BGH: Vermutung der Ursächlichkeit unrichtiger Prospektangaben zur Lage des Grundstücks oder zum Bodenwert für den Beitritt zu geschlossenem Immobilienfonds

28.04.2009

BGB § 280 Abs. 1; ZPO § 286

Vermutung der Ursächlichkeit unrichtiger Prospektangaben zur Lage des Grundstücks oder zum Bodenwert für den Beitritt zu geschlossenem Immobilienfonds

BGH, Urt. v. 2. 3. 2009 – II ZR 266/07

Leitsatz des Gerichts:

Es besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die unrichtige Darstellung der Lage des Grundstücks oder des Bodenwerts im Prospekt für die Entscheidung, einem geschlossenen Immobilienfonds beizutreten, wegen der Auswirkungen auf die Vermietbarkeit und die Höhe des Mietzinses ursächlich ist.

Tatbestand:

[1]

 Die Kläger erklärten am 3. Dezember 1997 ihren Beitritt zum Immobilienfonds „B. KG“ und leisteten eine Kommanditeinlage i.H. v. 400.0000 DM. Der Beklagte nahm den Beitritt der Kläger als Treuhänder an. Er wirkte bei der Erstellung des Emissionsprospekts und beim Abschluss der Verträge mit, war Gründungsgesellschafter des Fonds sowie Treuhandkommanditist. Der Fonds erwarb ein mit einem Wohngebäude bebautes Grundstück in W. und ein mit einem Bürogebäude bebautes Grundstück in B., das langfristig vermietet war. Die B.-Bau GmbH gab für beide Grundstücke eine befristete Mietgarantie ab. Das Grundstück in B. war im Prospekt mit der richtigen Anschrift angegeben, seine Lage auf einer Planskizze falsch eingezeichnet. Die Kläger haben vom Beklagten wegen unrichtiger Angaben der Lage des Grundstücks bei B. und des Werts für Grund und Boden des Grundstücks in W. die Rückabwicklung ihres Beitritts verlangt. Das LG hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Dagegen richten sich die vom erkennenden Senat zugelassenen Revisionen der Kläger.

Entscheidungsgründe:

[2]

 Die Revisionen haben Erfolg.

 

[3]

 I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte hafte als Gründungsgesellschafter und Treuhandkommanditist für unrichtige Prospektangaben aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen. Der Ersatzanspruch sei nach § 195 BGB a.F. i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB auch nicht verjährt. Die Kläger hätten aber nicht schlüssig dargelegt, dass sie durch den Prospekt über wesentliche bzw. erhebliche Umstände, die für ihre Entschließung von Bedeutung gewesen sei-ZIP 2009, Seite 765en, fehlerhaft oder unvollständig informiert worden seien. (Wird ausgeführt.)

 

[4]

 II. Dies hält in mehrfacher Hinsicht der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

 

[5]

 1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die Ursächlichkeit der unstreitigen bzw. behaupteten Prospektmängel für die Anlageentscheidung verneint, weil sich die Kläger in einem Entscheidungskonflikt befunden hätten und die falsche Lageangabe für das Grundstück bei B. wegen der Mietgarantie sowie der langfristigen Vermietung ohne Bedeutung sei.

 

[6]

 a) Das Berufungsgericht hat verkannt, dass bei einer unrichtigen oder unvollständigen Darstellung von für die Anlageentscheidung wesentlichen Umständen eine tatsächliche Vermutung dafür besteht, dass die mangelhafte Prospektdarstellung für die Anlageentscheidung ursächlich war (st. Rspr., BGHZ 79, 337, 346 = ZIP 1981, 517; Senatsurt. v. 3.12.2007 – II ZR 21/06, ZIP 2008, 412, Rz. 16, dazu EWiR 2008, 295 (Hahn); Senatsurt. v. 21.3.2005 – II ZR 149/03, ZIP 2005, 763, dazu EWiR 2006, 133 (v. Livonius); Senatsurt. v. 19.7.2004 – II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, dazu EWiR 2004, 1093 (Lürken); Senatsurt. v. 1.3.2004 – II ZR 88/02, ZIP 2004, 1104, dazu EWiR 2004, 735 (Frisch); Senatsurt. v. 15.12.2003 – II ZR 244/01, ZIP 2004, 312, dazu EWiR 2004, 323 (v. Bünau); Senatsurt. v. 14.7.2003 – II ZR 202/02, ZIP 2003, 1651, dazu EWiR 2004, 11 (Bayer/Lieder)). Durch unzutreffende oder unvollständige Informationen des Prospekts wird in das Recht des Anlegers eingegriffen, in eigener Entscheidung und Abwägung des Für und Wider darüber zu befinden, ob er in das Projekt investieren will oder nicht. Das Bestehen von Handlungsvarianten ist nicht geeignet, diese auf der Lebenserfahrung beruhende tatsächliche Vermutung für die Ursächlichkeit fehlerhafter Prospektdarstellungen für die Anlageentscheidung bei Immobilien zu entkräften, bei denen es in der Regel vordringlich um Sicherheit, Rentabilität und Inflationsschutz geht (BGH, Urt. v. 9.2.2006 – III ZR 20/05, ZIP 2006, 568, dazu EWiR 2006, 555 (Frisch)). Eine Ausnahme kommt allenfalls bei – hier nicht vorliegenden – von vornherein spekulativen Geschäften in Betracht, bei denen es nur um das Maß der Sicherheit geht (vgl. BGHZ 160, 58, 66 = ZIP 2004, 1636, dazu EWiR 2004, 965 (Balzer)). Die Annahme des Berufungsgerichts, die Kläger hätten sich wegen der Einschätzung der D. Bank, kein mit den Konditionen und Sicherheiten des Fonds vergleichbar gutes Angebot machen zu können, in einem Entscheidungskonflikt befunden, beruht außerdem auf einem Denkfehler. Es hat verkannt, dass diese Bewertung auf den Angaben im Prospekt beruht, die die D. Bank für richtig gehalten hat, während zumindest zu unterstellen ist, dass sie nicht zutreffen.

