Studie zur Vorstandsvergütung: Aktienkurs, ESG und Compliance geben den Takt vor

28.05.2024

Die globale Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer hat die Vorstandsvergütungssysteme der Unternehmen im DAX, MDAX und SDAX analysiert. Die Studie belegt, dass börsennotierte Unternehmen die Vergütung ihrer Vorständinnen und Vorstände stärker an Pay for Performance, ESG-Kriterien und der Aktienkursentwicklung ausrichten. Die vollständige Studie ist hier zu finden. Zu den wichtigsten Ergebnissen gehören:

 

Die langfristige variable Vorstandsvergütung ist in den Vergütungssystemen der Indizes der DAX-Familie überwiegend als aktienbasierte Vergütung ausgestaltet.

Am weitesten verbreitet ist in allen drei Indizes das virtuelle aktienbasierte Programm, das mit Erfolgszielen verknüpft wird. Es ist häufig eine Kombination aus aktienkursbasierten, finanziellen und ESG-Zielen. Nur sehr selten ist der Aktienkurs ganz allein ausschlaggebend oder gänzlich irrelevant für die Vorstandsvergütung.

 

In den letzten Jahren haben sich ESG-Kriterien in der Vorstandsvergütung fest etabliert. Sämtliche DAX- und MDAX-Unternehmen haben, mit nur einer Ausnahme, ESG-Kriterien in ihre Vorstandsvergütung integriert. Auch im SDAX wenden immerhin rund drei Viertel der Unternehmen inzwischen ESG-Kriterien an. Bezogen auf die Gesamtvergütung haben ESG-Kriterien eine geringere Auswirkung.

 

Es zeigt sich, dass bei den untersuchten Unternehmen in allen Indizes der DAX-Familie die variable, erfolgsabhängige Vergütung gegenüber der Festvergütung deutlich überwiegt. Lediglich bei ca. fünf Prozent der DAX-Unternehmen, ca. sieben Prozent der MDAX-Unternehmen und ca. 24 Prozent der SDAX-Unternehmen macht die fixe Vergütung den überwiegenden Teil der Zielvergütung aus.

 

Die meisten Vergütungssysteme sehen vor, dass bei pflichtwidrigem Verhalten variable Vergütungsbestandteile einbehalten (Malus) oder zurückgefordert (Clawback) werden können. Zwischen DAX, MDAX und SDAX zeigen sich klare Unterschiede, wie und ob sie sich abgesichert haben.

 

Eine deutliche Veränderung zeigt sich bei den Sonderboni für außergewöhnliche Leistungen. „Sonderboni sind in der Vergangenheit aufgrund der mangelnden Transparenz und Nachvollziehbarkeit häufig kritisiert worden und bedürfen immer einer kritischen Prüfung im Einzelfall“, erklärt Dr. Philipp Pütz, Partner im Gesellschaftsrecht und einer der Autoren der Studie. „Vor allem, wenn Sonderboni nachträglich durch den Aufsichtsrat gewährt werden, kann dies auch strafrechtlich relevant sein, wie der BGH im Fall Mannesmann entschieden hat.“ Viele Unternehmen haben hierauf reagiert und so sind Sonderboni, die der Aufsichtsrat in seinem Ermessen gewähren kann, inzwischen die absolute Ausnahme und nur noch im SDAX häufiger anzutreffen.

 

„Schließlich gibt es durchaus Situationen, in denen Sonderboni im Unternehmensinteresse liegen können, beispielsweise wenn eine schwierige Phase des Unternehmens mit außergewöhnlichen Belastungen erfolgreich bewältigt wird“, fügt Gesellschaftsrechts-Partner und Mitautor Dr. Stephan Waldhausen hinzu.

 

Die Vergütungssysteme aller börsennotierten Gesellschaften sehen eine Maximalvergütung vor, die seit wenigen Jahren gesetzlich erforderlich ist. Die klare Mehrheit legt dabei, statt eines Gesamtbetrags für alle Vorstandsmitglieder, individuelle Maximalbeträge für die einzelnen Mitglieder fest. „Die Höhe der Maximalvergütung wird je nach Verantwortung unterschiedlich bemessen und ist maßgeblich vom Chancen-Risiko-Profil der Vergütung abhängig. Viel Geld steht also immer dann in Aussicht, wenn die Vergütung stark am Aktienkurs ausgerichtet ist. Dann nimmt man aber in Kauf, dass die Vergütung bei einer Kursverschlechterung auch komplett ausfallen kann“, erklärt Gesellschaftsrechts-Partnerin und Mitautorin Dr. Sabrina Kulenkamp. „Dabei erhalten Vorstandsmitglieder nur selten selbst echte Aktien. Meistens werden ihnen virtuelle, also eine Anzahl hypothetischer Aktien zugewiesen und die Vergütungshöhe wird davon abgeleitet“, so Stephan Kieselstein, Mitautor und Associate im Gesellschaftsrecht.

