BAG: Zur Identität der wirtschaftlichen Einheit beim Betriebsübergang

27.10.2009

BGB § 613a Abs. 1; RL 2001/23/EG Art. 1 Nr. 1

Zur Identität der wirtschaftlichen Einheit beim Betriebsübergang

BAG, Urt. v. 22. 1. 2009 – 8 AZR 158/07 (LAG Berlin)

Leitsätze der Redaktion:

1. Für die Annahme eines Betriebsübergangs ist die Beibehaltung der organisatorischen Selbstständigkeit nicht erforderlich, wohl aber die Beibehaltung des Funktions- und Zweckzusammenhangs zwischen den verschiedenen übertragenen Faktoren, der es dem Erwerber erlaubt, diese Faktoren, auch wenn sie in einer anderen Organisationsstruktur eingegliedert werden, zur Verfolgung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit zu nutzen (im Anschluss an EuGH ZIP 2009, 433 – Klarenberg).

2. Der Übergang einer wirtschaftlichen Einheit setzt neben einer etwaigen Auftragsnachfolge die Feststellung zusätzlicher Umstände voraus, die in der Gesamtwürdigung die Annahme des Fortbestands der wirtschaftlichen Einheit rechtfertigen.

Tatbestand:

[1]  Die Parteien streiten um den Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte zu 2) und im Zusammenhang damit über die Wirksamkeit einer von der Beklagten zu 1) ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.

[2]  Der Kläger war seit dem 4. Oktober 2000 als Haustechniker gegen ein Bruttomonatsentgelt von 2.071 € bei der Beklagten zu 1) beschäftigt. Diese erbrachte auf dem Campus K., einem Teilbereich des Universitätsklinikums Charité, technische Dienstleistungen, die die „Erbringung von technischer Betriebsleitung und Management, technischen Anlagen und Systembetrieb und Instandhaltung sowie gebäudetechnischen Servicedienst für die betriebs- und versorgungstechnischen Anlagen/Systeme für die Gebäude der Ring- und Nordbebauung“ umfassten. Die Beklagte zu 1) nutzte dafür Büro- und Aufenthaltsräume sowie Räume für Lager und Werkstatt des Klinikums. Dieses stellte auch eine Software für Reparaturaufträge sowie Wasser und Elektrizität zur Verfügung. Die betreuten technischen Anlagen, wie Klima-, Heizungs- und Elektroanlagen, waren Eigentum des Klinikums. Sonstige Facility-Leistungen erbrachte das Klinikum zum Teil selbst, teilweise wurden sie von Drittfirmen erbracht.

[3]  2005 wurde beschlossen, für alle Einzelstandorte des Klinikums Charité und alle Aufgaben des Facility-Managements nur noch einen Auftrag zu vergeben. Dafür wurde die Beklagte zu 2) gegründet, an der sich das Klinikum Charité zu 51 % und eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus mehreren anderen Gesellschaften, zu 49 % beteiligte. Der Beklagten zu 1) wurde im Sommer 2005 angekündigt, künftig den Dienstleistungsauftrag nicht mehr zu erhalten. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) beschloss am 19. Dezember 2005, in diesem Fall den Betrieb stillzulegen. Nachdem das Klinikum mit Schreiben vom 29. Dezember 2005 den Dienstleistungsauftrag zum 31. März 2006 gekündigt hatte, kündigte die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 30. Dezember 2005 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. März 2006. Im Kündigungszeitpunkt beschäftigte die Beklagte zu 1) 19 Arbeitnehmer. Die Beklagte zu 2) nahm mit etwa 1.900 Beschäftigten ab dem 1. Januar 2006 ihre Tätigkeit auf, die Aufgaben aus dem Dienstleistungsauftrag der Beklagten zu 1) übernahm sie ab dem 1. April 2006. Allein in der Betriebstechnik beschäftigt die Beklagte zu 2) ca. 340 Arbeitnehmer. Sie forderte neun Arbeitnehmer der Beklagten zu 1) zu Bewerbungen auf und stellte schließlich sechs frühere Mitarbeiter der Beklagten zu 1) ein.

[4]  Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen eines Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2) unwirksam.

