BGH: Zum Rechtsmittel gegen die – über eine Nichtabhilfe hinausgehende – vermeintliche (End-)Entscheidung des Rechtspflegers

16.02.2009

RPflG § 8 Abs. 4, § 11 Abs. 2; InsO § 7

Zum Rechtsmittel gegen die – über eine Nichtabhilfe hinausgehende – vermeintliche (End-)Entscheidung des Rechtspflegers

BGH, Beschl. v. 16. 12. 2008 – IX ZA 46/08

Leitsatz des Gerichts:

Trifft der Rechtspfleger über eine sofortige Beschwerde gegen einen von ihm erlassenen Beschluss ohne Vorlage an das LG selbst die Beschwerdeentscheidung, so ist diese unwirksam. In diesem Fall ist Gegenstand der ursprünglichen Beschwerde auch die über eine Abhilfeentscheidung hinausgehende vermeintliche Endentscheidung des Rechtspflegers.

Gründe:

[1]

 I. Über das Vermögen des Schuldners wurde auf dessen mit einem Restschuldbefreiungsgesuch verbundenen Eigenantrag das Insolvenzverfahren eröffnet. Zugleich wurden dem Schuldner die Kosten des Insolvenzverfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet. Da der Schuldner am 3. Juli 2007 zu einem Anhörungstermin nicht erschien, hat das AG – Rechtspflegerin – die Kostenstundung durch Beschluss vom 19. Juli 2007 aufgehoben. Gegen den ihm durch Einlegen in den Briefkasten am 26. Juli 2007 zugestellten Beschluss hat der Schuldner mit Schriftsatz vom 23. Juli 2008, eingegangen bei dem AG am 24. Juli 2008, sofortige Beschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

 

[2]

 Durch Beschluss vom 12. September 2008 hat das AG – Rechtspflegerin – die Beschwerde einschließlich des Wiedereinsetzungsantrags zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Schuldner am 30. September 2008 Rechtsbeschwerde zum OLG eingelegt. Auf dessen Hinweis, dass eine Rechtsbeschwerde bei dem BGH durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt einzulegen ist, hat der Beschwerdeführer am 2. Oktober 2008 Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. K. zur Durchführung einer Rechtsbeschwerde, hilfsweise einer außerordentlichen Beschwerde, beantragt.

[3]

 II. Dem Schuldner kann Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Satz 1 ZPO). Die von dem Schuldner beabsichtigte Rechtsbeschwerde ist unstatthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 7 InsO).

 

[4]

 1. Gegen die Aufhebung der Stundung der Verfahrenskosten steht dem Schuldner nach § 4d Abs. 1 InsO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu. Dies gilt gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 RpflG auch, wenn – wie im Streitfall – die Entscheidung im eröffneten Verfahren durch den Rechtspfleger (§ 18 Abs. 1 RpflG) ergangen ist (MünchKomm-Ganter, InsO, 2. Aufl., § 4d Rz. 3, 9; Jaeger/Eckardt, InsO, § 4d Rz. 7). Über die sofortige Beschwerde entscheidet nach §§ 567, 568 ZPO das LG als Beschwerdegericht (Jaeger/Gerhardt, InsO, § 6 Rz. 19). Erst gegen die Beschwerdeentscheidung des LG findet gem. § 7 InsO die Rechtsbeschwerde zum BGH statt (MünchKomm-Ganter, a.a.O., § 4d Rz. 12; Jaeger/Eckardt, a.a.O., § 4d Rz. 35).

 

[5]

 2. Die von dem Schuldner beabsichtigte Rechtsbeschwerde ist unstatthaft, weil bislang eine Entscheidung des Beschwerdegerichts über seine sofortige Beschwerde nicht ergangen ist (MünchKomm-Ganter, a.a.O., § 7 Rz. 17) und eine „Sprungrechtsbeschwerde“ gegen eine amtsgerichtliche Entscheidung ausscheidet (MünchKomm-Ganter, a.a.O., § 7 Rz. 17). Zwar kann der Rechtspfleger der sofortigen Beschwerde abhelfen (MünchKomm-Ganter, a.a.O., § 6 Rz. 45; Jaeger/Gerhardt, a.a.O., § 6 Rz. 21, 36). Hält er die sofortige Beschwerde hingegen für unbegründet, hat er sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorzulegen (MünchKomm-Ganter, a.a.O., § 7 Rz. 17). Ebenso ist zu verfahren, wenn der Rechtspfleger die Beschwerde – wie im Streitfall – als unzulässig erachtet (Musielak/Ball, ZPO, 6. Aufl., § 572 Rz. 7; MünchKomm-Lipp, ZPO, 3. Aufl., § 572 Rz. 10). Da eine Vorlage der Sache an das Beschwerdegericht und daher eine Beschwerdeentscheidung bislang aussteht, ist die von dem Schuldner beabsichtigte Rechtsbeschwerde unstatthaft.ZIP 2009, Seite 290

 

[6]

 3. Ein weitergehendes Rechtsmittel ist auch dann nicht gegeben, wenn die Rechtspflegerin – wofür zumindest der äußere Anschein spricht – endgültig über die sofortige Beschwerde befinden wollte.

