Heuking Kühn Lüer Wojtek: Keine Kapitalerhöhung GmbHs mit Cash Pool-Systemen?

20.01.2006

Heuking Kühn Lüer Wojtek

Bundesgerichtshof (BGH) erschwert Kapitalerhöhungen bei GmbHs, die im Rahmen von Cash-Pool-Systemen Liquiditätsengpässe ausgleichen wollen. Gestern hat der BGH in einer Grundsatzentscheidung die seit geraumer Zeit mit Spannung erwartete Frage entschieden, dass die im GmbHG verankerten Kapitalaufbringungsvorschriften im sogenannten Cash-Pool-System innerhalb einer Konzernstruktur nur eingeschränkt zur Anwendung gelangen.

Das sogenannte physische Cash-Pool-System (auch cash-management genannt) zeichnet sich dadurch aus, dass sich die zu einer Unternehmensgruppe gehörenden Gesellschaften aufgrund eines Rahmenvertrages verpflichten, ihre am Ende des Tages vorhandene Liquidität an eine andere speziell hierfür eingerichtete Gesellschaft der Unternehmensgruppe abzuführen. Befindet sich das Konto der Gesellschaft im Saldo, so wird der Gesellschaft in umgekehrter Richtung die erforderliche Liquidität von der liquiditätsverwaltenden Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Rechtlich gesehen handelt es sich bei den Zahlungen in aller Regel um kurzfristige Darlehensgewährungen zwischen den betroffenen Gesell-schaften. Hauptziel des Cash-Pool-Systems ist die Konzentrierung von Liquidität sowie die Verbesserung der konzerneigenen Zinspolitik. Durch die Einrichtung eines Cash-Pool-Systems können in kurzer Zeit erhebliche konzerninterne Darlehensverbindlichkeiten und -forderungen entstehen, die möglicherweise nur noch schwer zu handhaben sind.

Probleme des Cash-Pool-Systems ergeben sich aus rechtlicher Hinsicht mit Blick auf die strikten Vorschriften zur Kapitalaufbringung und zur Kapitalerhaltung im GmbHG. Bereits 2003 hat der BGH in einer viel beachteten Entscheidung ausgeführt, dass eine Darlehensgewährung an den Gesellschafter bzw. an ein anderes Konzernunternehmen nur zulässig ist, wenn die darlehensgewährende Gesellschaft über genügend freies Vermögen verfügt. Mit anderen Worten darf das Darlehen nicht aus gebundenen Stammkapital ausgereicht werden. Geschieht dies dennoch, so liegt ein Verstoß gegen § 30 GmbHG vor. Rechtsfolge ist, dass sich die Geschäftsführung nicht nur haftbar machen kann, sondern das ausgereichte Darlehen unverzüglich zurückzufordern ist.

Es besteht in der juristischen Literatur weitgehend Einigkeit darüber, dass diese Grundsätze auch im Cash-Pool-System uneingeschränkt zur Anwendung gelangen. Ungewissheit besteht derzeit lediglich, ob der Abschluss von Unternehmensverträgen (wie bspw. einem Ergebnisabführungsvertrag) geeignet ist, diese Rechtswirkungen auszuhebeln.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus 2003 betraf nur die Frage der Kapitalerhaltung. Nunmehr hat der BGH in dieser Woche auch darüber entschieden, ob sich auch die Eingehung einer Darlehensverbindlichkeit aufgrund einer Verpflichtung aus einem Cash-Pool-System unter bestimmten Voraussetzungen als Verstoß gegen die Grundsätze der Kapitalaufbringung darstellen kann. Hintergrund ist, dass eine Konzerngesellschaft dringend neues Kapital benötigte. Die Gesellschafter haben eine förmliche Barkapitalerhöhung beschlossen, um der Gesellschaft dieses Kapital zur Verfügung zu stellen. Das Geld wurde nicht direkt von den Gesellschaftern, sondern von derjenigen Konzerngesellschaft (als Dritte) zur Verfügung gestellt, die die gesamte Konzernliquidität verwaltet. Die das Kapital benötigende Gesellschaft hat für die Durchführung der Kapitalerhöhung extra ein eigenes Konto eröffnet. Die Liquidität ist sogar solange auf diesem extra dafür eingerichteten Konto liegen geblieben, bis die Kapitalerhöhung im Handelsregister eingetragen worden ist. Erst nach der Handelsregistereintragung wurde die Liquidität auf ein normales Geschäftskonto der Gesellschaft überwiesen. Da auf dem betreffenden Geschäftskonto am Ende des Tages zwangsläufig einen erheblichen Liquiditätsüberschuss vorhanden war, wurde dieser Überschuss aufgrund der aus dem Cash-Pool-System bestehenden Verpflichtung auf das Bankkonto der liquiditätsverwaltenden Konzerngesellschaft (zurück-)überwiesen. Entscheidend war, dass sich durch die Überweisung lediglich eine bereits vor der Kapitalerhöhung bestehende Verbindlichkeit der betreffenden Gesellschaft gegenüber der liquiditätsverwaltenden Konzerngesellschaft aus dem Cash-Pool-System reduzierte.

