BGH: Zur Fortführung eines Handelsunternehmens unter der bisherigen Firma

04.12.2009

HGB § 25

Zur Fortführung eines Handelsunternehmens unter der bisherigen Firma

BGH, Urt. v. 16. 9. 2009 – VIII ZR 321/08 (OLG Hamburg)

Leitsätze der Redaktion:

1. Eine Haftung wegen Firmenfortführung gem. § 25 Abs. 1 HGB kommt auch dann in Betracht, wenn für einen kurzen Zwischenzeitraum das Unternehmen unter einer anderen Firma fortgeführt worden ist.

2. Für die Haftung wegen Firmenfortführung kommt es nicht darauf an, welche Erklärung gegenüber dem Registergericht abgegeben wird, sondern darauf, unter welcher Bezeichnung ein Unternehmen tatsächlich am Markt auftritt.

3. Für die Haftung wegen Firmenfortführung genügt der Erwerb lediglich eines Teils des früheren Handelsgeschäfts, wenn dieser den Kern des Unternehmens ausmacht, mit dem das Unternehmen nach außen in Erscheinung tritt.

Tatbestand:

[1]  Die Klägerin macht gegen die Beklagte, die unter der Bezeichnung „R. Automobile GmbH“ firmiert, nach den Grundsätzen der Haftung für eine Firmenfortführung gem. § 25 HGB Ansprüche auf Zahlung geltend. Die – der Höhe nach unstreitigen – Forderungen resultieren aus einer Vereinbarung der Klägerin mit der „Automobile R. e.K.“, durch die diese sich u.a. zur Abnahme einer bestimmten Menge von Schmierstoffen von der Klägerin verpflichtet hatte.

[2]  Anfang des Jahres 2005 wurde das Vermögen der „Automobile R. e.K.“ im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung von der „Autohaus R. GmbH“ übernommen. Deren Geschäftsgegenstand war der Handel mit neuen und gebrauchten Fahrzeugen sowie der Betrieb einer Autowerkstatt. Mit Gesellschafterbeschluss vom 25. Oktober 2005, im Handelsregister eingetragen am 10. November 2005, wurde diese GmbH in „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ umfirmiert. Den Geschäftsbetrieb stellte die „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ Ende 2005 ein. Im folgenden Jahr wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ eröffnet.

[3]  Zur Reduzierung ihrer Verbindlichkeiten schloss die „J. Auto- und Servicehaus GmbH“, deren geschäftsführender Gesellschafter J.R. war, Ende 2005 Verträge einerseits mit der Beklagten, die mit Gesellschaftsvertrag vom 22. Dezember 2005 gegründet worden war und deren Geschäftsführer gleichfalls J.R. ist, und andererseits mit der (von den Mitarbeitern) ebenfalls neu gegründeten „R. Service GmbH“.

[4]  Alle vorgenannten Unternehmen führten bzw. führen ihren Geschäftsbetrieb unter derselben Anschrift, nutzten bzw. nutzen dieselben Telefon- und Faxnummern und traten bzw. treten unter dem Internetportal „www.autohaus-....de“ mit den Marken Alfa Romeo, Suzuki und Rover auf. Geschäftsgegenstand der Beklagten ist der Handel mit Kraftfahrzeugen der genannten Marken, während die unter derselben Anschrift arbeitende „R. Service GmbH“ die Werkstattleistungen erbringt.

ZIP 47/2009, 2245

[5]  Die „Autohaus R. GmbH“ hatte von der Klägerin Schmierstoffe bezogen, die am 21. Juli 2005 mit 7.437,11 € in Rechnung gestellt worden waren und Gegenstand eines am 16. März 2006 rechtskräftig gewordenen Versäumnisurteils gegen die „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ sind. In diesem Rechtsstreit sind außerdem Kosten i.H. v. 1.279,60 € festgesetzt worden. Diese beiden Beträge macht die Klägerin nunmehr gegen die Beklagte geltend. Daneben begehrt sie von der Beklagten Zahlung i.H. v. 22.808,55 € aus der mit der „Automobile R. e.K.“ geschlossenen Vereinbarung.