 

Die Auswahl der ESG-Kriterien erfolgt in aller Regel branchenspezifisch, wobei ein deutlicher Fokus auf umweltbezogene Bereiche (Environmental) zu erkennen ist. Social und Governance sind nachgeordnet, werden aber immer wichtiger in Zukunft. „Die meisten Vergütungssysteme enthalten Rahmenvorgaben für die Auswahl und Gewichtung der ESG-Kriterien, die im Einzelfall vom Aufsichtsrat festzulegen sind“, erklärt Waldhausen. „Auch wenn es sich in der Sache um Nachhaltigkeitsziele handelt, sind ESG-Kriterien häufig Bestandteil der kurzfristigen Vergütungsanreize. Dies ist auch sinnvoll, weil so die stete und kontinuierliche Verbesserung – Schritt für Schritt – incentiviert werden kann.“ Der langfristige ESG-Erfolg sei von den Vergütungssystemen mittelbar auch abgedeckt, da er sich im Aktienkurs beziehungsweise dem langfristigen Erfolg widerspiegeln sollte.

 

Auffällig ist, wie umfassend die DAX-Unternehmen vorgesorgt haben für den Fall, dass das Vorstandsmitglied sich pflichtwidrig verhält. 2019 war in den Deutschen Corporate Governance Kodex eine entsprechende Empfehlung aufgenommen worden, die ursprünglich aus der Bankenvergütung stammte. Ca. 95 Prozent der DAX-Unternehmen behalten sich heute sowohl vor, die Vergütung über eine Malus-Regelung einzubehalten als auch über eine Clawback-Regelung zurückzufordern. Die übrigen fünf Prozent der DAX-Unternehmen haben sich immerhin in den Verträgen mit den Vorstandsmitgliedern mit einem Rückforderungsvorbehalt abgesichert. Im MDAX haben sechs Prozent explizit keine Malus- oder Clawback-Regelungen in ihren Vergütungssystemen aufgenommen. Im SDAX liegt diese Zahl bei 15 Prozent.

 

„Malus- und Clawback-Regelungen haben sich nahezu flächendeckend durchgesetzt“, stellt Arbeitsrechts-Partner und Mitautor Dr. Thomas Müller-Bonanni fest. Was die rechtliche Durchsetzbarkeit der Regelungen angeht, ist die Lage allerdings aufgrund fehlender Urteile weiterhin ungeklärt. „Gerichtliche Auseinandersetzungen über die Reduzierung oder Rückforderung von Bonuszahlungen sind in Deutschland aber, anders als in den USA und England, bislang selten. In der Regel einigen sich die Parteien nämlich vorher“, so Müller-Bonanni.

 

Erstellt wurde die Studie von einem Freshfields-Team bestehend aus Dr. Philipp Pütz, Stephan Kieselstein, Jonas Braun, Dr. Sabrina Kulenkamp, Dr. Stephan Waldhausen (alle Gesellschaftsrecht) und Dr. Thomas Müller-Bonanni sowie Judith Römer (beide Arbeitsrecht).

 

Der Studie zugrunde liegt die Auswertung der letztgültigen Vorstandsvergütungssysteme, die in Deutschland ansässige DAX-, MDAX- und SDAX-Unternehmen der Hauptversammlung vorgelegt haben (Stand: 6. Februar 2024). Dabei wurden die Unternehmen außer Acht gelassen, die ihren Sitz im Ausland haben und insofern nicht deutschem Recht unterliegen. Weiterhin sind solche Unternehmen nicht berücksichtigt, die aufgrund ihrer Gesellschaftsstruktur kein Vergütungssystem veröffentlicht haben. Die jeweilige Anzahl der untersuchten Unternehmen stellt sich je nach Index insofern wie folgt dar: DAX 38 von 40, MDAX 46 von 50 und SDAX 66 von 70.

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