KG: Kein Anspruch der Gesellschafter einer insolventen KG gegen den Insolvenzverwalter auf Erstellung von Jahresabschlüssen

02.10.2009

InsO § 155; KO § 82; AO §§ 34, 179 ff.; HGB §§ 264, 264a

Kein Anspruch der Gesellschafter einer insolventen KG gegen den Insolvenzverwalter auf Erstellung von Jahresabschlüssen

KG, Urt. v. 30. 4. 2009 – 23 U 206/08

Leitsatz des Gerichts:

Weder dem Komplementär noch dem Kommanditisten der Gemeinschuldnerin steht – zur Durchführung der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung gem. §§ 179 ff. AO – gegen den Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter ein Anspruch auf Erstellung und Vorlage von Jahresabschlüssen zu.

Gründe:

I. Der Beklagte ist der Konkursverwalter über das Vermögen einer KG in Liquidation (im Folgenden: Gemeinschuldnerin), deren KomZIP Heft 38/2009, Seite 1825plementär die Klägerin zu 1) und deren Kommanditisten die Kläger zu 2) und 3) sind. Die Kläger begehren die Erstellung und Vorlage von Jahresabschlüssen, Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Bilanzen für die Jahre 1997 bis 2005 betreffend die Gemeinschuldnerin.

Mit dem am 28. April 2008 verkündeten Urteil hat das LG den Beklagten verurteilt, die Jahresabschlüsse, die Gewinn- und Verlustrechnungen sowie die Bilanzen für die Jahre 1997 – 2005 betreffend die Gemeinschuldnerin zu erstellen und den Klägern vorzulegen.

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil.

II. 1. Die Berufung des Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

2. Die Berufung ist erfolgreich, weil die Kläger gegen den Beklagten als Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin keinen Anspruch auf Erstellung und Vorlage der o.g. Jahresabschlüsse gem. § 82 KO haben. Auf die Bestimmungen der §§ 264 f. HGB kann – entgegen der Auffassung des LG – ein solcher Anspruch nicht gestützt werden; auch sonst besteht für einen solchen Anspruch keine Grundlage.

a) Da der Konkurseröffnungsantrag vor dem 1. Januar 1999 gestellt wurde, finden die Bestimmungen der KO Anwendung (Art. 103 EGInsO; vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., 2007, Rz. 1.02).

b) Zwar ist gem. § 82 KO der Verwalter für die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten allen Beteiligten verantwortlich. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Konkursverwalter dem Gemeinschuldner gegenüber gem. § 82 KO verpflichtet, während des Konkurses für die ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen Buchführungspflichten zu sorgen (BGH, Urt. v. 29.5.1979 – VI ZR 104/78, BGHZ 74, 316 = ZIP 1980, 25 (m. Anm. Kilger)). Die Verpflichtung des Konkursverwalters zur Erfüllung der steuerlichen Buchführungspflichten findet ihre Rechtfertigung darin, dass der Gemeinschuldner die benötigten Unterlagen entbehren muss, sobald der Konkursverwalter sein Amt übernimmt, und bei nicht ordnungsgemäßer Führung der Bücher nach steuerlichen Gesichtspunkten durch den Konkursverwalter die steuerlichen Nachteile den Gemeinschuldner treffen (BGH, Urt. v. 29.5.1979 – VI ZR 104/78, BGHZ 74, 316 = ZIP 1980, 25). Obwohl die KO – anders als nunmehr § 155 InsO – keine Norm zur externen handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegung enthielt, hatte sich für den gewerblichen Konkurs in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung durchgesetzt, dass dem Verwalter neben der konkursrechtlichen Rechnungslegung auch die allgemeinen handels- und steuerrechtlichen Pflichten obliegen (Graf-Schlicker/Breitenbücher, InsO, 2007, § 155 Rz. 1 m.w.N.). Der Insolvenzverwalter hat nach § 155 Abs. 1 InsO zwei verschiedene Rechenwerke mit unterschiedlicher Zweckrichtung zu erstellen (Graf-Schlicker/Breitenbücher, a.a.O., § 155 Rz. 2); nichts anderes kann für den Konkursverwalter gelten, weil § 155 Abs. 1 InsO lediglich eine bestätigende Klarstellung gegenüber der früheren Rechtslage enthält (Begründung RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 172; Graf-Schlicker/Breitenbücher, a.a.O., § 155 Rz. 1 f.). § 155 InsO hat bezogen auf die sich schon aus § 34 Abs. 3 AO ergebenden Pflichten des Verwalters nur bekräftigenden Charakter (Graf-Schlicker/Breitenbücher, a.a.O., § 155 Rz. 3 m.w.N.).