[6]  Das LG hat der Klage auf Zahlung von 31.525,26 € in vollem Umfang stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

[7]  Die Revision hat keinen Erfolg.

[8]  I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

[9]  Die Beklagte hafte der Klägerin gegenüber aus § 25 Abs. 1 HGB für die geltend gemachten Verbindlichkeiten der „J. Auto- und Servicehaus GmbH“. (Wird ausgeführt.)

[12]  II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Haftung der Beklagten für die gegen die „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ begründeten Forderungen der Klägerin bejaht. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 HGB liegen vor. Die Beklagte hat das Handelsgeschäft der „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ in seinem wesentlichen Kern unter Lebenden erworben und es unter deren – hier maßgeblichen alten – Firmenbezeichnung fortgeführt.

[13]  Die Haftung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB greift nach gefestigter Rechtsprechung des BGH ein, wenn zwar der Unternehmensträger wechselt, das Unternehmen selbst aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs aber im Wesentlichen unverändert unter der alten Firmenbezeichnung fortgeführt wird (Senatsurt. v. 24.9.2008 – VIII ZR 192/06, ZIP 2008, 2116 = WM 2008, 2273, Rz. 12; BGH, Urt. v. 28.11.2005 – II ZR 355/03, ZIP 2006, 367 = NJW 2006, 1002, Rz. 7 m.w.N.). Das ist hier der Fall.

[14]  1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass die Beklagte das Unternehmen der „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ unter deren Firma fortführt. Mit dem Berufungsgericht ist allerdings davon auszugehen, dass die Verwendung der Initialen „J.“ keinen hinreichend engen Bezug zu dem hinsichtlich der Individualisierung des Unternehmens prägenden Eigennamen des Geschäftsführers „R.“ zwischen der Firma der Beklagten und deren Vorgängerin darstellen. Die gem. § 25 Abs. 1 HGB erforderliche Firmenfortführung wird jedoch nicht dadurch unterbrochen, dass im November 2005 eine Umfirmierung der „Autohaus R. GmbH“ in die „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ erfolgte.

[15]  Denn die Firmenfortführung ist deshalb eine Voraussetzung für die Haftung gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB, weil in ihr die Kontinuität des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt, welche der tragende Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen Nachfolger ist (Senat ZIP 2008, 2116 = WM 2008, 2273, Rz. 19; BGH ZIP 2006, 367 = NJW 2006, 1002, Rz. 7). Nach außen in Erscheinung getreten ist die „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ unter ihrer neuen Firma aber nur in der kurzen Zeitdauer von der Umfirmierung im Oktober/November 2005 bis zur Einstellung ihres Geschäftsbetriebs Ende 2005. Da die Beklagte nahezu zeitgleich (durch Gesellschaftsvertrag vom 22. Dezember 2005) gegründet wurde, ist dies eine zu kurze Zeitspanne, als dass aus der maßgeblichen Sicht der beteiligten Verkehrskreise dieser Name („J. Auto- und Servicehaus GmbH“) mit der Kontinuität des Unternehmens, das zuvor mehrere Jahre unter der Firma „Autohaus R. GmbH“ bzw. „Automobile R. e.K.“ aufgetreten ist, verbunden wird.

[16]  Entgegen der Auffassung der Revision ist durch die Eintragung der neuen Firmenbezeichnung „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ in das Handelsregister auch nicht das Vertrauen der maßgeblichen Verkehrskreise in die Fortführung der früheren Firma beseitigt worden. Für die Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 HGB kommt es nicht darauf an, welche Erklärung gegenüber dem Registergericht abgegeben wird, sondern vielmehr darauf, unter welcher Bezeichnung ein Unternehmen tatsächlich am Markt auftritt (BGH, Urt. v. 1.12.1986 – II ZR 303/85, NJW 1987, 1633).

[17]  2. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht auch an, dass die Beklagte das Unternehmen des zuletzt unter „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ firmierenden Autohauses i.S.v. § 25 Abs. 1 HGB erworben und fortgeführt hat. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, genügt es für die Anwendung des § 25 Abs. 1 HGB, dass ein Teilerwerb des früheren Handelsgeschäfts stattfindet, wenn dieser den Kern des Unternehmens ausmacht.

