Schultze & Braun: Wie politisch darf internationales Insolvenzrecht sein?
Schultze & Braun
Die Insolvenzen der isländischen Geldinstitute Kaupthing Bank und Landesbanki
zeigen, wie sehr doch die Grenzen zwischen Politik und – eigentlich neutralem – Insolvenz-
und Wirtschaftsrecht fließend sind.
In beiden Fällen haben sich deutsche, britische und andere Anleger weltweit von den
attraktiven Zinsangeboten angezogen gefühlt und bei den Banken Spareinlagen beziehungsweise
Konten unterhalten. Beide Banken waren im Zuge der Finanzmarktkrise
in eine erhebliche Schieflage geraten und schließlich im Oktober 2008 zusammengebrochen.
Zum Schutz der cirka 300.000 britischen Anleger und Kunden der Landesbanki hat
sich die Regierung in London bemerkenswerterweise die Anti-Terrorismusgesetze,
die nach dem 11. September 2001 in Kraft gesetzt wurden, zu Nutze gemacht, um
die in Großbritannien belegenen Vermögenswerte von insgesamt 4 Milliarden GBP
zu beschlagnahmen. Die Maßnahme war durch den Wortlaut des entsprechenden
Gesetzes gedeckt, da man davon ausgehen durfte, dass die Pleite der Bank (auch)
geeignet war, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Vereinigten Königreiches
zu beeinträchtigen oder den Markt zu gefährden beziehungsweise Handlungen
voraussehbar waren, die das Vermögen britischer Staatsbürger gefährden konnten.
Geir Haarde, Ende Januar 2009 zurückgetretener Isländischer Premierminister, bezeichnete
die Anwendung des Terroristenbekämpfungsgesetzes als einen „unfriendly
act“ und entrüstete sich, dass man Nato-Partner so nicht behandeln dürfe. Damit
mag er nicht falsch liegen.
Der Status des Nato-Partners Deutschland spielte aber offenbar keine Rolle, als
Staatspräsident Olafur Ragnar Grimsson jetzt den 30.000 deutschen Anlegern eine
Absage erteilte, die ihnen durch die Pleite der Kaupthing Bank entstandenen Verluste,
zumindest in Teilen zu ersetzen. Diese an sich schon bemerkenswerte Aussage
des isländischen Staatsoberhauptes gewinnt eine zusätzliche Brisanz, da sie außerdem
eine Kehrtwende zu der kürzlichen Aussagen des Zwangsverwalters der Bank
ist, willens und in der Lage zu sein, mit den Auszahlungen zu beginnen.
„Eine derart signifikante Einmischung der Politik überrascht“, so Annerose Tashiro,
Rechtsanwältin, Partnerin bei Schultze & Braun und Leiterin der Internationalen Abteilung.
So ist es eine weltweit vertretene Überzeugung, dass die Funktionstüchtigkeit
und Berechenbarkeit des Insolvenzrechts zu den wesentlichen Voraussetzungen eines
globalen Marktes gehören. Die in den letzten Jahren verstärkt in Kraft gesetzten
internationalen und nationalen Abkommen und gesetzlichen Bestimmungen gehen
allesamt davon aus, dass Gläubiger in Insolvenzverfahren mit universellem Geltungsanspruch
gleich und unabhängig von ihrer Nationalität oder Herkunft behandelt
werden. Dieser Gedanke liegt der Europäischen Insolvenzverordnung zugrunde und
ist ebenso in Art. 13 des UNCITRAL Model Law, des Musterregulariums der United
Nations Commission on International Trade Law für grenzüberschreitende Insolvenzen,
manifestiert. Auch das deutsche – internationale – Insolvenzrecht diskriminiert
Gläubiger – selbstredend – nicht.
Wenn Politik so auf die weltweite Finanzmarktkrise reagiert, kann man nur hoffen,
dass zumindest die mit der Sache befassten Anwälte beziehungsweise Verwalter
einen kühlen Kopf bewahren.
Kontakt:
Pressesprecherin RAin Ronja Sebode, Mail: RSebode@schubra.de, Telefon: 07841/708-0
Pressemitteilung unter: www.schubra.de/de/presse/presseservice/index.php
Die Schultze & Braun GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft – Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
berät Unternehmen in der Krise in Sanierungs- und Restrukturierungsfragen
und zeigt gesunden Unternehmen vorbeugende, insolvenzvermeidende Maßnahmen
auf, außerdem wird die allgemeine Rechts- und Steuerberatung von Privatpersonen
und Unternehmen übernommen.