AG Karlsruhe: Kein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters an gepfändeten Unternehmensbeteiligungen

21.01.2009

InsO §§ 166, 170, 171

Kein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters an
gepfändeten Unternehmensbeteiligungen


AG Karlsruhe, Urt. v. 7. 2. 2008 - 12 C 490/07 (rechtskräftig)

Leitsatz der Redaktion:


Gepfändete Unternehmensbeteiligungen unterfallen
ebenso wie gepfändete Forderungen nicht dem Verwertungsrecht
des Insolvenzverwalters nach § 166 Abs. 2 InsO.


Tatbestand:


Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter Feststellungskosten nach
§ 171 Abs. 1 Satz 2 InsO.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners,
über dessen Vermögen am 18. Dezember 2003 das Insolvenzverfahren
eröffnet wurde. Der Insolvenzschuldner war Inhaber
eines Kommanditanteils an der I. KG. Die Kommanditbeteiligung
betrug zum 18. Dezember 2003 77.739,95 .. Mit der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzschuldner gemäß dem Gesellschaftsvertrag
der KG als Kommanditist ausgeschieden und hat einen
Anspruch auf sein Abfindungsguthaben, welches sich ebenfalls
auf 77.739,95 . beläuft. Der Insolvenzschuldner hatte mit Verpfändungsvertrag
vom 13. November 1998 seine Kommanditbeteiligung
an die Beklagte zu 2) verpfändet. Unter Ziffer 1.2 des Verpfändungsvertrags
heißt es, der Insolvenzschuldner verpfände seine gesamten
gegenwärtigen und künftigen Rechte und Ansprüche aus der Kommanditbeteiligung
einschließlich der Ansprüche auf Auszahlung von
Bonusguthaben, die nach Verrechnung mit eventuellen Gegenanspr
üchen der KG verblieben, an die Beklagte; verpfändet werde
also der jeweils nach der gegenseitigen Verrechnung der Ansprüche
von Insolvenzschuldner und KG zu Gunsten des Insolvenzschuldners
verbleibende Saldo.

Der Kläger ist der Auffassung, die verpfändete Beteiligung an der KG
unterfalle dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters nach § 166
InsO, so dass ihm nach §§ 170, 171 InsO Feststellungskosten i. H. v.
4% des Abfindungsguthabens zustünden. Er behauptet weiter, die
Beklagte zu 2) habe mittlerweile in die Beklagte zu 1) umfirmiert;
vorsorglich nehme er auch die Beklagte zu 2) in Anspruch.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dabei kann die Passivlegitimation
auf Beklagtenseite dahinstehen. In jedem Fall fehlt
es an einem Anspruch des Klägers auf die geltend gemachten
Feststellungskosten, § 171 Abs.1 InsO. Denn die verpfändete
Kommanditbeteiligung unterfiel nicht der Verwertungsbefugnis
des Klägers als Insolvenzverwalter, §§ 166, 170 Abs. 2
InsO.

Nach § 166 Abs. 2 InsO beschränkt sich die Verwertungsbefugnis
des Insolvenzverwalters auf Forderungen, die der Insolvenzschuldner
zu Sicherungszwecken abgetreten hat. Verpf
ändete Forderungen fallen hingegen nicht unter das Verwertungsrecht
des Insolvenzverwalters; dies ergibt sich aus der insoweit
eindeutigen Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 12/2443,
S.178 ff.; BT-Drucks. 12/7302, S176) und entspricht einhelliger
Rechtsprechung (BGH ZIP 2002, 1630 = ZVI 2002, 282
= NJW 2002, 3475, dazu EWiR 2002, 921 (Gundlach/Frenzel);
BGH ZIP 2003, 1256, dazu EWiR 2003, 799 (Tetzlaff); LG Tü-
bingen NZI 2001, 263; vgl. auch MünchKomm-Lwowski/Tetzlaff,
InsO, 2. Aufl" § 166 Rz.. 45; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl.,
§ 166 Rz.13). Vorliegend handelt es sich aber der Sache nach
um eine Forderungsverpfändung, so dass kein Verwertungsrecht
des Insolvenzverwalters nach § 166 Abs. 2 InsO besteht:

