Euro Polis: Noch Hüter der Verfassung ?

04.05.2020

Das Bundesverfassungsgericht und die europäische Integration

Berlin, 30. April 2020 – „Das nunmehr für den 5. Mai 2020 angekündigte Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank ist von hoher und vielfältiger Bedeutung. Zum einen geht es um die Entscheidung in einem Rechtsstreit, der über fünf Jahre gedauert hat und der allein durch diese Länge es dem Euro-System erlaubt hat, ungehindert Anleihen mit einem Volumen von insgesamt 2,6 Billionen Euro zu erwerben. Damit befindet ca. ein Drittel der Staatsschuld des Euro-Gebietes in den Bilanzen der Zentralbanken, erklärt Prof. Markus Kerber“, Bevollmächtigter der Klägergruppe Prof. von Stein und andere.

Im Kern geht es am 5. Mai 2020 auch darum, dass das Bundesverfassungsgericht über seine eigene Autorität als Richter in letzter Instanz im europäischen Integrationsprozess befindet. Es hatte entsprechend den Regeln der europäischen Verträge die europäischen Rechtsfragen dem Europäischen Gerichtshof zur gutachterlichen Entscheidung vorgelegt. So erhielt der Europäische Gerichtshof 2018 einmal mehr Gelegenheit, der Europäischen Zentralbank zu bescheinigen, dass es sich bei dem Anleihekaufprogramm nicht um Wirtschafts- und Finanzpolitik, sondern um Geldpolitik handele und sich diese im Rahmen des EZB-Mandates bewege.

Akzeptiert das Bundesverfassungsgericht diese von vielen, auch ökonomischen Sachverständigen, bestrittene Ansicht - die im Übrigen vom Europäischen Gerichtshof nicht näher begründet wurde - dann dürfte es für das Bundesverfassungsgericht schwierig werden, weiterhin zu behaupten, Hüter der Verfassung und Kontrolleur exzessiver verfassungswidriger europäischer Integration zu sein. Mehr noch: Der Weg in eine souveräne EZB-Diktatur wäre geebnet. Eine EZB-Diktatur, die von den wissenschaftlichen Helfershelfern der EZB sogar als Integrationsmodell bezeichnet wird.

Das Bundesverfassungsgericht befindet also am 5. Mai 2020 auch über seine eigene Autorität als ausschließlicher Inhaber der Integrationskontrollbefugnisse für den Fall, dass die Bundesregierung und der Bundestag von ihrer Pflicht zur Integrationsverantwortung wie bisher keinen Gebrauch machen.

Angesichts der Dauer des Verfahrens von mehr als fünf Jahren stellt sich ferner die Frage, ob derartige Prozesse überhaupt noch Wirkungen entfalten und somit das Recht kontrafaktisch bleibt. Im Oktober 2019 hatte die Klägergruppe Prof. von Stein u.a. per Eilantrag eine Anordnung gegen die Bundesbank zu gefordert, sich an den ab 1. November 2019 wieder aufgenommenen Anleihekäufen nicht zu beteiligen. Der Zweite Senat wies diesen Antrag noch im Oktober mit der Begründung zurück, das Urteil über den Anleihekauf stünde kurz bevor. Nun warten wir 7 Monate nach dieser Ankündigung mit Spannung auf eben jenes Urteil.

Es steht viel auf dem Spiel, nicht nur für das wieder aufgenommene Anleihekaufprogramm sowie das Mega-Aufkaufprogramm Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) sondern vor allem für die Autorität der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit. (Zur institutionelles Problematik des Schutzes der Verfassung durch die Verfassungsgerichtsbarkeit vgl. Stefan Städter, Noch Hüter der Verfassung ? Diss. Stuttgart 2013 )

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