BVerfG: Gründe zur Ablehnung des Antrags eines "EEG-Stromerzeugers" auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

26.03.2009

Bundesverfassungsgericht

Am 18. Februar 2009 hatte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts den mit einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde

verbundenen Antrag der Betreiberin eines Bioenergieparks und der

zur Errichtung des Bioenergieparks gegründeten Projektgesellschaft abgelehnt, § 19 Abs. 1 Erneuerbare-

Energien-Gesetz (EEG) 2009 im Wege einer einstweiligen Anordnung einstweilen

außer Kraft zu setzen. Die Beschwerdeführerinnen hatten geltend gemacht, dass - anders als unter

Geltung des EEG 2004 - die 40 technisch selbständigen Anlagen des Bioenergieparks ab dem

Inkrafttreten des EEG 2009 am 1. Januar 2009 als eine Großanlage gälten und sie daher pro eingespeister

Kilowattstunde Strom eine geringere Vergütung erhielten; in Folge der dadurch erheblich

verringerten Einnahmen müsste die Anlagenbetreiberin innerhalb kürzester Zeit Insolvenz

anmelden (vgl. Pressemitteilung Nr. 15/2009 vom 19. Februar 2009).

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen, weil die Verfassungsbeschwerde

offensichtlich unbegründet ist. Erst in einem Hauptsacheverfahren zu klärende Fragen

wirft sie nicht auf.

§ 19 Abs. 1 EEG 2009 verstößt nicht gegen das Grundrecht der Beschwerdeführerinnen auf Eigentum.

Es kann offenbleiben, ob der EEG-Vergütungsanspruch, der dem Anlagenbetreiber einen

über den Marktpreis hinausgehenden Erlös für Strom aus Erneuerbaren Energien sichern soll,

von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt wird. Auch wenn man davon ausgeht, ist eine Grundrechtsverletzung

nicht festzustellen. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der Vergütungsanspruch unter

Geltung des EEG 2004 in der von den Beschwerdeführerinnen angenommenen Höhe bestandenhat. Auf die hierfür maßgebliche Auslegung des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EEG 2004 kommt

es im Ergebnis jedoch nicht an. Selbst wenn man der verfassungsrechtlichen Prüfung zugrunde

legt, dass die Stromeinspeisungen des betroffenen Bioenergieparks bislang einzelanlagenbezogen

zu vergüten waren, und § 19 Abs. 1 EEG 2009 ausgehend hiervon eine nach altem Recht erworbene

Rechtsposition der Beschwerdeführerinnen verkürzt, ist die Regelung als verfassungsrechtlich

zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nicht zu beanstanden. Zwar

führt sie zu einer erheblichen Reduzierung der mit dem Betrieb des Bioenergieparks erzielbaren

Einspeisevergütung. Diese gesetzliche Kürzung des Vergütungsanspruchs genügt jedoch den

Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie des im Gewährleistungsbereich des

Art. 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigenden Grundsatzes des Vertrauensschutzes.

§ 19 Abs. 1 EEG 2009 dient dem legitimen Ziel, eine unnötig hohe finanzielle Belastung der

Netzbetreiber, Letztversorger und schließlich der Stromkunden, die wegen des im EEG 2009

geregelten Ausgleichsmechanismus die sog. Differenzkosten tragen müssen, infolge der Aufteilung

einer oder mehrerer großer Biomasseanlagen in eine Vielzahl kleiner Anlagen zu vermeiden.

Die Regelung ist zur Verfolgung dieses Ziels auch geeignet und erforderlich sowie verhältnismäßig

im engeren Sinne. Die nachträgliche Änderung der Vergütungsvorschriften könnte sich

nur dann als unangemessen erweisen, wenn die Beschwerdeführerinnen auf den Fortbestand des

nach ihrem Verständnis in § 3 Abs. 2 EEG 2004 geregelten Anlagenbegriffs vertrauen durften.

Dies ist jedoch nicht der Fall. § 19 Abs. 1 EEG 2009 genügt den Anforderungen des Grundsatzes

des Vertrauensschutzes. Zwar entfaltet die Vorschrift insoweit rückwirkende Kraft, als sie auch

auf vor dem 1. Januar 2009 in Betrieb genommene Biomasseanlagen Anwendung findet. Diese

Rückwirkung ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn jedenfalls konnten die

Beschwerdeführerinnen zu keinem Zeitpunkt auf den Fortbestand der in § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG

2004 nach ihrer Auffassung getroffenen Regelung vertrauen.

Bereits vor Beginn der Planungen für die Errichtung des Bioenergieparks wurde in der Kommentarliteratur

zu § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004 die Auffassung vertreten, dass es für die Frage der

Zusammenfassung mehrerer Anlagen auf den wirtschaftlichen Zusammenhang der Investition am

gewählten Standort ankomme. Zudem diente § 3 Abs. 2 EEG 2004 ausweislich der Gesetzesbegründung

„auch dazu, die dem Gesetzeszweck widersprechende Umgehung der für die Vergütungshöhe geltenden Leistungsschwellen durch Aufteilung in kleinere Einheiten zu verhindern“.

Auch die Bundesregierung und der Bundesrat hatten in der Folge festgestellt, dass die bewusste

Aufteilung von Biogasanlagen in mehrere Einheiten allein zum Zwecke der Erlangung höherer

Vergütungen dem Gesetzeszweck des EEG widerspreche.

Die Beschwerdeführerinnen mussten daher jedenfalls mit einer künftigen Änderung dieser

Rechtspraxis durch den Gesetzgeber rechnen. Auch § 12 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004, auf den sich

die Beschwerdeführerinnen berufen hatten, statuiert keinen uneingeschränkten Anspruch der Anlagenbetreiber

auf Aufrechterhaltung des vergütungsrechtlichen status quo, der von Verfassungs

wegen einer Schließung im Nachhinein erkannter Gesetzeslücken entgegenstünde.

Das zögerliche Vorgehen des Gesetzgebers, dem die bestehenden Rechtsunsicherheiten und die

missbilligte Praxis des Anlagensplittings jedenfalls seit August 2006 bewusst waren, mag unverständlich

erscheinen. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung spielt dies ebenso wenig eine

Rolle wie die Frage, ob die Erstreckung der nunmehr getroffenen Regelung auf Bestandsanlagen

mit Blick auf die Zielsetzung des § 1 Abs. 1 und 2 EEG 2009 rechts- und umweltpolitisch sinnvoll

ist.

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