[7]  Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem LAG ohne Erfolg. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

[8]  Die zulässige Revision ist unbegründet. Weder ist die von der Beklagten zu 1) ausgesprochene Kündigung unwirksam, noch ist die Beklagte zu 2) nach § 613a Abs. 1 BGB kraft Ge-ZIP Heft 41/2009, Seite 1977setzes in die Rechte und Pflichten der Beklagten zu 1) aus dem Arbeitsverhältnis des Klägers eingetreten. Ein Betriebsübergang liegt nicht vor.

[9]  A. Soweit für die Revision von Bedeutung, hat das LAG angenommen, der Wirksamkeit der Kündigung stünden aus § 613a Abs. 4 BGB abzuleitende Einwände nicht entgegen, da ein Betriebsübergang nicht vorliege. (Wird ausgeführt.)

[11]  B. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

[12]  I. Das LAG hat zutreffend erkannt, dass die vom Kläger noch erstinstanzlich gegen die streitbefangene Kündigung geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe der fehlenden Sozialauswahl und der unterlassenen Massenentlassungsanzeige vom Kläger mit der Berufung nicht mehr weiterverfolgt wurden. (Wird ausgeführt.)

[13]  II. Die gegen die Feststellung des LAG, ein Betriebsübergang liege nicht vor, gerichteten Revisionsangriffe bleiben ohne Erfolg.

[14]  Die Vorschrift des § 613a Abs. 1 BGB setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber voraus. Erforderlich ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit.

[15]  1. Eine wirtschaftliche Einheit besteht aus einer organisatorischen Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Grundsätzlich zutreffend stellt auch die Revisionsbegründung darauf ab, dass bei der Prüfung, ob eine wirtschaftliche Einheit übergegangen ist, sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Umstände berücksichtigt werden müssen. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung, namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (st. Rspr. des Senats im Anschluss an EuGH v. 11.3.1997 – Rs C-13/95, Slg. 1997, I-1259 = ZIP 1997, 516 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145, Rz. 13-18 – Ayse Süzen, dazu EWiR 1997, 315 (Blomeyer); EuGH v. 15.12.2005 – Rs C-232, 233/04, Slg. 2005, I-11237 = ZIP 2006, 95 (m. Anm. Kock) = AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 41, Rz. 32-35 – Güney-Görres, dazu EWiR 2006, 55 (Thüsing/Fuhlrott); BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 1043/06, ZIP 2007, 2233 (m. Anm. Kock) = AP BGB § 613a Nr. 325 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 74, dazu EWiR 2008, 199 (Wißmann/Cieslak); BAG v. 22.7.2004 – 8 AZR 350/03, BAGE 111, 283, 291 = AP BGB § 613a Nr. 274 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 27; BAG v. 18.3.1999 – 8 AZR 159/98, BAGE 91, 121, 126 = ZIP 1999, 1318 = AP BGB § 613a Nr. 189 = EzA BGB § 613a Nr. 177, dazu EWiR 1999, 783 (Künzl)).

[16]  2. In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge (BAG v. 24.8.2006 – 8 AZR 317/05, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 152 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 60, Rz. 26; BAG v. 13.6.2006 – 8 AZR 271/05, ZIP 2006, 1917 = AP BGB § 613a Nr. 305 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 53, Rz. 20; BAG v. 18.3.1999 – 8 AZR 196/98, ZIP 1999, 1496, AP BGB § 613a Nr. 190 = EzA BGB § 613a Nr. 178, zu B I der Gründe, dazu EWiR 1999, 691 (Schipp); BAG v. 29.6.2000 – 8 AZR 520/99, zu II 2 a der Gründe). Eine Einheit darf nämlich nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden (EuGH Slg. 1997, I-1259 = ZIP 1997, 516 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145, Rz. 15 – Ayse Süzen). Der bloße Verlust eines Auftrags an einen Mitbewerber stellt daher für sich genommen auch keinen Übergang im Sinne der Betriebsübergangsrichtlinie dar (EuGH Slg. 1997, I-1259 = ZIP 1997, 516 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145, Rz. 16 – Ayse Süzen).

