FPS Fritze Paul Seelig: EuGH muss Ausschreibungspflicht für öffentliche Grundstücksverkäufe prüfen
FPS Fritze Paul Seelig
Die heftig umstrittene Frage, ob
deutsche Kommunen beim Verkauf ihrer
Grundstücke an private Bauinvestoren
die Regeln des Vergaberechts einhalten
müssen, nähert sich einer endgültigen
Klärung. Das Oberlandesgericht Düsseldorf
(OLG) hat dem Europäischen
Gerichtshof (EuGH) einen entsprechenden
Fall zur Entscheidung vorgelegt
(Beschluss vom 02.10.2008, Az.: VIIVerg
25/08). Dabei geht es um die Veräußerung
eines Kasernengrundstücks
ohne vorherige europaweite Ausschreibung
durch den Bund.
„Das OLG selbst hat die Anwendung
des Vergaberechts beim Grundstücksverkauf
der öffentlichen Hand an private
Investoren auch ohne konkreten Beschaffungsbezug
bisher bejaht“, erläutert
Rechtsanwältin Dr. Anne-Carolin
Seidler, Vergaberechtsspezialistin der
Kanzlei FPS Fritze Paul Seelig in Frankfurt,
„anders sieht es das Bundeskabinett:
Dieses hat im Gesetzesentwurf zur
Modernisierung des Vergaberechts
klargestellt, dass öffentliche Grundstücksverkäufe
mit städtebaulichen Auflagen
ohne konkreten Beschaffungsbezug
gerade keine öffentlichen Aufträge
sind, also nicht ausgeschrieben werden
müssen.“ Mit diesem Entwurf wolle die
Bundesregierung, so sei es der Gesetzesbegründung
zu entnehmen, der bisherigen
Rechtsprechung des OLG Düsseldorf
auf gesetzgeberischem Wege
entgegenwirken. Der Entwurf soll bereits
am 01.01.2009 in Kraft treten.
Die zentrale und praktisch wichtige Frage,
die der EuGH nun klären muss, ist,
ob ein öffentlicher Bauauftrag konstitutiv
voraussetzt, dass die Bauleistung in einem
gegenständlich oder körperlich zu
verstehenden Sinn für den öffentlichen
Auftraggeber beschafft wird und ihm
unmittelbar wirtschaftlich zugute kommt.
Hinzu gesellt sich eine ganze Reihe weiterer
Detailfragen, mit denen die Richter
die strittige Problematik umfassend klären
lassen wollen: Muss die Ausschreibungspflicht
erfüllt werden, wenn der
Grundstückskaufvertrag eine einklagbare
Leistungspflicht des Investors
enthält? Was gilt, wenn ein Bauvorhaben
einen bestimmten öffentlichen
Zweck erfüllen soll und der öffentliche
Auftraggeber sicherstellt, dass dieser
Zweck erreicht wird?
Ferner möchte das OLG wissen, ob das
Vergaberecht auch bei so genannten
Kopplungsgeschäften anzuwenden ist,
bei denen öffentlicher Grundstücksverkauf
und Vergabe eines öffentlichen
Auftrages zeitversetzt erfolgen. Wenn
eine enge, zeitliche Verknüpfung der
Vorgänge besteht, könnte dies vergaberechtlich
als Einheit anzusehen sein.
„Aus Sicht aller Beteiligten, insbesondere
der Städte, Kommunen und Investoren
tritt allerdings nach wie vor nicht die
gewünschte Rechtssicherheit ein, denn
der EuGH wird voraussichtlich nicht vor
Ablauf von zwei Jahren entscheiden“,
betont Seidler.
Fraglich wird dann nämlich sein, wie die
Rechtslage ab 01.01.2009 zu beurteilen
ist, wenn die Gesetzesnovelle in Kraft
treten soll. Denn dieser hängt von Beginn
an der Makel einer möglichen Europarechtswidrigkeit
an.
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