Zwar handelt es sich bei der Verpfändung von Unternehmensbeteiligungen
grundsätzlich nicht um eine Forderungsverpfändung,
gepfändet wird vielmehr grundsätzlich ein Vermögensanteil,
also ein Wertrecht (BGH ZIP 1986, 776 =WM 1986,
719, dazu EWiR 1986, 885 (Rümker)). Nach dem streitgegenst
ändlichen Verpfändungsvertrag vom 13. November 1998
wurde aber nicht die Kommanditbeteiligung als solche generell
verpfändet, sondern die Rechte und Ansprüche aus dieser
Beteiligung, die nach Verrechnung mit eventuellen Gegenansprüchen der KG verblieben; im Folgesatz wird ausdrücklich
klargestellt ("also"), dass der jeweils zu Gunsten des Insolvenzschuldners
verbleibende Saldo verpfändet werde, also die
verbleibende Forderung des Insolvenzschuldners.

Nur der Vollständigkeit halber sei indes darauf hingewiesen,
dass auch für die Verpfändung von Unternehmensbeteiligungen
nichts anderes gelten könnte: Auch diese unterfallen nicht
dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters nach § 166
Abs. 2 InsO. Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass
die analoge Anwendbarkeit des § 166 Abs. 2 InsO auf gepfändete
sonstige Rechte wie etwa Unternehmensbeteiligungen -
anders als für die Forderungsverpfändung - in der Rechtsprechung
bislang nicht abschließend geklärt ist (für ein Verwertungsrecht
des Insolvenzverwalters analog § 166 Abs. 2 InsO
in bestimmten Fällen etwa Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch,
3. Aufl., § 42 Rz.152). Auch dort ist ein Verwertungsrecht
des Insolvenzverwalters aber abzulehnen. Nach dem eindeutigen
Wortlaut des § 166 InsO ist dieses Verwertungsrecht
auf bewegliche Sachen im Besitz des Insolvenzverwalters
(Abs.1) und zur Sicherheit abgetretene Forderungen (Abs. 2)
beschränkt; für alle sonstigen Forderungen und Rechte bleibt
es beim Verwertungsrecht des Gläubigers (ebenso Münch-
Komm-Lwowski/Tetzlaff, a. a.O., § 166 Rz. 66; Gundlach/Frenzel/
Schmidt, NZI 2001, 119, 123; Obermüller, ZIP 2003, 2336;
Wallner, ZInsO 1999, 453; Primozic/Voll, NZI 2004, 363,
365 ff.; zweifelnd auch Uhlenbruck, a. a.O., § 166 Rz. 14; Landfermann,
in: HK-InsO, 4. Aufl., § 166 Rz. 25). Für eine Analogie
fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke: Aus
den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich eindeutig, dass dem
Gesetzgeber die Problematik der Unterscheidung zwischen beweglichen
Sachen, Forderungen und sonstigen Rechten sehr
wohl bewusst war. So sah § 199 Abs.1 des RegE ausdrücklich
die Nutzung eines Rechts, an dem ein Absonderungsrecht besteht
und das für die Geschäftsführung des Insolvenzverwalters
benötigt wird, auf Anordnung des Gerichts vor (BTDrucks.
12/2443, S. 41 und 183). In Kenntnis dieser Vorüberlegungen
ist das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters in
§ 166 InsO dann aber ausdrücklich auf bewegliche Sachen
und zur Sicherheit abgetretene Forderungen beschränkt worden;
in allen übrigen Fällen bleibt es bei dem sich aus dem
materiellen Recht ergebenden eigenen Verwertungsrecht des
absonderungsberechtigten Gläubigers. Das gilt zumal bei der
Verpfändung von Beteiligungen an Personengesellschaft wie
der Kommanditbeteiligung im vorliegenden Fall, denn in der
Praxis wird der gesicherte Gläubiger in der Regel auf die Auseinandersetzungsforderung
zugreifen, an der sich sein Pfandrecht
im Wege der Surrogation fortsetzt (vgl. Primozic/Voll,
NZI 2004, 363, 365 ff.). Dies spricht dafür, die Verpfändung
einer Personengesellschaftsbeteiligung von vornherein nicht
anders zu behandeln als die Forderungsverpfändung, bei der -
wie oben ausgeführt - unzweifelhaft kein Verwertungsrecht
des Insolvenzverwalters nach § 166 InsO besteht. Dies gilt
auch und gerade im vorliegenden Fall: Nach dem eigenen
Vortrag des Klägers ist die Kommanditbeteiligung des Insolvenzschuldners
mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits
kraft Gesellschaftsvertrags in eine Forderung (nämlich auf
das Auseinandersetzungsguthaben) übergegangen.

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