Allerdings hat der Konkurs-/Insolvenzverwalter nur diejenigen steuerlichen Pflichten zu erfüllen, die ohne Eröffnung des Konkurs-/Insolvenzverfahrens dem Schuldner (Hervorhebung des Gerichts) obliegen würden. Die steuerlichen Pflichten reichen nur so weit, wie die Verwaltung des Vermögens reicht (Graf-Schlicker/Breitenbücher, a.a.O., § 155 Rz. 3; siehe auch KG, Beschl. v. 3.6.1997 – 1 W 8260/95, ZIP 1997, 1511, 1512, dazu EWiR 1997, 755 (Pink)). So gehört insbesondere in der Insolvenz über das Vermögen einer Personengesellschaft die Durchführung der einheitlichen Gewinnfeststellung nach den §§ 179 ff. AO – um die es im vorliegenden Fall ausweislich der Klageschrift geht – zu den insolvenzfreien Angelegenheiten, da die Folgen der Gewinnfeststellung nicht den Vermögensbereich des Gemeinschuldners, sondern die Gesellschafter persönlich berühren (BFH, Urt. v. 23.8.1994 – VII R 143/92, ZIP 1994, 1969, dazu EWiR 1995, 165 (Braun); Graf-Schlicker/Breitenbücher, a.a.O., § 155 Rz. 3). Nicht nachvollziehbar ist, dass die Kläger in ihrer Stellungnahme vom 7. April 2009 zu dem Ladungshinweis lapidar vortragen, es gehe nicht um die Durchführung der einheitlichen Gewinnfeststellung nach den §§ 179 f. AO, „sondern um die Bilanz der Schuldnerin“.

Nichts anderes ergibt sich aus der Rechtsprechung des BGH, wonach auch die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin der als GmbH & Co. KG verfassten Gemeinschuldnerin am Konkursverfahren beteiligt ist (BGH, Urt. v. 22.1.1985 – VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, dazu EWiR 1985, 313 (Kübler)); diese Entscheidung befasst sich mit der Frage, wer Beteiligte i.S.d. § 82 KO sind, nicht aber mit dem Umfang der Pflichten des Verwalters.

c) Die Kläger können ihren Anspruch nicht auf die Bestimmungen der §§ 124, 132, 86 KO stützen, weil die dort geregelte Rechnungslegungspflicht des Verwalters ausschließlich den Zweck hat, die Geschäftsführung und Konkursabwicklung des Verwalters richtig darzustellen und eine ordnungsgemäße Überprüfung durch das Gericht und die Gläubiger zu ermöglichen (Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., 1994, § 86 Rz. 1).

d) Den Klägern zu 2) und 3) steht als Kommanditisten zwar ein – auch nach Konkurs- bzw. Insolvenzeröffnung nicht erlöschendes – Informationsrecht gem. § 166 HGB zu. Dieses umfasst aber nur die Buchführung, so wie sie in der KG vorhanden ist (MünchKomm-Grunewald, HGB, 2. Aufl., 2007, § 166 Rz. 8; OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.9.2006 – 3 W 122/06, ZIP 2006, 2047, 2048). Es ist auf die Kontrolle des Rechnungsabschlusses beschränkt (Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., 2007, § 166 Rz. 8). Die Kommanditisten haben keinen eigenen Anspruch auf Rechnungslegung, weder gegenüber dem Komplementär noch gegenüber der KG (Grunewald, a.a.O., § 166 Rz. 8). Das außerordentliche Informationsrecht nach § 166 Abs. 3 HGB – auf das die Kläger sich berufen – kann ohnehin nicht vor dem Prozessgericht, sondern nur nach § 145 FGG geltend gemacht werden.

e) Die Kläger zu 2) und 3) können ihren Anspruch auch nicht erfolgreich im Wege der actio pro socio geltend machen. Denn wenn sich ein bestimmter Informationsanspruch nicht aus dem Mitgliedschaftsrecht des Kommanditisten herleiten lässt, kann der Kommanditist auch nicht auf dem Wege über die actio pro socio verlangen, dass die Information der Gesell-ZIP Heft 38/2009, Seite 1826schaft erteilt wird (BGH, Urt. v. 23.3.1992 – II ZR 128/91, ZIP 1992, 758 = NJW 1992, 1890, dazu EWiR 1992, 575 (Westermann)).

f) Die §§ 264 f. HGB, auf die das LG den Anspruch der Kläger gestützt hat, regeln nicht das Verhältnis des Konkurs-/Insolvenzverwalters zu dem Gemeinschuldner bzw. dessen Gesellschaftern. Die Pflichten des Konkursverwalters gegenüber den Beteiligten sind in der Vorschrift des § 82 KO abschließend geregelt, die des Gemeinschuldners gegenüber dem Verwalter in § 100 KO. Die §§ 238 ff. HGB – und damit auch § 242 HGB, auf den die Kläger ihren Anspruch ausdrücklich stützen – sind dogmatisch dem öffentlichen Recht zuzuordnen; sie verfolgen den (überindividuellen) Zweck des institutionellen Gläubigerschutzes und der Unterrichtung der Allgemeinheit; sie stellen keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB dar (Hüffer, in: Großkomm. z. HGB, 3. Bd., 1. Teilbd., 4. Aufl., 2002, § 238 Rz. 2, 4).

<einsender></einsender>Mitgeteilt von Richter am AG Prof. Dr. Rüdiger Ernst, z. Zt. Richter am KG, Berlin</einsender><//einsender><hinweis></hinweis>

Anmerkung der Redaktion:

Die Revision ist anhängig beim BGH unter dem Az. IX ZR 121/09.

</hinweis><//hinweis>

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2024 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell