KG: Zu den Ausgleichsansprüchen des Aussonderungsberechtigten bei Anordnung einer Nutzungsbefugnis zur Fortführung des Schuldnerunternehmens

14.01.2009

InsO § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, § 55 Abs. 2, § 169 Satz 2;
BGB § 535 Abs. 2

Zu den Ausgleichsansprüchen des Aussonderungsberechtigten
bei Anordnung einer Nutzungsbefugnis zur Fortführung des Schuldnerunternehmens


KG, Urt. v. 11. 12. 2008 - 23 U 115/08 (nicht rechtskräftig; LG Berlin)


Leitsätze des Gerichts:


1. Hat das Insolvenzgericht gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
InsO angeordnet, dass ein Vermieter die im Besitz des
Schuldners befindliche Mietsache nicht einziehen darf
und diese zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners
eingesetzt werden kann, steht dem Vermieter in den
ersten drei Monaten nach der Anordnung kein Nutzungsentgelt
("Zinsen") i. S. v. § 169 Satz 2 InsO zu.

2. Für eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 2 Satz 2
InsO ist wegen des abschließenden Charakters der § 21
Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, § 169 Satz 2 InsO kein Raum.

3. Die Bestimmungen der § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, § 169
Satz 2 InsO enthalten eine zulässige Regelung von Inhalt
und Schranken des Eigentums bei der Gebrauchsüberlassung
an Dritte (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG).

4. Der Anspruch des Vermieters auf Zahlung der Miete
nach § 535 Abs. 2 BGB ist ebenso wie sein Anspruch auf
Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB eine Insolvenzforderung
gem. § 87 InsO.


Gründe:


I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung von Mietzins
bzw. einer finanziellen Kompensation in Höhe des vereinbarten
Mietzinses für die Nutzung von Baumaschinen.

Die Klägerin vermietet Baumaschinen und -geräte, seit Jahren auch
an die Schuldnerin. Der Beklagte wurde am 26. Juli 2007 zum vorl
äufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt.
Zu diesem Zeitpunkt befanden sich Maschinen der Klägerin
im Besitz der Schuldnerin. Mit Schreiben vom 31. Juli 2007 kündigte
die Klägerin die Mietverträge zum 1. August 2007. Mit Schreiben
vom 1. August 2007 wies der Beklagte das Verlangen der Klägerin,
die Maschinen an sie herauszugeben, zurück. Er zahlte für die Zeit
der Nutzung der Maschinen während des Eröffnungsverfahrens einen
Wertverlustausgleich in Höhe von täglich 736,50 . (insgesamt
50.927,33 .) an die Klägerin. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
am 1. Oktober 2007 gab er die Maschinen an die Klägerin
heraus.

Die Klägerin hat mit der Klage beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
an sie 126.751,18 . nebst Zinsen zu zahlen.

Mit dem am 28. April 2008 verkündeten Urteil hat das LG den Beklagten
verurteilt, an die Klägerin 123.237,86 . nebst Zinsen zu zahlen,
und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Klägerin stehe dieser
Betrag als Masseforderung zu. Eine analoge Anwendung des § 55
Abs. 2 Satz 2 InsO sei geboten. Das Insolvenzgericht habe den nicht
mit einem allgemeinen Verfügungsverbot ausgestatteten vorläufigen
Insolvenzverwalter im Einzelfall ermächtigt, Masseverbindlichkeiten
zu begründen. Mit seiner an die Klägerin gerichteten Untersagung
vom 1. August 2007, die Mietgegenstände abzuholen und in Besitz
zu nehmen, habe der Beklagte von dieser Ermächtigung Gebrauch
gemacht. Mit der Anmeldung ihrer streitgegenständlichen Mietzinsanspr
üche zur Insolvenztabelle habe die Klägerin nicht auf deren
Geltendmachung als Masseforderung verzichtet. Die vor dem 1. August
2007 entstandenen Mietzinsforderungen seien als Insolvenzforderungen
zu behandeln, die Klageforderung um die entsprechenden
Teilbeträge zu kürzen.

