Graf von Westphalen erzielt für Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg Erfolg vor Bundesverfassungsgericht

19.10.2006

Graf von Westphalen

Das Bundesverfassungsgericht hat am 17. Oktober 2006 in seinem Urteil in den Verfahren der Länder Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg gegen die Bundesrepublik Deutschland festgestellt, dass der Bund die verfassungsmäßigen Rechte der Länder aus Artikel 104 a Absatz 5 des Grundgesetzes verletzt hat. Der Bund hat verfassungswidrig gehandelt, weil er gegenüber den Ländern Regressforderungen in Höhe von insgesamt rd. 13 Mio EUR geltend gemacht hat, ohne eine Minderung der Ansprüche auf Grund eigener Mitverantwortung in Betracht zu ziehen. Beide Länder wurden von der Sozietät Graf von Westphalen, Dr. Ronald Steiling und Dr. Christian Winterhoff, vertreten.

Der Bund hatte geltend gemacht, allein die Länder seien für den Vollzug der Gemeinsamen Agrarpolitik der EG zuständig. Deswegen hätten im Falle einer Anlastung alleine sie die Kosten zu tragen. Dieser Auffassung ist das Bundesverfassungsgericht nicht gefolgt. Es hat festgestellt, auch der Bund sei in den verwaltungsmäßigen Vollzug des Gemeinschaftsrechts eingeschaltet. Dem Bund komme neben den Ländern eine substantielle Funktion bei der Vergabe der Agrarstrukturmittel zu, so dass auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts von einer zusammenwirkenden Verwaltung gesprochen werden könne.

Vor diesem Hintergrund ist das Bundesverfassungsgericht auch der Auffassung des Bundes entgegen getreten, Grundlage für Regressansprüche sei Art. 104 a Abs. 1 des Grundgesetzes. Statt dessen komme ausschließlich der auf Sonderfälle bezogene Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz GG als Anspruchsgrundlage in Betracht. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht für den Fall des Gemeinschaftsrechtsvollzuges dem Grundsatz nach zwar eine verschuldensunabhängige Haftung der Länder bejaht. Jedoch hat sich der Bund in diesen Fällen mögliche Mitverursachungsbeiträge anrechnen zu lassen. Da das Bundesverfassungsgericht mehrere Anhaltspunkte für eine Mitverantwortung des Bundes sieht und insbesondere von einer unzureichenden Wahrnehmung der ihm nach dem Gemeinschaftsrecht obliegenden Koordinierungspflicht ausgeht, hat der Bund sein Ziel, alleine die Länder haftbar zu machen, nicht erreicht.

Hinsichtlich möglicher Mitverursachungsbeiträge des Bundes sind tatrichterliche Ermittlungen notwendig. Demnach konnte das Bundesverfassungsgericht den anhängigen Bund-Länder-Streit nicht abschließend entscheiden. Die weitere Aufklärung ist Sache des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen eines Verfahrens nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Ob es zu einem solchen Verfahren kommt, ist derzeit offen. Im Bereich des Möglichen liegt auch eine außergerichtliche Einigung der Beteiligten.

Zum Hintergrund des Verfahrens:

Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Gemeinschaft erfolgen gemeinschaftliche Interventionen zur Regulierung der Agrarmärkte. Zur Finanzierung dieser Maßnahmen müssen in einem ersten Schritt die Mitgliedstaaten Mittel bereitstellen. In der Bundesrepublik Deutschland erfolgt dies durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Sodann stellt die Kommission der Europäischen Gemeinschaft den Mitgliedstaaten sog. Vorschüsse zur Verfügung, die im Fall der Bundesrepublik Deutschland dem Bund überwiesen und im Bundeshaushalt veranschlagt werden. Die Länder, die innerstaatlich für den Vollzug der Gemeinsamen Agrarpolitik zuständig sind, dürfen zu Lasten der Bundeskasse über die von der BLE und der Europäischen Gemeinschaft bereitgestellten Mittel verfügen.

Ob die im Vorschusswege von der Europäischen Gemeinschaft überwiesenen Mittel von den Mitgliedstaaten endgültig behalten werden dürfen, entscheidet die Kommission erst nachträglich im sog. Rechnungsabschlussverfahren. Im Rahmen dieses Verfahrens wird insbesondere kontrolliert, ob die Mitgliedstaaten die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Mittelverwendung beachtet haben. Ist dies nicht der Fall, kommt es zu einer sog. Anlastung. Dabei wird, ohne dass es der Feststellung eines definitiven Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht sowie der Feststellung eines konkreten Schadens bedarf, eine Pauschalkorrektur vorgenommen. Dies bedeutet, dass bestimmte prozentuale Anteile der eigentlich von der Gemeinschaft zu tragenden Ausgaben von der gemeinschaftlichen Finanzierung ausgeschlossen werden. In Höhe der angelasteten Beträge sind die von der Gemeinschaft gewährten Vorschüsse von den Mitgliedstaaten zurückzuerstatten. Im Fall der Bundesrepublik Deutschland werden die angelasteten Beträge durch den Bund erstattet. Dazu werden im Bundeshaushalt Finanzmittel bereitgestellt.

Auslöser für die vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Verfahren war die Auffassung des Bundes, im Falle einer gemeinschaftsrechtlichen Anlastung bei den Ländern Regress nehmen zu können.

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