des Einzelfalls berücksichtigen, z.B. den seit der Eröffnung des förmlichen Beihilfeverfahrens bereits vergangenen Zeitraum. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund müssen die Gerichte insbesondere prüfen, ob eine Rückforderung verhältnismäßig wäre oder nicht.

Der BGH hat das Verfahren ans Landgericht zurückverwiesen. Das Landgericht muss jetzt die vom BGH vorgegebene Prüfung vornehmen und dabei insbesondere beachten, dass die Europäische Kommission am 7. Februar 2017 entschieden hat, dass die hier streitgegenständlichen Vereinbarungen keine Beihilfe darstellen.

Die Grundsatzentscheidung des BGH hat weitreichende Konsequenzen. Bisher mussten Begünstigte angeblicher Beihilfen befürchten, dass sie automatisch zur Rückzahlung von erhaltenen Beträgen verpflichtet sind, wenn die Kommission ein förmliches Beihilfeverfahren eröffnet hatte. Ein prominentes Beispiel ist die Eröffnungsentscheidung der Kommission im Bereich erneuerbarer Energien.

“Dies ist eine überaus wichtige und begrüßenswerte Entscheidung. Sie schützt die Rechte der angeblichen Beihilfeempfänger und fördert gleichzeitig die wirksame Durchsetzbarkeit des europarechtlichen Beihilferegimes. Hoffentlich wird diese Entscheidung auch dazu führen, dass die Kommission ihr bisheriges Verhalten gegenüber den nationalen Gerichten ändert und Beihilfeverfahren schneller abschließt“, sagt Dr. Georg M. Berrisch von Baker Botts LLP.

“Das Verhältnis zwischen den nationalen Gerichten und der Kommission in Beihilfesachen ist höchst komplex. Mit der heutigen Entscheidung hat der BGH die Rolle der nationalen Gerichte deutlich gestärkt und damit erheblich zur Rechtssicherheit in diesem Bereich beigetragen. Außerdem sichert die Entscheidung die Rechtsposition der Unternehmen, die Leistungen empfangen, wegen derer aufgrund einer vorläufigen Einschätzung der Kommission ein Beihilfeverfahren eröffnet wurde“, kommentiert Dr. Michaela Schmitt von Weil.

In dem Verfahren wurden Ryanair durch Britta Grauke und Dr. Michaela Schmitt von Weil, Gotshal & Manges (Frankfurt), Dr. Georg Berrisch von Baker Botts (Brüssel) und Dr. Reiner Hall Jordan & Hall (BGH, Karlsruhe) vertreten.

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