II. 1. Die Berufung des Beklagten ist statthaft und zulässig.

2. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Nach § 513 ZPO kann die
Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung
auf einer Rechtsverletzung gem. § 546 ZPO beruht oder nach
§ 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung
rechtfertigen. Beide Berufungsgründe greifen hier
durch. Das angefochtene Urteil muss abgeändert und die
Klage abgewiesen werden.

a) Soweit die Klägerin die Zahlung des eingeklagten Betrags
als vereinbarte Miete für die Baumaschinen gem. § 535 Abs. 2
BGB oder als Entschädigung gem. § 546a Abs.1 BGB begehrt,
ist die Klage unzulässig. Die Miet(zins)forderung ist ebenso
wenig wie die Entschädigungsforderung nach § 546a Abs.1
BGB eine Masseforderung i. S. d. §§ 53 ff. InsO, sondern eine
nur nach den Vorschriften des Insolvenzverfahrens geltend zu
machende Insolvenzforderung gem. § 87 InsO (vgl. auch
BGH, Urt. v. 24.1. 2008 - IX ZR 201/06, ZIP 2008, 608 =
ZVI 2008, 208 = NJW 2008, 1442 f., dazu EWiR 2008, 309
(Eckert)). Die erst nach der - durch Beschluss vom 1. Oktober
2007 erfolgten - Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 23.
November 2007 erhobene Klage ist insoweit als unzulässig abzuweisen
(vgl. statt aller MünchKomm-Breuer, InsO, Bd.1,
2007, § 87 Rz.17). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus
der von der Klägerin herangezogenen amtlichen Begründung
der Bundesregierung zum Entwurf des Gesetzes zur Vereinfachung
des Insolvenzrechts vom 13. April 2007 (BT-Drucks.
16/3227, S.16 li.Sp.), wonach die Aussonderungsberechtigten,
wie etwa der Leasinggeber, im Eröffnungsverfahren auch bei
einer Beschränkung ihrer Rechte weiterhin die ursprünglich
vorgesehene Gegenleistung für die Nutzung beanspruchen
können. Aus dem Zusammenhang der Gesetzesbegründung
wird deutlich, dass es sich um eine missverständliche Formulierung
handelt. Der Gesetzgeber wollte nicht die vertraglich
vereinbarte Gegenleistung zur Masseforderung erheben; andernfalls
ergäbe die Verweisung in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
Satz 1 InsO auf § 169 Satz 2 und 3 InsO im Regelfall keinen
Sinn.

b) Soweit die Klägerin die Zahlung des eingeklagten Betrags
als Masseforderung begehrt, ist die Klage unbegründet. Die
Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung
eines als Masseforderung i. S. d. §§ 53 ff. InsO geltend zu
machenden Nutzungsentgelts oder (weiteren) Wertverlustausgleichs.

aa) Die eingeklagten Ansprüche sind - wie das LG mit Recht
angenommen hat - nicht aufgrund einer unmittelbaren Anwendung
des § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO Masseverbindlichkeiten.
Den zutreffenden Ausführungen des LG ist nichts hinzuzufü-
gen (siehe auch Büchler, ZInsO 2008, 719, 721 in seiner Anmerkung
zu dem erstinstanzlichen Urteil).

bb) Entgegen der Auffassung des LG scheidet aber auch eine
analoge Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO im vorliegenden
Fall aus.

Eine Analogie setzt nach gesicherter Rechtsauffassung voraus,
dass das Gesetz eine Regelungslücke enthält und der zu beurteilende
Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem
Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat,
dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer
Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen
Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen
Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis
gekommen (BGH, Urt. v. 14.12. 2006 - IX ZR 92/05,
BGHZ 170, 187 = ZIP 2007, 352 = ZVI 2007, 306, m.w.N.,
dazu EWiR 2007, 171 (Ahrens) - in st. Rspr.).