Es kam wie es kommen musste: Die betreffende Konzerngesellschaft ist trotz der vorgenommenen Finanzspritze später in die Insolvenz geraten. Der Gesamtvollstreckungsverwalter vertrat die Auffassung, dass die unzweifelhaft auf die beschlossene Kapitalerhöhung geleistete Einlage nicht wirksam erbracht werden konnte. Der BGH folgte der Auffassung des Gesamtvollstreckungsverwalters. In seinen (noch nicht veröffentlichten) Parallelentscheidungen vom 17.01.2006 vertritt der BGH die klare Auffassung, dass der Anspruch des Gesamtvollstreckungsverwalters sehr wohl besteht. Im Ergebnis sei der Sachverhalt wirtschaftlich zu betrachten. Wirtschaftlich ist der Gesellschaft keine neue Liquidität zugeflossen. Die Gesellschaft ist wirtschaftlich vielmehr nur von einer Verbindlichkeit gegenüber einer anderen Konzerngesellschaft befreit worden. Die dadurch erreichte Befreiung von der Verbindlichkeit ist aber nicht im Wege einer Barkapitalerhöhung, sondern lediglich im Wege einer Sachkapitalerhöhung möglich. Da die für eine Sachkapitalerhöhung erforderlichen Voraussetzungen von den Gesellschaftern nicht eingehalten worden sind, konnte die Einlage von den Gesellschaftern somit nicht wirksam erbracht werden. Die Einlageforderung ist daher weiterhin offen.

"Der Auffassung des Bundesgerichtshofes ist in allen Bereichen uneingeschränkt zuzustimmen" kommentiert Martin Mildner, Rechtsanwalt bei Heuking Kühn Lüer Wojtek die Entscheidung. "Es kann kein Sonderrecht für eine GmbH im Cash-Pool-System geben. Es ist vielmehr in umgekehrter Richtung zu fragen, ob die Regelungen hinsichtlich der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung im Cash-Pool-System nicht einer noch schärferen Kontrolle unterliegen müssen, als diese bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung ohnehin bereits bestehen. Gerade im Konzernverbund mit einem eingerichteten Cash-Pool-System wird der Konzerngesellschaft durch das Absaugen jeglicher Liquidität die Möglichkeit genommen, eine eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch die Bildung von Liquiditätsreserven aufrechtzuerhalten. Die Gesellschaft ist in Krisenzeiten auf das Wohl und Wehe des gesamten Konzernverbundes angewiesen. Allein die Zurverfügungstellung von liquiden Mitteln im Falle eines negativen Saldos am Ende des Tages führt nicht dazu, dass eine andere Sichtweise gerechtfertigt ist." Dennoch bringen die beiden Parallelurteile des Bundesgerichtshofes weitere Unsicherheit für die Praxis mit sich. Denn nach Gesetz und Rechtsprechung ist es normalerweise ausreichend, wenn die Barmittel zum Zeitpunkt der Eintragung der Kapitalerhöhung noch ungeschmälert auf einem Bankkonto der Gesellschaft vorhanden sind. Auch eine lediglich wertgleiche Deckung soll nicht zu einer Unwirksamkeit der Einlageleistung führen. Es fragt sich somit, ob bzw. wie sich die Gesellschafter einer in ein Cash-Pool-System einbezogenen Gesellschaft sicher sein können, die Einlage auch wirklich geleistet zu haben. Es kann jedenfalls nicht darauf ankommen, ob das Geld bereits am Tag der Handelsregistereintragung oder aber erst 2 Wochen später auf das normale Bankkonto transferiert wird. Ratsam ist eine Barkapitalerhöhung daher wohl nur noch in den Fällen, in denen die betreffende Gesellschaft keine ausstehenden Verbindlichkeiten gegenüber der liquiditätsverwaltenden Gesellschaft hat. Nur in diesem Fall wird sich sicherlich auch nicht das Problem einer Barkapitalerhöhung stellen. Der sicherere Weg ist wohl zunächst allein, die Barkapitalerhöhung durch eine Sachkapitalerhöhung unter gleichzeitiger Befreiung von der Verbindlichkeit zu vereinbaren. Aber auch hier sind Fallstricke vorprogrammiert. Es ist zu beachten, dass die Leistung in diesem Fall nicht von den Gesellschaftern, sondern von einem Dritten erbracht wird. Damit wird eine zusätzliche Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern und der liquiditätsverwaltenden Gesellschaft erforderlich. Daneben wird sich auch das zusätzliche Problem stellen, dass es sich bei der Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber der liquiditätsverwaltenden Gesellschaft in der Regel um eine eigenkapitalersetzende Verbindlichkeit handelt. Können diese Verbindlichkeiten aber aufgrund ihrer Verhaftung als Eigenkapitalersatz (derzeit) nicht zurückgeführt werden, so steht diese Verbindlichkeit wohl auch nicht als Sacheinlage zur Verfügung.

Martin Mildner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Dozent an der Universität Hamburg sowie Lehrbeauftragter an der Universität Kiel, Partner der international tätigen Rechtsanwaltskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Hamburg.

Anmerkung zum Urteil des BGH vom 17.01.2006 - Aktz. II ZR 75/04 und II ZR 76/04

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