[17]  3. In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (vgl. EuGH v. 20.11.2003 – Rs C-340/01, Slg. 2003, I-14023 = ZIP 2003, 2315 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 34 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13, Rz. 36, 37 – Carlito Abler, dazu EWiR 2004, 85 (Diller/Grzyb); vgl. auch BAGE 111, 283, 292 = AP BGB § 613a Nr. 274 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 27). Der Umstand, dass die von dem neuen Unternehmer übernommenen Betriebsmittel nicht seinem Vorgänger gehörten, sondern vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt wurden, schließt den Betriebsübergang nicht aus. Auch ist im Fall einer Auftragsneuvergabe die Überlassung der Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung eines Betriebsübergangs vom ursprünglichen Auftragnehmer auf den neuen Auftragnehmer (EuGH Slg. 2005, I-11237 = ZIP 2006, 95 = AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 41, Rz. 42 – Güney-Görres; BAG v. 6.4.2006 – 8 AZR 222/04, ZIP 2006, 1268 = AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49, Rz. 27, dazu EWiR 2006, 617 (Junker)).

[18]  Sächliche Betriebsmittel sind im Rahmen einer Auftragsneuvergabe wesentlich, wenn bei wertender Betrachtungsweise ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht (BAG v. 2.3.2006 – 8 AZR 147/05, AP BGB § 613a Nr. 302 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 50, Rz. 22; BAG ZIP 2006, 1268 = AP ZIP Heft 41/2009, Seite 1978BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49, Rz. 23; vgl. auch BAG ZIP 2006, 1917 = AP BGB § 613a Nr. 305 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 53, Rz. 20) und sie somit unverzichtbar zur auftragsgemäßen Verrichtung der Tätigkeiten sind (BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 431/06, ZIP 2007, 1382 = NZA 2007, 793, Rz. 21, dazu EWiR 2007, 551 (Hergenröder)). Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs ein. Entscheidend ist die Übernahme der Organisations- und Leitungsmacht.

[19]  4. Ein Betriebsübergang nach Art. 1 Nr. 1 Buchst. b RL 2001/23/EG liegt vor, wenn die „organisierte Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit“ ihre Identität bewahrt. Dabei ist nicht so sehr auf die konkrete Organisation der verschiedenen Produktionsfaktoren durch den Unternehmer abzustellen als vielmehr auf den Zusammenhang der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung, der die Produktionsfaktoren verknüpft, und dazu führt, dass sie bei der Ausübung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit ineinandergreifen. Bei einer Eingliederung der übertragenen Einheit in die Struktur des Erwerbers fällt der Zusammenhang dieser funktionellen Verknüpfung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zwischen den für einen Betriebsübergang maßgeblichen Faktoren nicht zwangsläufig weg. Die Beibehaltung der „organisatorischen Selbstständigkeit“ ist nicht erforderlich, wohl aber die Beibehaltung des Funktions- und Zweckzusammenhangs zwischen den verschiedenen übertragenen Faktoren, der es dem Erwerber erlaubt, diese Faktoren, auch wenn sie in einer anderen Organisationsstruktur eingegliedert werden, zur Verfolgung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit zu nutzen (EuGH v. 12.2.2009 – Rs C-466/07, ZIP 2009, 433 = NZA 2009, 251, Rz. 47 f. – Klarenberg, dazu EWiR 2009, 281 (Laskawy/Lomb), unter Verweis auf die Schlussanträge des Generalanwalts vom 6.11.2008, ZIP 2008, 2278, Rz. 42 bis 44, dazu EWiR 2009, 59 (Junker)).

[20]  III. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat das LAG entgegen der mit der Revision vertretenen Auffassung zutreffend erkannt, dass kein Betriebs(teil-)übergang von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) festzustellen ist.

[21]  1. Zutreffend hat das LAG erkannt, dass die bloße Auftragsnachfolge für sich genommen weder einen Betriebsübergang i.S.v. § 613a BGB darstellt noch den Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG (BAG AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 152 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 60, Rz. 26; BAG ZIP 2006, 1917 = AP BGB § 613a Nr. 305 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 53, Rz. 20; BAG v. 29.6.2000 – 8 AZR 520/99, zu II 2 a der Gründe; BAG ZIP 1999, 1496 = AP BGB § 613a Nr. 190 = EzA BGB § 613a Nr. 178, zu B I der Gründe; EuGH Slg. 1997, I-1259 = ZIP 1997, 516 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145, Rz. 16 – Ayse Süzen). Der Schutz der betroffenen Arbeitnehmer ist da geboten, wo die betriebliche Einheit fortbesteht. Die Neuvergabe eines Auftrags ist zunächst nur die Folge des Wettbewerbs auf dem freien Dienstleistungsmarkt. Der Übergang einer wirtschaftlichen Einheit setzt neben einer etwaigen Auftragsnachfolge die Feststellung zusätzlicher Umstände voraus, die in der Gesamtwürdigung die Annahme des Fortbestands der wirtschaftlichen Einheit rechtfertigen. Eine Tätigkeit ist noch keine wirtschaftliche Einheit.