An einer solchen planwidrigen Lücke fehlt es im vorliegenden
Fall der insolvenzgerichtlichen Anordnung, dass Gegenstände,
deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger
nicht eingezogen werden dürfen und zur Fortführung des Unternehmens
des Schuldners eingesetzt werden können, soweit
sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind. Denn der Gesetzgeber
hat mit der durch Art.1 Nr. 6 des Gesetzes zur Vereinfachung
des Insolvenzrechts vom 13. April 2007 (BGBl I 509)
eingeführten Bestimmung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO
eine abschließende, gegenüber § 55 Abs. 2 InsO speziellere Regelung
getroffen, indem er zum einen die entsprechende Geltung
des § 169 Satz 2 InsO angeordnet (Nr. 5 Satz 1, 2. Teilsatz)
und zum anderen einen Anspruch auf Wertverlustausgleich
geschaffen (Nr. 5 Satz 1, 3. Teilsatz und Satz 2) hat.

Zwar wird in der Literatur die Einbeziehung des Aussonderungsberechtigten
in die Regelung der § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
Satz 1, § 169 InsO als sprachlich und gesetzestechnisch nicht
gelungen sowie als unklar kritisiert; es erscheine zweifelhaft,
wie die entsprechende Anwendung der Sätze 2 und 3 des
§ 169 InsO auf die vom Schuldner dem Aussonderungsberechtigten
zu zahlende Gegenleistung für die Einräumung
der Nutzungsbefugnis vor sich gehen solle (Ganter, NZI 2007,
549, 553; Kirchhof, ZInsO 2007, 227, 230). Im Ergebnis besteht
jedoch Einigkeit darin, dass als Ausgleich für die Einräumung
der Nutzungsbefugnis ein laufendes Nutzungsentgelt - etwa
in Form einer Miete - zu entrichten ist, wobei diese Verpflichtung
- wie bei Gegenständen mit Absonderungsrechten - spä-
testens drei Monate nach der insolvenzgerichtlichen Anordnung
beginnt (Ganter, NZI 2007, 549, 553; MünchKomm-
Haarmeyer, InsO, Bd.1, 2007, § 21 Rz.101; Kirchhof, in: HKInsO,
5. Aufl., 2008, § 21 Rz. 35; HambKomm-InsO/Schröder,
2. Aufl., 2007, § 21 Rz. 69e; HambKomm-InsO/Büchler,
2. Aufl., 2007, § 169 Rz. 7a; Büchler, ZInsO 2007, 719, 720;
Voß, in: Graf-Schlicker, InsO, 2007, § 21 Rz. 25). Der Anspruch
auf das Nutzungsentgelt entsteht aufgrund besonderer
Anordnung gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO als Masseforderung
im Rang des § 55 InsO (Voß, a. a.O., § 21 Rz. 25;
HambKomm-InsO/Schröder, a. a.O., § 21 Rz. 69e; Büchler,
ZInsO 2008, 719, 720; Kirchhof, a. a.O., § 21 Rz. 31). Wurde
das Aussonderungsgut dem Schuldner aufgrund eines Nutzungsvertrags
überlassen (z. B. Miete), ist für die Höhe der
"Zinsen" i. S. d. § 169 Satz 2 InsO das vereinbarte Nutzungsentgelt
maßgelblich (HambKomm-InsO/Büchler, a. a. O.,
§ 169 Rz. 7a; Büchler, ZInsO 2007, 719, 720).

Ob neben dem Absonderungsberechtigten auch dem Aussonderungsberechtigten
ein als Masseforderung geltend zu machender
Wertersatzanspruch nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
InsO zusteht, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet
(bejahend, jedenfalls bei Nutzung von Mietgegenständen
für die ersten drei Monate nach Anordnung: Büchler, ZInsO
2007, 719, 720; verneinend: HambKomm-InsO/Schröder,
a. a.O., § 21 Rz. 69e) und kann auch hier offenbleiben.

