Rössner Rechtsanwälte: Stellungnahme zur Presseinformation des OLG Frankfurt vom 04.08.2010

09.08.2010

Das OLG Frankfurt hat zum Urteil der Stadtwerke Pforzheim gegen die Deutsche Bank vor Veröf-fentlichung der vollständigen Urteilsgründe eine Presseinformation herausgegeben, in der die wesentlichen Gründe aus dem Urteil zusammengefasst sind. Der Inhalt ist aus mehreren Grün-den bemerkenswert:

1. Ausdrückliche Zusicherung kommunalrechtlicher Zulässigkeit

Gegenstand des Verfahrens und auch der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2010 war u. a. die ausdrückliche Aussage der Deutschen Bank zur Zulässigkeit des Einsatzes der sog. Spread-Ladder-Swaps im kommunalen Bereich. Es war umfangreich dargestellt und mit Dokumenten belegt worden, dass bereits im Vorfeld des Abschlusses die ausdrückliche Zusicherung der Mit-arbeiter der Deutschen Bank gegenüber den Stadtwerken über die Zulässigkeit der Geschäfte im kommunalen Bereich, sogar unter Hinweis auf den sog. Derivateerlass, erfolgte. In der mündli-chen Verhandlung vom 19.05.2010 ging die Vorsitzende Richterin noch davon aus, dass die vor-gelegten emails diese vor Geschäftsabschluss erfolgte Zusicherung belegen. In diesem Zusam-menhang äußerte sie ausdrücklich, eine Bank sei zwar nicht zur Rechtsberatung verpflichtet. Wenn eine Bank im Rahmen des Beratungsverhältnisses allerdings eine derartige Aussage ge-genüber einem Kunden mache, dürfe der Kunde auf deren Richtigkeit vertrauen.

Dieser Aspekt wird überraschenderweise jetzt nicht mehr aufgegriffen. Die Zulässigkeit wird als originärer Aufgabenbereich der Überwachungsgremien angesehen und der staatlichen Rechts-aufsicht zugewiesen. Da der ausdrückliche Hinweis des OLG erfolgt, die klagenden Stadtwerke seien als GmbH & Co. KG privatrechtlich organisiert, ist diese Zuweisung unschlüssig, weil die staatliche Rechtsaufsicht bei einer privatrechtlichen Organisation gar nicht zuständig ist.

2. Risikodarstellung

Auch die Verweigerungshaltung des OLG Frankfurt, sich mit den das Produkt prägenden fi-nanzmathematischen Grundlagen zu beschäftigen, stößt auf Unverständnis. Da es sich um ein außergewöhnlich komplexes Produkt handelt, hatte beispielsweise das OLG Stuttgart einen Mit-arbeiter aus der Strukturierungsabteilung der Deutschen Bank angehört und sich ein fundiertes Bild über die Grundlagen und die Wirkungsweise derartiger strukturierter Finanzderivate ge-macht. Es begründete diese Anhörung mit der im Grunde selbstverständlichen Aussage, nur wenn das Gericht die Funktionsweise und die Hintergründe eines Produkts entsprechend ver-stehe, könne es die im Rahmen eines Beratungsverhältnisses bestehenden Aufklärungspflichten festlegen.

Insofern erfolgte die Feststellung des OLG Stuttgart: „Die auf der Grundlage von Risikomodellen beruhende Konstruktion, seine Chancenverteilung und seine Marktbewertung sind für den Swap-Vertrag daher charakteristisch und prägend.“ Sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen Verhandlung wurde ausführlich darauf hingewiesen, dass für die fundierte Beurteilung von Chancen und Risiken die Ergebnisse der von der Bank verwendeten Risikomodelle erforderlich sind. Wenn das Wertpapierhandelsgesetzt (WpHG) der Bank gesetzlich die Pflicht auferlegt, dem Kunden alle zweckdienlichen Informationen zu erteilen, dürfen die Informationen über die das Produkt prägenden Charakteristika nicht verschwiegen und durch eine Darstellung von theore-tisch unbegrenzten Verlustrisiken (so die Formulierung in den Präsentationsunterlagen) ersetzt werden. Auch die Aussage in den Präsentationen, ein worst case sei nicht bezifferbar, stellt keine fundierte Risikodarstellung dar. Insbesondere, weil die Bank für sich selbst Modellrechnungen (z. B. Value at risk-Berechnung) einsetzt. Mit diesen Modellen kann mit bis zu 99 %-iger Wahr-scheinlichkeit ermittelt werden, dass ein bestimmter Verlustbetrag nicht überschritten wird. Eine 99 %-ige Wahrscheinlichkeit genügt zur Darstellung eines worst case.

