Rödl & Partner: Klage gegen GDL-Streik gescheitert - Gesetzeslücke blockiert Chancen der Arbeitgeberseite

10.11.2014

Die Klage der Deutschen Bahn AG gegen den 4-Tage-Streik der Lokführergewerkschaft GDL ist auch im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Frankfurt abgewiesen worden. Einen erneuten Vergleichsvorschlag lehnte die GDL wie schon am Vortag vor dem Arbeitsgericht ab.

Die Arbeitsrechtsexpertin Nadja Ross-Kirsch von Rödl & Partner in Eschborn sieht aber auch vor dem höchsten deutschen Arbeitsgericht wenig Chancen für die Arbeitgeber, sich rechtlich gegen den Streik zu wehren:

„Es ist nicht überraschend, dass die Deutsche Bahn AG vor Gericht gescheitert ist. Die Hürden, rechtlich gegen Streiks vorzugehen, sind einfach zu hoch. Die Vergleichsvorschläge des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts hatten gezeigt, dass die Frankfurter Richter eine pragmatische Lösung für die eskalierte Situation gesucht haben. Angesichts der Schäden in Millionenhöhe und massiver Störungen im Personen- und Gütertransport durch den Streik ein guter Vorschlag, den die Bahn auch mitgegangen wäre. Doch der Machtkampf der Tarifverhandlungen kann auch vor Gericht nur dann entschieden werden, wenn beide Seiten kompromissbereit sind.

Rechtlich gesehen waren die Chancen, den Streik zu unterbinden, sehr gering. Denn hier klafft eine gewaltige Gesetzeslücke. Konkrete gesetzliche Regelungen zur Rechtmäßigkeit von Streiks gibt es nicht. Dies hat fatale Folgen. Das durch die Tarifautonomie in Art. 9 Grundgesetz garantierte Streikrecht ist kaum auszuhebeln, solange der Streik nicht bereits die Friedenspflicht während der Geltungsdauer eines Tarifvertrages verletzt. Die Arbeitgeber beißen sich schon seit Jahren an dieser Rechtslücke die Zähne aus. Nur die Politik kann hier dauerhaft für mehr Rechtssicherheit sorgen.

Die Rechtsprechung hat eine Reihe von Kriterien entwickelt, die an die Rechtmäßigkeit von (Warn-)Streiks zu stellen sind, wie Verhältnismäßigkeit und Ultima-Ratio Prinzip. Diese Kriterien sind zwar in vielen Entscheidungen näher erläutert, jedoch bisher nicht abschließend geklärt und im Einzelfall umstritten. Selbst die Bahn ging hier vor der Verhandlung nicht davon aus, dass das Gericht ihrem Antrag mit der Begründung stattgeben wird, dass der Streik unzulässig sei. Da sich der Gesetzgeber jedoch bisher davor gescheut hat, hier verfassungskonforme Grenzen zu setzen, ist die Lage misslich. Die Richter entscheiden häufig, soweit nicht bereits formelle Fehler bezüglich der Streikentscheidung vorliegen, zugunsten der Gewerkschaften, um sich nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, verfassungsrechtlich verbürgte Rechte unzulässig zu beschränken.

Das Fehlen gesetzlicher Spielregeln wird besonders problematisch, wenn Spartengewerkschaften wie die GDL die Bahn als ehemaligen staatlichen Monopolbetrieb bestreiken, der zumindest im Fernverkehr auch nach wie vor Alleinanbieter am Markt ist und so die Auswirkungen des Streiks nicht nur zu erheblichen finanziellen Einbußen seitens des Arbeitgebers führen, sondern auch Bahnfahrer und den gesamten Verkehr in ihren Auswirkungen empfindlich treffen.

Selbstverständlich steht allen Gewerkschaften und damit auch einer Spartengewerkschaft im Rahmen der Tarifautonomie ein verfassungsrechtlich abgesichertes Streikrecht zu. Allerdings sollten die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit im Sinne von Verhältnismäßigkeit und Ultima-Ratio Prinzip konkret gesetzlich geregelt sein. Insbesondere sollten dabei stärkere Anreize zu einer friedlichen Einigung vor Streikeintritt gesetzt werden. Hier die Lösung allein den Tarifparteien zu überlassen erscheint angesichts der erheblichen Auswirkungen fraglich. Durch die Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit („ein Betrieb, ein Tarifvertrag“) im Jahr 2010 hat das Bundesarbeitsgericht die Tarifpluralität im Betrieb ermöglicht und zugleich auch die Weichen dafür gestellt, dass kleine Gewerkschaften den Betrieb auch gegen den Willen der Mehrheit der Belegschaft mit Streik lahmlegen können. Eine gesetzgeberische Lösung erscheint hier bereits seit Langem dringend angezeigt.

Anfang Dezember soll dem Kabinett ein vom Bundesarbeitsministerium ausgearbeiteter Gesetzesentwurf zur Tarifeinheit vorgelegt werden, der den Einfluss von Spartengewerkschaften zurückdrängen würde. Die Neuregelungen sollen vor allem dafür sorgen, dass die Interessen der Mehrheit der Belegschaft in einem Betrieb zur Geltung kommen. Diese grauen Wolken am Horizont erklären wohl auch das Beharren von GDL-Chef Weselsky darauf, auch für das übrige Zugpersonal verhandeln zu dürfen.

Gegen diesen Gesetzentwurf regt sich jetzt bereits jetzt seitens der Gewerkschaften erheblicher Widerstand. Es ist offen, ob dieses Gesetzesprojekt tatsächlich realisiert wird oder sich wie andere Projekte – erinnert sei an die Zusammenfassung der bislang verstreut zu findenden arbeitsrechtlichen Regelungen in einem Arbeitsgesetzbuch – am Ende im Sande verläuft. Bis dahin werden Arbeitgeber und die betroffene Öffentlichkeit mit den massiven Folgen der Gesetzeslücke in Bezug auf die Rechtmäßigkeit von Streiks leben müssen. Einzige Profiteure der fehlenden Regelung bleiben die Gewerkschaften.“

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