 

[7]

 b) Zu Unrecht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass die falsche Angabe zur Lage des Grundstücks bei B. kein für die Anlageentscheidung wesentlicher Umstand gewesen sei, weil eine Mietgarantie abgegeben und das Grundstück langfristig vermietet worden sei. Die Lage ist ein für die Bewertung einer Immobilie maßgebender Umstand, weil sie sich auf den Vermietungserfolg auswirkt. Daran ändern weder die hier gegebene Mietgarantie noch der Umstand etwas, dass ein langfristiger Mietvertrag geschlossen worden ist. Eine befristete Mietgarantie ist keine nachhaltige Sicherung des Erwerbers, die von der Verpflichtung zur Aufklärung über die tatsächlichen Umstände der Vermietung und der erzielbaren Miete befreit (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.2008 – V ZR 175/07, NJW 2008, 3699; BGH, Urt. v. 15.6.2000 – III ZR 305/98, ZIP 2000, 1392, dazu EWiR 2000, 1101 (Frisch)). Sie kann – was allgemein bekannt ist und gerade bei Anlagemodellen immer wieder deutlich wird – infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Vertragspartners jederzeit ausfallen. Ebenso kann sich schnell erweisen, dass der langfristige Mieter seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann, weil er seine wirtschaftlichen Aussichten falsch eingeschätzt hat. Sowohl für die Möglichkeit der Wiedervermietung als solche als auch für den erzielbaren Mietzins gewinnt die Lage des Grundstücks dann entscheidende Bedeutung.

 

[8]

 c) Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Das Berufungsgericht ist zu Recht und von der Revisionserwiderung nicht angegriffen davon ausgegangen, dass eine Haftung des Beklagten aus vorvertraglichem Verschulden in Betracht kommt, weil er Gründungsgesellschafter ist, und dass der Schadensersatzanspruch nicht verjährt ist.

 

[9]

 2. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Beklagte kann die tatsächliche Vermutung, dass eine fehlerhafte Prospektdarstellung für die Anlageentscheidung ursächlich war, widerlegen (vgl. Senat ZIP 2008, 412, Rz. 16). Die Vermutung ist grundsätzlich erschüttert, wenn dem Anleger der Prospektmangel beim Beitritt bekannt ist. Der Beklagte hat behauptet, die tatsächliche Lage des Grundstücks sei den Klägern bei ihrem Beitritt bekannt gewesen, weil sie es besichtigt hätten. Den dazu angebotenen Beweis hat das Berufungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent – bisher nicht erhoben. Die Ursächlichkeit eines Prospektfehlers für die Anlageentscheidung kann nach der Lebenserfahrung auch fehlen, wenn er für die Werthaltigkeit des Anlageobjekts objektiv keine Bedeutung hat (Senat BGHZ 123, 106, 114 = ZIP 1993, 1467). Der Beklagte hat sich darauf berufen, der falsche Lageplan sei für die Grundstücksbewertung belanglos, weil die tatsächliche Lage der eingezeichneten Lage mindestens gleichwertig sei. Auch dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.

 

[10]

 Sollte das Berufungsgericht wieder zu dem Ergebnis gelangen, dass die falsche Lagezeichnung für die Anlageentscheidung nicht ursächlich war, ist der Behauptung der Kläger nachzugehen, der Prospekt sei auch hinsichtlich der Wertangabe für das Grundstück in W. falsch; im Übrigen haben die Parteien Gelegenheit, ihr Vorbringen zu den unterbliebenen Verlustzuweisungen zu ergänzen und zu konkretisieren.

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