3. Spekulativer Charakter

Die Feststellung in der Pressemitteilung, die Stadtwerke seien hinreichend auf den spekulativen Charakter des Geschäfts aufgeklärt worden, findet im Sachvortrag beider Parteien keine Stütze. Im Gegenteil, sowohl die Deutsche Bank, als auch die Stadtwerke kannten das Kommunale Spe-kulationsverbot. Wenn ein Hinweis auf den spekulativen Charakter des Geschäfts erfolgt wäre, wäre das Geschäft nicht abgeschlossen worden! Unerklärlich ist in diesem Zusammenhang sogar die Feststellung des OLG, anhand zweier durchgeführter Präsentationen sei klar gewesen, dass es keine zuverlässige Prognose habe geben können. Streitpunkt waren keine Prognosen. Streit-punkt war die fehlende Offenlegung eines bereits zum Abschlusszeitpunkt bestehenden negati-ven Marktwerts von € 1 Mio. zu Lasten der Stadtwerke.

4. Zinsoptimierung

Entgegen der Darstellungen der Pressemitteilung gab es kein erklärtes Ziel der Stadtwerke. Es war zwischen den Parteien unstrittig, dass die Deutsche Bank dieses Produkt zur Zinsoptimie-rung aus eigener Initiative angeboten hatte. Die Stadtwerke sind der von der Deutschen Bank vorgegebenen Zielrichtung gefolgt. Insofern ist die Feststellung in der Presseinformation des OLG Frankfurt, wie die Stadtwerke das Ziel der Zinsoptimierung verstanden haben, eine kom-plette Verkehrung des eigenen Sachvortrags der Stadtwerke. Mehrfach, ausführlich und unter Beweisangebot ist während des gesamten Verfahrens dargestellt worden, dass die Stadtwerke den Begriff der Zinsoptimierung gerade nicht in dem von der Bank nachträglich dargestellten Sinn verstanden haben. Seit 1896 stellt das Bürgerliche Gesetzbuch im sog. Schuldrecht auf den sog. Empfängerhorizont ab, also auf das konkret ermittelte Verständnis des Vertragspartners. Das OLG Frankfurt unterstellt sogar ohne jegliche Ermittlung das exakte Gegenteil des Ver-ständnisses der Stadtwerke.

Damit nicht genug, die Deutsche Bank selbst geht davon aus, dass spekulative Finanzderivate mit unbegrenzten Risiken nicht unter dem Begriff einer Zinsoptimierung fallen.

Im Ergebnis wird mit diesem Urteil der Deutschen Bank ein „Persilschein“ dafür erteilt, die „deutliche Informationsasymmetrie“ zwischen Bank und Kunden (so die Aussage z. B. des OLG Stuttgart) zu Lasten des Kunden auszunutzen. Es wird der Deutschen Bank erlaubt, exakte und objektive Bewertungs- und Risikomodelle als „Herrschaftswissen“ für sich zu behalten und den Kunden mit einem untauglichen Hinweis auf einen nicht bezifferbaren Verlust abzuspeisen. Dies vor dem Hintergrund, dass die Bank zur Beratung im Interesse des Kunden gesetzlich verpflich-tet ist (§ 31 WpHG).

Ob das Urteil weitere angreifbare Feststellungen enthält, bleibt der Analyse der noch nicht vor-liegenden Entscheidungsgründe vorbehalten.

Dr. Jochen Weck, Rechtsanwalt, Rössner Rechtsanwälte München

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