Denn bereits die detaillierte, vom Gesetzgeber speziell geschaffene
Regelung der Nutzungsentgeltansprüche des von einer
insolvenzgerichtlichen Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1
Nr. 5 Satz 1, 1. Halbsatz InsO betroffenen Aussonderungsberechtigten
steht jedenfalls der Annahme einer planwidrigen
gesetzgeberischen Lücke, die durch eine analoge Anwendung
des § 55 Abs. 2 InsO zu schließen wäre, entgegen (vgl. auch
BGH ZIP 2008, 608 = ZVI 2008, 208 = NJW 2008, 1442 f.,
im Anschluss an BGH, Urt. v. 18. 7. 2002 - IX ZR 195/01,
BGHZ 151, 353 = ZIP 2002, 1625 (m. Bespr. Prütting/Stickelbrock,
S.1608) = ZVI 2002, 250, dazu EWiR 2002, 919
(Spliedt)).

Dass das Insolvenzgericht im vorliegenden Fall die gesetzliche
Vorschrift des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO unter Weglassung
des Satzteils "§ 169 Satz 2 und 3 gilt entsprechend" in seinen
Beschluss aufgenommen hat, führt zu keinem anderen Ergebnis.
Denn nach zutreffender Ansicht liegt die Anordnung der
Zahlungspflicht nicht im Ermessen des Insolvenzgerichts, sondern
ist zwingende Rechtsfolge der Anordnung nach § 21
Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO. Die Zahlungsverpflichtung nach
§ 169 Satz 2 InsO stellt eine Mindestentschädigung des Gläubigers
dar, die das Insolvenzgericht nicht ausschließen kann
(Büchler, ZInsO 2008, 719, 720).

cc) Die Klägerin hat keinen Anspruch gem. § 21 Abs. 2 Satz 1
Nr. 5 i. V.m. § 169 Satz 2 InsO auf Zahlung eines Nutzungsentgelts
in Höhe der zwischen ihr und der Schuldnerin vereinbarten
Miete. Denn das von der Klägerin begehrte Nutzungsentgelt
ist nicht als Masseforderung entstanden, weil es ausschlie
ßlich für den Zeitraum der ersten drei Monate nach der
insolvenzgerichtlichen Anordnung vom 26. Juli 2007 geltend
gemacht wird, nämlich (in der Berufungsinstanz nur noch) für
die Zeit vom 1. August 2007 bis zum 30. September 2007.
dd) Die Regelung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO in ihrer -
wie hier erfolgten - als abschließend und gegenüber § 55
Abs. 2 InsO spezieller zu verstehenden Auslegung ist mit
Art.14 Abs.1 GG vereinbar.

Zwar sind in der Literatur vereinzelt verfassungsrechtliche Bedenken
gegen diese Ausdehnung des Verwertungsverbots auf
die aussonderungsberechtigten Gläubiger vorgebracht worden
(Ganter,NZI 2007, 549, 553; Schmerbach/Wegener, ZInsO 2006,
400, 404). Die Vorschrift eröffne die Möglichkeit einer kalten
temporären Enteignung (Pape,NZI 2007, 425, 430).

Diese Bedenken hält der Senat insbesondere im Hinblick auf
die vom BGH bejahte Verfassungsmäßigkeit der Kündigungssperre
in § 112 InsO und die dazu entwickelten Maßstäbe
(BGH, Urt. v. 18. 7. 2002 - IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 =
ZIP 2002, 1625 = ZVI 2002, 250), die bei aller Unterschiedlichkeit
des § 112 InsO einerseits und § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
InsO andererseits wegen des vergleichbaren Regelungskerns
doch auch auf die letztgenannte Vorschrift anzuwenden sind,
im Ergebnis nicht für durchgreifend. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
InsO beruht auf dem Gedanken, dem vorläufigen Insolvenzverwalter
die Möglichkeit einzuräumen, Gegenstände, an denen
ein Sicherungs- oder Aussonderungsrecht besteht, für die
Insolvenzmasse zu nutzen, soweit dies für die Betriebsfortführung
notwendig ist. Sie dient der Absicht der InsO, das dem
unternehmerischen Zweck gewidmete materielle Substrat als
wirtschaftlichen Verbund vorläufig zusammenzuhalten (amtliche
Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Gesetzes,
BT-Drucks. 16/3227, S.15, sowie Stellungnahme des Bundesrats,
a. a.O., S. 23). Im Ergebnis erhält damit die Gläubigergemeinschaft
einen Zeitraum, in dem die Fortführungswürdigkeit
des schuldnerischen Unternehmens geprüft werden kann
(BGHZ 151, 353 = ZIP 2002, 1625 = ZVI 2002, 250 zu § 112
InsO). Für die Dauer von drei Monaten kann diese Regelung
zu einem begrenzten Forderungsausfall des Vermieters führen.

