Pusch Wahlig Legal: Review Arbeitsrechtsfrühstück vom 27. Januar 2012

15.02.2012

Im Nachgang zu unserem Arbeitsrechtsfrühstück am 27. Januar 2011 mit dem Thema „Brennpunkt: Zeitarbeit“, das nicht zuletzt auf Grund der allseits regen Diskussion spannende Einblicke in die Vielschichtigkeit der Problematik gewährte, möchten wir Sie gerne über interessante neuere Entwicklungen informieren, die sich seitdem ereignet haben.

Erste gerichtliche Überprüfung: Vorübergehender Einsatz von Leiharbeitnehmern?

Eine erste gerichtliche Erklärung, was unter einer „vorübergehenden Beschäftigung“ von Leiharbeitnehmern zu verstehen ist, steht beim Arbeitsgericht Leipzig an. Der Betriebsrat von BMW in Leipzig, der hierbei von der Gewerkschaft IG Metall unterstützt wird, hat seine Zustimmung zur Beschäftigung von Leiharbeitnehmern verweigert. Die Geschäftsleitung hat nun in mehreren Fällen ein gerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet. Entscheidend dafür, ob der Betriebsrat zu Recht seine Zustimmung zu den Einstellungen von Leiharbeitnehmern verweigert hat, dürfte sein, ob diese Einstellungen „vorübergehend“ waren. BMW trägt vor, Leiharbeitnehmer einzusetzen, um den Schwankungen im Automobilsektor Rechnung zu tragen.

Richtigerweise muss das Kriterium „vorübergehend“ auch unter Berücksichtigung der europäischen Richtlinie, eng ausgelegt werden. Lediglich in Missbrauchsfällen dürfte die Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Leiharbeitnehmern überschritten sein. Die Argumentation der Geschäftsleitung, Schwankungen in der Produktion durch Leiharbeitnehmer ausgleichen zu wollen, ist unserer Auffassung nach grundsätzlich gerechtfertigt. Ob sich das Gericht dieser Auffassung anschließt, bleibt abzuwarten.

Die gerichtlichen Verfahren verdeutlichen die Risiken für Entleiher auf Grund der Änderungen des AÜG, wenn auch die konkrete Beschäftigung der Leiharbeitnehmer als vorläufige Maßnahme nach § 100 BetrVG weiterhin möglich ist.

Im Übrigen wird man aber für jeden einzelnen Arbeitnehmer genau prüfen müssen, ob diese Argumentation auf den betroffenen Mitarbeiter zutrifft. Eine pauschale Beurteilung, dass generell bei einer Vielzahl von Leiharbeitnehmern im Betrieb kein vorübergehender Einsatz gegeben ist, verbietet sich.

Uneinigkeit der Sozialgerichte: Rechtmäßigkeit von Beitragsnachforderungen?

Das uneinheitliche Bild in den Entscheidungen der Arbeitsgerichte, die sich mit Equal-Pay-Klagen von Leiharbeitnehmern befassen, setzt sich in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung nahtlos fort. Das SG Hamburg hatte in seinem Beschluss vom 18. November 2011 ernstliche Zweifel angemeldet, ob auf Grund Tarifunfähigkeit der CGZP Sozialversicherungsbeiträge für die Vergangenheit nach zu erheben seien. Nach einer am 30. Januar 2012 veröffentlichten Pressemitteilung hat das SG Dortmund in einem Beschluss vom 23. Januar 2012 nun die gegenteilige Position eingenommen. Die Beiträge seien nach dem tatsächlich geschuldeten Entgelt zu bemessen. Da die CGZP auch in der Vergangenheit nicht tariffähig gewesen sei, sei der Leiharbeitnehmern zustehende Anspruch auf gleiches Entgelt durch die CGZP-Tarifverträge nicht abbedungen worden.

Nicht näher auseinander gesetzt hat sich das SG Dortmund – soweit aus der Pressemitteilung ersichtlich – mit der Frage, ob und inwieweit Leiharbeitsunternehmen den Beitragsnachforderungen den Gedanken des Vertrauensschutzes entgegen halten können. Die Vorträge und Diskussion im Rahmen unseres Arbeitsrechtsfrühstücks haben gezeigt, dass hierin die für die Rechtmäßigkeit der Nacherhebungspraxis der Sozialversicherungsträger letztlich entscheidende Frage liegt. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist anerkannt, dass Vertrauensschutz der Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung prinzipiell entgegen stehen kann. In den Fällen der Nacherhebung wegen vermeintlicher Unwirksamkeit der CGZP-Tarifverträge spricht für die Gewährung von Vertrauensschutz, dass die Sozialversicherungsträger diese jahrelang im Rahmen von Betriebsprüfungen nicht beanstandet und entsprechende Prüfbescheide erlassen haben.

Dem Vernehmen nach geht die Deutsche Rentenversicherung Bund davon aus, dass rund 3.100 Unternehmen die CGZP-Tarifverträge angewendet haben. Die Beitragsnachforderungen in den derzeit abgeschlossenen 610 Prüfverfahren belaufen sich auf 14,4 Millionen EUR. Der Politik scheint dies nicht zu genügen. In einer Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und einzelner Abgeordneter vom 19. Januar 2012 (BT-Drucksache 17/8401) heißt es, gemessen an den Erwartungen erscheine die nachgeforderte Summe sehr niedrig.

Es steht daher zu erwarten, dass sich künftig weitere Unternehmen Nachforderungen der Sozialversicherungsträger ausgesetzt sehen werden. Auf Grund der subsidiären Bürgenhaftung für Entleiher können potenzielle Nachforderungen jedes Unternehmen treffen, das Leiharbeitnehmer eingesetzt hat, die anhand der CGZP-Tarifverträge entlohnt wurden. Auf Grund der derzeit noch unklaren Rechtsprechungslage bedeutet dies ein schwer einschätzbares Risiko.

Sollten zu diesen oder anderen Themenbereichen konkrete Fragestellungen oder sonstiger arbeitsrechtlicher Beratungsbedarf in Ihrem Unternehmen bestehen, unterstützen wir Sie gerne.

PUSCH WAHLIG Legal ist eine der führenden Arbeitsrechtskanzleien Deutschlands. Mit 15 Anwälten, davon sechs Partner, berät die Kanzlei Unternehmen aus dem In- und Ausland in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Ein Schwerpunkt liegt auf Mandaten mit internationalem Bezug, insbesondere in der Begleitung grenzüberschreitender Transaktionen und Umstrukturierungen. PUSCH WAHLIG Legal ist Gründungskanzlei des internationalen Netzwerks L&E Global, in dem sich anerkannte, auf das Arbeitsrecht spezialisierte Sozietäten zusammengeschlossen haben.

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