Kaye Scholer reicht erfolgreich Verfassungsbeschwerde ein

20.01.2009

Kaye Scholer

Anhörungspflicht trotz Haftbefehl/Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz: Rechtsanwälte Dr. Joachim H. Borggräfe und Dr. Heinz-Bodo Führ erstreiten Berufungsverfahren für gekündigten Geschäftsführer

Frankfurt, 20. Januar 2009 - Die Rechtsanwälte Dr. Joachim H. Borggräfe und Dr. Heinz-Bodo Führ der internationalen Sozietät Kaye Scholer (Germany) LLP, Frankfurt/M, haben erfolgreich Verfassungsbeschwerde gegen eine vom Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesene Berufung eingelegt (AZ 1 BvR 2587/06). In dem Berufungsverfahren ging es um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung eines Geschäftsführers, dem strafbare Handlungen vorgeworfen wurden. Die bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage, ob eine vorherige arbeitgeberseitige Anhörung ausnahmsweise entbehrlich ist, wenn - wie im Streitfall - gegen den Verdächtigen bereits ein Haftbefehl erlassen und vollzogen wurde, war vom OLG nicht zur Entscheidung angenommen worden. Dieses Vorgehen des OLG hat das Bundesverfassungsgericht als "unzumutbare Erschwerung des Zugangs zur nächsten Instanz" und als Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 I, Art. 20 III GG) gerügt! Der Beschluss hat grundsätzliche Bedeutung für alle Rechtsmittelverfahren in allen Gerichtszweigen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass nicht nur eine erwiesene Straftat, sondern schon ein dringender Verdacht ein wichtiger Kündungsgrund sein kann. Im Arbeitsrecht gilt die Unschuldsvermutung nicht. Bei dieser sog. Verdachtskündigung besteht immer die Gefahr, dass ein Unschuldiger seinen Arbeitsplatz verliert. Aus diesem Grund hat das Bundesarbeitsgericht die Zulässigkeit einer Verdachtskündigung stets davon abhängig gemacht, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung den Arbeitnehmer zu dem erhobenen Verdacht anhört. Ohne Anhörung ist eine Kündigung unwirksam. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn die Anhörung aus Gründen, die der Arbeitgeber nicht zu vertreten hat, scheitert, z.B. weil sich der Arbeitnehmer weigert, sich zu dem konkret erhobenen Vorwurf gegen ihn zu äußern. Dieser Einschränkung hatten das LAG Düsseldorf in einer Entscheidung vom 13.08.1998 und ihm später folgend das LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 18.08.2005) eine weitere Ausnahme hinzugefügt: Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers soll auch dann entbehrlich sein, wenn gegen ihn bereits Haftbefehl erlassen wurde. Auf diese Rechtsprechung hatte sich das OLG in seinem unanfechtbaren Zurückweisungsbeschluss gestützt. Rechtsprechung des BGH oder des BAG liegt insoweit nicht vor.

Das Bundesverfassungsgericht folgt dem Verweis des OLG nicht. Es geht davon aus, dass die Frage der Auswirkung eines Haftbefehls auf die Anhörungspflicht rechtlich umstritten ist. Die Rechtsfrage sei von grundsätzlicher Bedeutung. Die Revisionsinstanz müsse für den Geschäftsführer zugänglich sein.

Mit dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht nicht nur die Zulässigkeit der Zurückweisung von Berufungen (vgl. § 522 II ZPO) neu definiert, sondern zugleich den Weg für eine höchstrichterliche Klärung der materiell-rechtlichen Fragestellung, ob ein Haftbefehl die Anhörung im Rahmen einer Verdachtskündigung entbehrlich macht, verfahrensrechtlich frei gemacht. Der Bundesgerichtshof dürfte sich mit dieser Rechtsfrage demnächst befassen müssen. Für diesen Fall lässt die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Anhörungspflicht bei einer Verdachtskündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Entscheidung dahingehend erwarten, dass allein ein Haftbefehl die arbeitgeberseitige Anhörung vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht entbehrlich macht, wenn sich der Arbeitnehmer/Geschäftsführer zu dem Vorwurf des Arbeitgebers äußern will.

Die Kanzlei Kaye Scholer

Kaye Scholer, gegründet 1917 in New York, ist mit über 500 Rechtsanwälten eine der führenden internationalen Sozietäten. Im Frankfurter Büro arbeiten derzeit 25 Anwälte. Die traditionsreiche Kanzlei berät mit insgesamt acht Büros in den wichtigsten Wirtschafts- und Finanzzentren auf dem amerikanischen, dem europäischen und dem asiatischen Kontinent. Sie betreut ihre Mandanten - Unternehmen, Finanzinstitute und die öffentliche Hand - national und grenzüberschreitend insbesondere auf den folgenden Rechtsgebieten: Gesellschaftsrecht/M&A, Kartellrecht, Prozessführung, Steuerrecht, Intellectual Property/Gewerblicher Rechtsschutz, Immobilienrecht, Arbeitsrecht, Private Equity/Venture Capital, Finanz- und Kapitalmarktrecht.

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