[22]  2. Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung gilt dies auch dann, wenn ein Dienstleistungsauftrag der einzige Auftrag eines Betriebs ist, wie dies der Kläger von der Beklagten zu 1) behauptet. Von der Streuung seiner Auftragsverhältnisse hängt zwar ab, mit welchem wirtschaftlichen Risiko sich ein Dienstleistungsunternehmen am Markt betätigt. Der Wegfall des einzigen Auftraggebers kann für ein Unternehmen und seine Arbeitsplätze existenzvernichtend sein. Der Übergang einer wirtschaftlichen Einheit setzt jedoch den Fortbestand einer organisatorischen Zusammenfassung und ihrer funktionellen Verknüpfung von Ressourcen voraus. Eine bloße Auftragsneuvergabe erfüllt diese Voraussetzung nicht.

[23]  Bei Handels- und Dienstleistungsbetrieben hat der Senat in der Frage eines Betriebsübergangs den immateriellen Betriebsmitteln, also Geschäftsbeziehungen zu Dritten, Kundenstamm und etwaige Kundenlisten, Know-how und die Einführung des Unternehmens am Markt besondere Bedeutung beigemessen (BAG v. 27.10.2005 – 8 AZR 568/04, AP BGB § 613a Nr. 292 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 42, Rz. 16). Auch insoweit bedarf es aber einer Gesamtbetrachtung, die das Personal, welches diese Tätigkeiten verrichtet hat, deren Führungskräfte und deren Arbeitsorganisation, die Betriebsmethoden und ggf. auch die zur Verfügung stehenden Betriebsmittel berücksichtigt. Eine bloße Funktionsnachfolge erfüllt auch bei solchen Betrieben nicht die Voraussetzung eines Betriebsübergangs (BAG AP BGB § 613a Nr. 292 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 42, Rz. 16; BAG v. 27.10.2005 – 8 AZR 45/05, AP BGB § 613a Nr. 293 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 43, Rz. 20).

[24]  3. Die Beklagte zu 2) erfüllt mit ca. 1.900 Beschäftigten andere, umfassendere Aufgaben in einer wesentlich veränderten organisatorischen Zusammenfassung von Ressourcen als vorher die Beklagte zu 1). Hatte diese mit 19 Arbeitnehmern im Bereich des Campus K. den gebäudetechnischen Servicedienst, die technische Betriebsleitung und das Management für die betriebs- und versorgungstechnischen Anlagen/Systeme für die Gebäude der Ring- und Nordbebauung zu erbringen, so bewältigt die Beklagte zu 2) mit etwa 1.900 Beschäftigten ab dem 1. Januar 2006 sämtliche nicht klinischen/medizinischen Dienstleistungen für die gesamte Charité. Allein für die Betriebstechnik beschäftigt die Beklagte zu 2) ca. 340 Arbeitnehmer, darunter nur noch sechs frühere Mitarbeiter der Beklagten zu 1). Für die Beklagte zu 2) stellen die früher von der Beklagten zu 1) zu bewältigenden Aufgaben nur noch einen kleinen Teil des Auftragsvolumens dar, wobei ihre im Bereich der Betriebstechnik beschäftigten 340 Arbeitnehmer im gesamten Klinikum Charité eingesetzt werden. „Den“ Arbeitsplatz des Klägers mit der Aufgabenstellung, ausschließlich die Betriebstechnik auf dem Campus K. zu gewährleisten, gibt es bei der Beklagten zu 2) nicht mehr. Deren Techniker haben vielmehr die Serviceleistungen im Gesamtbereich des Klinikums zu erbringen. Der bei der Beklagten zu 1) noch gegebene Funktions- und Zweckzusammenhang der organisatorisch zur Bewältigung der Aufgabe „Betriebstechnik im K.“ zusammengefassten Arbeitnehmer gibt es bei der Beklagten zu ZIP Heft 41/2009, Seite 19792) nicht mehr. Die bei der Beklagten zu 1) vorhandene organisatorische Einheit hat nicht nur ihre „organisatorische Selbstständigkeit“ verloren; es sind auch keine in ihrem Funktions- und Zweckzusammenhang beibehaltenen Faktoren in die Organisationsstruktur der Beklagten zu 2) eingegliedert worden. Mit anderen Worten: Die Beklagte zu 2) nützt zur Verfolgung ihrer viel umfassenderen, wirtschaftlichen Tätigkeit keine Produktionsfaktoren, wie sie bei der Beklagten zu 1) in ihrer Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung bestanden haben. Dass die Service-Techniker der Beklagten zu 2), soweit sie im K. tätig werden, an demselben Ort und in den gleichen Räumen arbeiten, ist nicht von entscheidender Bedeutung, da die insoweit geschuldeten Dienstleistungen zwangsläufig nur standortgebunden erfolgen können. Zur Aufrechterhaltung des Betriebsablaufs in der Klinik mussten sie notwendig auch ohne zeitliche Unterbrechung fortgeführt werden. Daraus lässt sich ein Betriebsübergang nicht ableiten.