 

[7]

 a) In diesem Fall erweist sich ihre Entscheidung wegen der Inanspruchnahme dem Beschwerdegericht vorbehaltener richterlicher Befugnisse nach § 8 Abs. 4 Satz 1 RPflG als unwirksam (BayObLGZ 1959, 89, 93; OLG München RPfleger 2000, 98 f.; Roth, in: Bassenge/Roth, RPflG, 11. Aufl., § 8 Rz. 4). Die gleichwohl existente und daher anfechtbare (BGH, Beschl. v. 5.12.2005 – II ZB 2/05, NJW-RR 2006, 565, 566) Entscheidung ist auf die sofortige Beschwerde des Schuldners im Rechtsmittelverfahren von dem LG als zuständigem Beschwerdegericht aufzuheben (vgl. BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – IX ZB 287/03, ZIP 2005, 1616 (LS) = ZVI 2006, 29 = NJW-RR 2005, 1299).

 

[8]

 b) Der Einlegung eines gesonderten Rechtsmittels gegen die – über eine Nichtabhilfe hinausgehende – vermeintliche (End-)Entscheidung der Rechtspflegerin bedarf es jedoch nicht. Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung steht der Partei sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form getroffenen Entscheidung gegeben gewesen wäre (BGHZ 98, 362, 364 f., dazu EWiR 1987, 243 (Reimann); BGHZ 152, 213, 216). Bei richtiger Entscheidungsform ist schon aufgrund der gegen die Ausgangsentscheidung eingelegten sofortigen Beschwerde auch über den nicht selbstständig anfechtbaren (OLG Celle OLGReport 2006, 462; Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 572 Rz. 15) Nichtabhilfebeschluss zu befinden (MünchKomm-Lipp, ZPO, 3. Aufl., § 572 Rz. 13). Da der Schuldner das gegen die Ausgangsentscheidung eröffnete Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde bereits eingelegt und damit die ihm zukommende Rechtsmittelwahl getroffen hat, ist in Konstellationen der vorliegenden Art trotz des gegebenen rechtswidrigen Tätigwerdens der Rechtspflegerin als Beschwerdegericht für die Alternative einer Rechtsbeschwerde kein Raum. Der Beschwerdeführer kann die Vorlage an das Beschwerdegericht durchsetzen, indem er von der Befugnis des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO Gebrauch macht, seine Beschwerde nochmals unmittelbar bei dem Beschwerdegericht einzureichen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 572 Rz. 7).

 

[9]

 4. Nach Rückgabe der Akte hat das AG die Vorlage der Sache an das LG Hildesheim zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Schuldners zu veranlassen.

RPflG § 8 Abs. 4, § 11 Abs. 2; InsO § 7

Zum Rechtsmittel gegen die – über eine Nichtabhilfe hinausgehende – vermeintliche (End-)Entscheidung des Rechtspflegers

BGH, Beschl. v. 16. 12. 2008 – IX ZA 46/08

Leitsatz des Gerichts:

Trifft der Rechtspfleger über eine sofortige Beschwerde gegen einen von ihm erlassenen Beschluss ohne Vorlage an das LG selbst die Beschwerdeentscheidung, so ist diese unwirksam. In diesem Fall ist Gegenstand der ursprünglichen Beschwerde auch die über eine Abhilfeentscheidung hinausgehende vermeintliche Endentscheidung des Rechtspflegers.

Gründe:

[1]

 I. Über das Vermögen des Schuldners wurde auf dessen mit einem Restschuldbefreiungsgesuch verbundenen Eigenantrag das Insolvenzverfahren eröffnet. Zugleich wurden dem Schuldner die Kosten des Insolvenzverfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet. Da der Schuldner am 3. Juli 2007 zu einem Anhörungstermin nicht erschien, hat das AG – Rechtspflegerin – die Kostenstundung durch Beschluss vom 19. Juli 2007 aufgehoben. Gegen den ihm durch Einlegen in den Briefkasten am 26. Juli 2007 zugestellten Beschluss hat der Schuldner mit Schriftsatz vom 23. Juli 2008, eingegangen bei dem AG am 24. Juli 2008, sofortige Beschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

 

[2]

 Durch Beschluss vom 12. September 2008 hat das AG – Rechtspflegerin – die Beschwerde einschließlich des Wiedereinsetzungsantrags zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Schuldner am 30. September 2008 Rechtsbeschwerde zum OLG eingelegt. Auf dessen Hinweis, dass eine Rechtsbeschwerde bei dem BGH durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt einzulegen ist, hat der Beschwerdeführer am 2. Oktober 2008 Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. K. zur Durchführung einer Rechtsbeschwerde, hilfsweise einer außerordentlichen Beschwerde, beantragt.

[3]

 II. Dem Schuldner kann Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Satz 1 ZPO). Die von dem Schuldner beabsichtigte Rechtsbeschwerde ist unstatthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 7 InsO).

 

[4]

 1. Gegen die Aufhebung der Stundung der Verfahrenskosten steht dem Schuldner nach § 4d Abs. 1 InsO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu. Dies gilt gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 RpflG auch, wenn – wie im Streitfall – die Entscheidung im eröffneten Verfahren durch den Rechtspfleger (§ 18 Abs. 1 RpflG) ergangen ist (MünchKomm-Ganter, InsO, 2. Aufl., § 4d Rz. 3, 9; Jaeger/Eckardt, InsO, § 4d Rz. 7). Über die sofortige Beschwerde entscheidet nach §§ 567, 568 ZPO das LG als Beschwerdegericht (Jaeger/Gerhardt, InsO, § 6 Rz. 19). Erst gegen die Beschwerdeentscheidung des LG findet gem. § 7 InsO die Rechtsbeschwerde zum BGH statt (MünchKomm-Ganter, a.a.O., § 4d Rz. 12; Jaeger/Eckardt, a.a.O., § 4d Rz. 35).

 

[5]

 2. Die von dem Schuldner beabsichtigte Rechtsbeschwerde ist unstatthaft, weil bislang eine Entscheidung des Beschwerdegerichts über seine sofortige Beschwerde nicht ergangen ist (MünchKomm-Ganter, a.a.O., § 7 Rz. 17) und eine „Sprungrechtsbeschwerde“ gegen eine amtsgerichtliche Entscheidung ausscheidet (MünchKomm-Ganter, a.a.O., § 7 Rz. 17). Zwar kann der Rechtspfleger der sofortigen Beschwerde abhelfen (MünchKomm-Ganter, a.a.O., § 6 Rz. 45; Jaeger/Gerhardt, a.a.O., § 6 Rz. 21, 36). Hält er die sofortige Beschwerde hingegen für unbegründet, hat er sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorzulegen (MünchKomm-Ganter, a.a.O., § 7 Rz. 17). Ebenso ist zu verfahren, wenn der Rechtspfleger die Beschwerde – wie im Streitfall – als unzulässig erachtet (Musielak/Ball, ZPO, 6. Aufl., § 572 Rz. 7; MünchKomm-Lipp, ZPO, 3. Aufl., § 572 Rz. 10). Da eine Vorlage der Sache an das Beschwerdegericht und daher eine Beschwerdeentscheidung bislang aussteht, ist die von dem Schuldner beabsichtigte Rechtsbeschwerde unstatthaft.ZIP 2009, Seite 290

 

[6]

 3. Ein weitergehendes Rechtsmittel ist auch dann nicht gegeben, wenn die Rechtspflegerin – wofür zumindest der äußere Anschein spricht – endgültig über die sofortige Beschwerde befinden wollte.

 

[7]

 a) In diesem Fall erweist sich ihre Entscheidung wegen der Inanspruchnahme dem Beschwerdegericht vorbehaltener richterlicher Befugnisse nach § 8 Abs. 4 Satz 1 RPflG als unwirksam (BayObLGZ 1959, 89, 93; OLG München RPfleger 2000, 98 f.; Roth, in: Bassenge/Roth, RPflG, 11. Aufl., § 8 Rz. 4). Die gleichwohl existente und daher anfechtbare (BGH, Beschl. v. 5.12.2005 – II ZB 2/05, NJW-RR 2006, 565, 566) Entscheidung ist auf die sofortige Beschwerde des Schuldners im Rechtsmittelverfahren von dem LG als zuständigem Beschwerdegericht aufzuheben (vgl. BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – IX ZB 287/03, ZIP 2005, 1616 (LS) = ZVI 2006, 29 = NJW-RR 2005, 1299).

 

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 b) Der Einlegung eines gesonderten Rechtsmittels gegen die – über eine Nichtabhilfe hinausgehende – vermeintliche (End-)Entscheidung der Rechtspflegerin bedarf es jedoch nicht. Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung steht der Partei sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form getroffenen Entscheidung gegeben gewesen wäre (BGHZ 98, 362, 364 f., dazu EWiR 1987, 243 (Reimann); BGHZ 152, 213, 216). Bei richtiger Entscheidungsform ist schon aufgrund der gegen die Ausgangsentscheidung eingelegten sofortigen Beschwerde auch über den nicht selbstständig anfechtbaren (OLG Celle OLGReport 2006, 462; Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 572 Rz. 15) Nichtabhilfebeschluss zu befinden (MünchKomm-Lipp, ZPO, 3. Aufl., § 572 Rz. 13). Da der Schuldner das gegen die Ausgangsentscheidung eröffnete Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde bereits eingelegt und damit die ihm zukommende Rechtsmittelwahl getroffen hat, ist in Konstellationen der vorliegenden Art trotz des gegebenen rechtswidrigen Tätigwerdens der Rechtspflegerin als Beschwerdegericht für die Alternative einer Rechtsbeschwerde kein Raum. Der Beschwerdeführer kann die Vorlage an das Beschwerdegericht durchsetzen, indem er von der Befugnis des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO Gebrauch macht, seine Beschwerde nochmals unmittelbar bei dem Beschwerdegericht einzureichen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 572 Rz. 7).

 

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 4. Nach Rückgabe der Akte hat das AG die Vorlage der Sache an das LG Hildesheim zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Schuldners zu veranlassen.

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