[18]  a) Von einer Unternehmensfortführung i.S.d. § 25 Abs. 1 HGB geht der maßgebliche Verkehr aus, wenn ein Betrieb von einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen Bestand unverändert weitergeführt wird, der Tätigkeitsbereich, die innere Organisation und die Räumlichkeiten ebenso wie Kunden- und Lieferantenbeziehungen jedenfalls im Kern beibehalten und/oder Teile des Personals übernommen werden (BGH ZIP 2006, 367 = NJW 2006, 1002, Rz. 9 m.w.N.). Die Haftungsfolge aus § 25 Abs. 1 HGB greift daher auch dann ein, wenn einzelne Vermögensbestandteile oder Betätigungsfelder von der Übernahme ausgenommen sind, solange nur der den Schwerpunkt des Unternehmens bildende wesentliche Kern desselben übernommen wird, so dass sich der nach außen für die beteiligten Verkehrskreise in Erscheinung tretende Tatbestand als Weiterführung des Unternehmens in seinem wesentlichen Bestand darstellt (BGH, Urt. v. 4.11.1991 – II ZR 85/91, ZIP 1992, 398 = NJW 1992, 911, unter III 1, dazu EWiR 1992, 283 (K. Schmidt)). Dies ist bei der Beklagten, auch wenn sie nur den Teilbereich des Handels mit Kraftfahrzeugen und nicht den Werkstattbetrieb fortgeführt hat, der Fall.

[19]  Nach den dazu vom Berufungsgericht getroffenen – von der Revision insoweit nicht angegriffenen – tatsächlichen Feststellungen hat die Beklagte durch den Handel mit Fahrzeugen derselben Automarken, wie sie auch von der „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ vertrieben wurden, in denselben Ausstellungs- und Büroräumen unter Beibehaltung derselben Telefon- und Faxnummern und unter Wahrung der personellen ZIP 47/2009, 2246Kontinuität durch den Namensgeber der Firma, den Geschäftsführer J.R., sowie unter Aufrechterhaltung der bestehenden Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten und Abnehmern und nicht zuletzt durch Verwendung eines vergleichbaren, wenn nicht gar identischen Internetauftritts wie die Vorgängerfirma einen wesentlichen Teil des früheren Autohauses R., der „J. Auto- und Servicehaus GmbH“, fortgeführt.

[20]  b) Ohne Erfolg beanstandet die Revision insoweit die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht seine Annahme begründet, die Beklagte und nicht die „R. Service GmbH“ habe das frühere Handelsgeschäft in seinem wesentlichen Kern erworben und fortgeführt. Das Berufungsgericht hat den Teilbereich des Handels mit Kraftfahrzeugen als den wesentlichen Teil des Unternehmens des früheren Autohauses R. gewertet und die Übernahme des Werkstattbetriebs und der früheren Mitarbeiter durch die „R. Service GmbH“ für nicht von ausschlaggebender Bedeutung gehalten. Dies begegnet aus revisionsrechtlicher Sicht keinen Bedenken.

[21]  Selbst wenn man – entsprechend der dahin gehenden Rüge der Revision – für das Revisionsverfahren unterstellte, die Erlöse aus dem Werkstattbetrieb der „J. Auto- und Servicehaus GmbH“ seien höher gewesen als diejenigen aus dem Autohandel, ergäbe sich keine abweichende Beurteilung. Der den Schwerpunkt eines Unternehmens bildende wesentliche Kern ist der Tätigkeitsbereich, mit dem das Unternehmen nach außen in Erscheinung tritt (vgl. OLG Koblenz NJW-RR 2006, 408). Die Vorgängerin der Beklagten betrieb ein Autohaus für bestimmte Automarken, also aus der maßgeblichen Sicht der beteiligten Verkehrskreise im Wesentlichen den Geschäftsgegenstand des Handels mit Kraftfahrzeugen. Demgegenüber tritt der Geschäftsbereich eines Werkstattbetriebs in dem äußeren Erscheinungsbild eines Autohauses dahinter gewöhnlich zurück und ist nicht der vordergründige Gegenstand eines Autohauses, selbst wenn durch den Werkstattbetrieb höhere Umsätze und Erlöse als durch den Autohandel erzielt werden sollten.

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