[25]  4. Zutreffend hat das LAG auch erkannt, dass die Beklagte zu 2) von der Beklagten zu 1) die Heizungs-, Sanitär- und Klimaanlagen des K. nicht übernommen hat. Inhalt des Dienstleistungsauftrags der Beklagten zu 1) war die „Erbringung von technischer Betriebsleitung und Management, technischen Anlagen und Systembetrieb und Instandhaltung sowie gebäudetechnischen Servicedienst für die betriebs- und versorgungstechnischen Anlagen/Systeme für die Gebäude der Ring- und Nordbebauung“. Für die Beklagte zu 1), die die technische Betriebsleitung auf dem Campus K. zu bewältigen hatte, waren die dortigen technischen Anlagen das Objekt, an dem sie ihren Betriebszweck verwirklichte. Ihre Dienstleistungen wurden „für“ diese Anlagen erbracht. Auftragsinhalt war nicht die Lieferung von Wärme, Wasser und Energie in bestimmter Menge und Qualität, sondern das technische Facility-Management. Für die nur „an“ den Anlagen zu erbringenden Tätigkeiten machen die Anlagen selbst bei wertender Betrachtungsweise nicht den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs aus und stellen für diese Tätigkeit keine sächlichen Betriebsmittel dar.

[26]  5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass für einen Betriebsübergang allenfalls spricht, dass der frühere Kunde der Beklagten zu 1), das Universitätsklinikum Charité, heute Kunde der Beklagten zu 2) ist und dass der technische Service für die Betriebsanlagen des K. von der Beklagten zu 2) ohne zeitliche Unterbrechung fortgeführt wurde. Der Betrieb und das Unternehmen der Beklagten zu 2) ist dagegen in seiner umfassenden Aufgabenstellung, die sich auch in der Frage der Betriebstechnik nicht mehr gesondert auf den Bereich des K. bezieht, in der Art mit dem Unternehmen und dem Betrieb der Beklagten zu 1) nicht vergleichbar. Materielle Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter sind nicht übergegangen. Die Beklagte zu 2) übt zwar – auch – die Funktionen aus, die früher die Beklagte zu 1) wahrgenommen hat, hat aber deren Auftrag nicht übernommen. Die Service-Techniker der Beklagten zu 2) führen wesentlich umfassendere technische Aufgaben im Gesamtbereich des Klinikums Charité aus. Dass diese womöglich auch vom Kläger hätten ausgeübt werden können, ist nicht entscheidend. Die funktionelle Verknüpfung zwischen den Arbeitnehmern der Beklagten zu 1) im K., ihre Wechselbeziehung und gegenseitige Ergänzung ist im Bereich der Servicetechnik der Beklagten zu 2) nicht beibehalten worden. Die Beklagte zu 2) hat nach den Feststellungen des LAG mit sechs Arbeitnehmern der Beklagten zu 1) auch weder deren wesentliches Personal übernommen noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass diese ehemals bei der Beklagten zu 1) beschäftigten Betriebstechniker im Bereich der 340 Technik-Beschäftigten der Beklagten zu 2) eine wesentliche Rolle spielten. Damit ist die Identität dessen, was den Betrieb bei der Beklagten zu 1) ausmachte, im Unternehmen der Beklagten zu 2) aufgegeben worden. Ein Betriebsübergang liegt nicht vor.

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2024 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell