Rössner Rechtsanwälte: Das Geschäft mit „synthetischen Indizes“

22.09.2010

„Harvest“, „Growth“, “Value”, blumige Werbung für ein durchkalkuliertes Geschäft der Banken. Allein die Deutsche Bank hat für jede Anlagestrategie einen künstlichen Index geschaffen. Diese tragen Namen wie Dynamic Aktien Plus, Value & Growth Total Return, Currency Harvest und Balanced Momentum.

Diese synthetischen Indizes sind eine Art Computersimulation einer bestimmten Anlagestrategie. Die Simulation folgt festgelegten Strategieregeln. Dabei werden aber tatsächlich keine Aktien, Währungen oder Rohstoffe gehandelt, sondern lediglich fiktive Geschäfte durch den Index abgebildet. Der Harvest Fonds, mit dem Zinsdifferenzen von Fremdwährungen ausgenutzt werden sollen, besitzt zum Beispiel keine dieser Fremdwährungen.

Auf der Grundlage künstlicher Indizes entwickeln Kreditinstitute verschieden strukturierte Finanzprodukte. So hat etwa die Deutsche Bank auf Basis des Currency Harvest Index die Harvest Produktfamilie strukturiert: das Harvest Zertifikat, der Harvest Fonds und der Harvest Swap. Allen drei ist gemeinsam, dass ihre Wertentwicklung vom Harvest Index der Deutschen Bank abhängt.

Die Deutsche Bank kann so jeder Kundensituation gerecht werden: Wer eine Carry-Strategie in Form einer Anleihe verfolgen will, dem wird das Harvest Zertifikat empfohlen. Wer sein Kapital in einem Fonds anlegen will, wird der Harvest Fonds angeboten. Wer aktuell kein Kapital zur Verfügung hat, kann mit Hilfe des Harvest Swaps auch ohne Kapitaleinsatz spekulieren.

Das besondere dabei: es sind Produkte, bei denen die Deutsche Bank direkt oder indirekt Geschäftspartner des Kunden ist und daher ein gegensätzliches Interesse verfolgt. Während der Kunde hofft, dass der Index steigt, ist für die Bank ein sinkender Index von Vorteil. Dann muss sie bei Harvest Zertifikat und Harvest Swap geringere Zahlungen an den Kunden leisten. Da die Bank darüber hinaus Swapkontrahent des Harvest Fonds ist, profitiert sie auch beim Harvest Fonds von einem fallenden Index.

An dieser Stelle wird das Geschäftsmodell eines eigenen synthetischen Index offenbar: die Deutsche Bank (der sog. Index-Sponsor) hat sich in den mehrere hundert Seiten umfassenden Verkaufsprospekten ausbedungen, ihren eigenen Index beeinflussen zu dürfen. So kann sie etwa die Zusammensetzung des Index verändern, indem die fiktiven Aktien oder Währungen im Index durch andere ersetzt werden. Zum Harvest Index heisst es: „Der Index-Sponsor kann mit Wirkung ab (einschließlich) jedem Roll-Tag (a) jede Währung als Geeignete Währung aufnehmen (eine "Neue Geeignete Währung"), die die Kriterien für Geeignete Währungen zu diesem Roll-Tag erfüllt“.

Die Deutsche Bank kann den Harvest Index aber nicht nur über die Referenzwährungen beeinflussen. Sie hat sich im Verkaufsprospekt des Harvest Fonds sogar das Recht eingeräumt, die Indexberechnung selbst zu ändern, wenn dies für die Bank „wünschenswert“ ist: „Es kann jedoch keine Zusicherung dahingehend gegeben werden, dass nicht steuerliche, marktbezogene, aufsichtsrechtliche, rechtliche oder finanzielle Umstände eintreten, die nach Ansicht des Index-Sponsors eine Modifikation oder Veränderung dieser Methode in Bezug auf den Index oder den Funded Index erforderlich oder wünschenswert machen, und der Index-Sponsor ist berechtigt, eine solche Modifikation oder Veränderung vorzunehmen.“

Der Interessenkonflikt der Bank ist offensichtlich. Indexsponsor, Vertragspartner und Anlageberater sind ein und dieselbe Bank. Das bedeutet, dass die Bank dem Anleger unter Ausnutzung ihrer Vertrauensstellung als Anlageberater ein Eigengeschäft empfiehlt, dessen Basiswert sie beeinflussen kann. Hinzu kommt, dass die Bank das Produkt selbst entworfen und damit regelmäßig bereits eine eigene Gewinnmarge einstrukturiert hat. Der Kunde kann also doppelt verlieren. Weiteres Verlustpotential für den Anleger stellt die Preisgestaltung der Bank bei Verkaufs- und Rücknahmekursen dar.

Derartige Interessenkonflikte müssen nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen vermieden, mindestens aber offengelegt werden. Gemäß § 31 Abs. 1 WpHG ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, „sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen und vor Durchführung von Geschäften für Kunden, diesen die allgemeine Art und Herkunft der Interessenkonflikte eindeutig darzulegen“. Ein kleiner Hinweis in einem Prospekt von mehreren hundert Seiten ist nicht ausreichend.

Darüber hinaus darf eine Bank nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einem Kunden kein Finanzprodukt empfehlen, das nicht seinen Erfahrungen und Kenntnissen entspricht. Bei Produkten wie denen der Harvest Familie handelt es sich um hoch komplexe Finanzderivate, die überhaupt nur einem sehr erfahrenen Anleger angeboten werden dürfen, der die fiktive Anlagestrategie verstehen kann.

Abgesehen davon stellt die Einflussnahmemöglichkeit der Bank auf den synthetischen Index einen sogenannten „Änderungsvorbehalt“ der Bank dar. Der Verkaufsprospekt unterliegt den Anforderungen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 308 BGB). Danach ist ein Änderungsvorbehalt unwirksam, wenn das Recht zur Änderung der Leistung durch den Verwender der Klausel für die andere Seite unzumutbar ist. Von Unzumutbarkeit für den Kunden ist aber auszugehen, wenn die Bank sowohl Zusammensetzung als auch Berechnung des Index verändern kann, wenn es „wünschenswert“ erscheint.

Rechtsanwalt Lederer von Rössner Rechtsanwälte (München) dazu: „Wir sind der Ansicht, dass strukturierte Finanzderivate auf künstliche Indizes nur einem kleinen Kundenkreis von Experten angeboten werden dürfen. Für einen professionellen Anleger mag ein Finanzinstrument zur Spekulation auf fiktive Anlagestrategien der unterschiedlichsten Art sinnvoll sein. Für Privatanleger, wie es unsere Mandanten sind, war eine derartige Empfehlung allerdings nicht anlegergerecht, was zu einem Schadensersatzanspruch führt“. Auch dem sehr erfahrenden Anleger gegenüber muss die Bank deutlich machen, dass sie sich in einem Interessenkonflikt befindet und auf den synthetischen Index Einfluss nehmen kann. Erst dann kann der Kunde frei entscheiden, ob er dem Rat der Bank trotzdem vertrauen möchte.

Kontakt: RA Lederer, Rössner Rechtsanwälte (München), Tel.: 089 9989220

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