FPS Fritze Paul Selig: EuGH erleichtert den Stromkunden geschlossener Netze die Anbieterwahl

03.06.2008

FPS Fritze Paul Selig

Geschäftsinhaber und sonstige Gewerbetreibende,

die nicht unmittelbar an

Stromnetze der allgemeinen Versorgung

sondern an so genannte „Objektnetze“

(früher „Arealnetze“) angeschlossen

sind, konnten bisher in der Regel ihren

Stromlieferanten nicht frei wählen. Häufig

finden sich diese Konstellationen in

größeren Einkaufszentren, an Flughäfen

oder Bahnhöfen und bei gewerblichen

Immobilien auf ehemaligen Industriegeländen.

Grund dafür ist eine Regelung

im Energiewirtschaftsgesetz (§ 110 I Nr.

1 EnWG), mit der der Europäische Gerichtshof

(EuGH) sich jetzt zu befassen

hatte. Die Betreiber dieser „Objektnetze“

sind bislang nicht verpflichtet, jedem Interessenten

ihre Netze zu öffnen. Hiermit

bestand eine gravierende Ausnahme

von den ansonsten bestehenden Verpflichtungen,

Netze der leitungsgebundenen

Energieversorgung für den Wettbewerb

zu öffnen. Nun hat der EuGH

mit seinem Urteil vom 22.5.2008 die Zugangsmöglichkeiten

zu „Objektnetzen“

wesentlich erweitert.

Nach dieser Entscheidung steht die seit

der Novellierung des EnWG im Jahr

2005 geltende Vorschrift im Widerspruch

zu wesentlichen Grundsätzen

des europäischen Binnenmarkts. Solange

dem Betreiber die Netzöffnung nicht

unzumutbar ist, hat er – so der EuGH –

die freie Wahl des Lieferanten zu gewähren.

Die Rechtsfrage war dem

EuGH durch das OLG Dresden zur Vorabentscheidung

vorgelegt worden und

betraf das von der Regulierungsbehörde

als „Objektnetz“ anerkannte Stromnetz

auf dem Flughafen Leipzig/ Halle.

„Die Entscheidung wird weitreichende

Auswirkungen auf das Geschäftsmodell

„Objektnetz“ haben“, meint Rechtsanwalt

Christoph Germer, Energierechtsexperte

der Kanzlei FPS Fritze Paul

Seelig in Berlin. „Vielfach haben Immobilieneigentümer

derartige Netze an

Dritte verpachtet. Das rechnet sich aber

regelmäßig nur dann, wenn der Betreiber

gleichzeitig das Monopol zum

Stromverkauf erhält“. Nach Einschätzung

von Rechtsanwalt Werner Dorß,

Spezialist für Energiewirtschaftsrecht

bei FPS Fritze Paul Seelig in Frankfurt,

werden die Regulierungsbehörden künftig

bei Anträgen zur Feststellung der

Objektnetzeigenschaft zurückhaltender

agieren. Weiterhin, so Rechtsanwalt

Dorß, sei der Gesetzgeber gefragt. „Die

derzeitige Regelung im EnWG ist so

nicht länger haltbar, sie muss an die europäischen

Vorgaben angepasst werden.“

In der Praxis wird entscheidend sein,

welche Anforderungen an das Kriterium

„Zumutbarkeit der Netzöffnung“ zu stellen

sind. Rechtsanwalt Dorß weist im

Übrigen darauf hin, dass sich der EuGH

in seiner Entscheidung nur mit der

Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie auseinandergesetzt

hat und das Urteil somit

nicht unmittelbar für die Gasversorgung

gilt. Allerdings legt der weitgehend übereinstimmende

Wortlaut der Gasrichtlinie

eine parallele Auslegung nahe.

Betroffene Energieverbraucher in bestehenden

„Objektnetzen“ sollten Preisvergleiche

vornehmen und einen

Stromanbieterwechsel prüfen, wenn

sich dadurch ihre Energiekosten reduzieren lassen. Nach Auffassung der

Anwälte wird sich künftig eine Weigerung

des Objektnetzbetreibers sehr viel

schwieriger begründen lassen. Allerdings

sieht auch die EuGHEntscheidung

keine unbegrenzte Netzöffnung

vor, sodass in jedem Einzelfall

zu prüfen sein wird, ob für den Objektnetzbetreiber

der Zugang anderer

Stromlieferanten zumutbar ist.

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