FPS Fritze Paul Seelig: Etappensieg der Kartellwächter auf dem Weg zu niedrigeren Wasserpreisen
FPS Fritze Paul Seelig
Der Wasserversorger der Stadt Wetzlar
verlangt von seinen Kunden zu hohe
Wasserpreise. Das hat jetzt das Oberlandesgericht
(OLG) Frankfurt entschieden
(Beschluss vom 18.11.2008, Az.: 11
W 23/07 Kart). Es bestätigte damit eine
Verfügung des hessischen Wirtschaftsministeriums,
das dem Wasserversorger
Enwag als Landeskartellbehörde Energie
und Wasser am 9. Mai 2007 vorgegeben
hatte, die Preise für Trinkwasser
ab sofort um knapp 30 % zu senken.
„Dieser Rechtsstreit ist bundesweit relevant,
denn es ist die erste gerichtliche
Auseinandersetzung über eine wasserkartellrechtliche
Missbrauchsverfügung,
die bis zum Bundesgerichtshof gehen
wird“, erläutert Kartellrechtsexperte
Werner Dorß von der Kanzlei FPS Fritze
Paul Seelig in Frankfurt, „die wenigen
Verfahren, die es bisher gab, wurden
bisher einvernehmlich beendet.“
Dem OLG Frankfurt zufolge hat die Enwag
ungünstigere Wasserpreise als
vergleichbare Unternehmen gefordert
und nicht nachgewiesen, dass der
Preisunterschied auf abweichenden
Umständen – z.B. einer ungünstigen
Gebietsstruktur – beruht, die ihr nicht
zuzurechnen sind. Ein solcher Nachweis
ist jedoch Voraussetzung, um in einem
Markt, der von einer marktbeherrschenden
Stellung der Versorger geprägt ist,
unüblich hohe Preise zu rechtfertigen.
Vergleichsbasis sind gleichwertige Versorger,
wobei laut OLG Frankfurt die
Anforderungen an die Gleichartigkeit
nicht übermäßig hoch anzusetzen sind
„Bei der Wasserversorgung gibt es in
Deutschland im Gegensatz zum Gasund
Strommarkt so gut wie keine Konkurrenz“,
schildert Rechtsanwalt Dorß,
„dafür aber unbestritten eine qualitative
Spitzenstellung in Europa, die aber auch
Wasserpreise zur Folge hat, die mit zu
den höchsten der Welt zählen.“ Hinzu
kommt eine weitere Besonderheit: Nur
rund ein Drittel der Wasserlieferanten
rechnet über Preise ab, also komplett
privatwirtschaftlich. Zwei Drittel der Versorgungsunternehmen
erheben für die
Wasserlieferungen basierend auf öffentlich-
rechtlicher Grundlage Gebühren.
Und nur die Preise können kartellrechtlich
kontrolliert werden.
Sowohl die Unternehmen als auch die
Kommunen subventionieren über die
Wassergebühren andere Bereiche der
öffentlichen Daseinsvorsorge. Das beginnt
beim öffentlichen Personennahverkehr,
geht über die Unterstützung
von Schwimmbädern und Sporteinrichtungen
und reicht bis zur Kulturförderung.
Gerade in städtischen Gebieten,
wo es keine Teiche und Bäche gibt,
werden z.B. auch die Kosten für Löschwasser
über diesen Weg mit abgedeckt.
„Auf Gebühren basierende Wasserentgelte
sind tendenziell höher als solche
auf Preisbasis“, betont Dorß. „Bisher ist
die Staatsaufsicht – soweit ersichtlich –
allerdings noch nie im Hinblick auf überhöhte
Wassergebühren tätig geworden.
Doch das kann sich schnell ändern“,
warnt der Kartellrechtsexperte, „Entscheidungen
wie die des OLG erhöhen
massiv den Druck, auch bei den Wassergebühren
kontrollierend einzugreifen
und neue, transparente Lösungen zu
finden.“
Wirklichen Wettbewerb gibt es im Wassermarkt
damit allerdings noch nicht.
„Der ist auch nur schwer zu erreichen“,
schildert Dorß, „denn die Wassernetze
sind in der Regel nicht miteinander verbunden,
so dass es keine Durchleitungen
geben kann. Wettbewerb könnte
erst aufkommen, wenn – wie in Frankreich
– in regelmäßigen Abständen von
der öffentlichen Hand Konzessionen für
die Wassernetze ausgeschrieben werden
und sich die Betreiber wieder neu
darum bewerben müssen.“ So wird im
Nachbarland der fehlende Durchleitungswettbewerb
durch einen periodischen
Wettbewerb um die Netze kompensiert.
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