Mit diesem Inhalt ist § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO eine zulässige
Regelung von Inhalt und Schranken des Eigentums bei
der Gebrauchsüberlassung an Dritte (Art.14 Abs.1 Satz 2
GG). Diese Regelung ist eine Folge davon, dass der zuvor vom
Vermieter selbst ausgewählte Vertragspartner, mit dem er einen
Vertrag zu von ihm selbst mitbestimmten Bedingungen -
etwa ohne eine Kaution für zu überlassende Sachen zu verlangen
- geschlossen hat, insolvent wird. Die rechtliche Abwicklung
dieser Insolvenz dient den Interessen aller betroffenen
Gläubiger des Schuldners; die geregelte Abwicklung einer Insolvenz,
die viele Gläubiger hart oder sogar in existenzbedrohender
Weise treffen kann, dient mittelbar zugleich dem
Wohl der Allgemeinheit (BGHZ 151, 353 = ZIP 2002, 1625 =
ZVI 2002, 250). Die Sicherungsmaßnahme des § 21 Abs. 2
Satz 1 Nr. 5 InsO ist in der Insolvenz des Mieters geeignet
und erforderlich, um eine günstige, gerechte und ausgewogene
Abwicklung dieser Insolvenz zu verwirklichen. Der neu eingesetzte
vorläufige Verwalter benötigt regelmäßig einen gewissen
Zeitraum, um die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des
Schuldners sowie die Bedeutung auch der einzelnen Gegenst
ände, die möglicherweise mit Aussonderungsrechten belastet
sind, dafür zu erfassen. Er benötigt diese Zeit insbesondere zur
Prüfung, ob eine Fortführung in Betracht kommt oder ausgeschlossen
ist, ob Ersatz für gemietete und vom Vermieter
zurückverlangte, aber betriebswesentliche Maschinen und
sonstige Sachen zu angemessenen Bedingungen beschafft werden
kann oder nicht. Während der Prüfungszeit muss grunds
ätzlich der vorgefundene Verbund des Schuldnervermögens
erhalten bleiben. Der durch § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO
mögliche, zeitlich eng begrenzte Eingriff in die Rechte von
Vermietern ist nicht unverhältnismäßig. Zum Schutz der übrigen,
ungesicherten Gläubiger ist es vertretbar, dass § 21 Abs. 2
Satz 1 Nr. 5 i.V.m § 169 Satz 2 InsO die Verpflichtung zur
Zahlung eines Nutzungsentgelts erst nach Ablauf dreier Monate
nach Anordnung der Sicherungsmaßnahme vorsieht.

Das Bemühen des Gesetzgebers, die Befriedigungsaussichten
ungesicherter Insolvenzgläubiger zu verbessern (§ 1 Satz 1
InsO), kommt letztlich anteilig auch wieder Vermietern zugute,
soweit diese mit Ansprüchen auf Nutzungsentschädigung
vor der Insolvenzeröffnung ausgefallen sind (BGHZ 151, 353
= ZIP 2002, 1625 = ZVI 2002, 250).

ee) Das Insolvenzgericht hat im vorliegenden Fall den vorläufigen
Insolvenzverwalter auch nicht etwa - in Übereinstimmung
mit der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 151, 353 =
ZIP 2002, 1625 = ZVI 2002, 250) - zur Eingehung von Masseverbindlichkeiten
im Einzelfall ermächtigt. Das Insolvenzgericht
hat seine Anordnung ausdrücklich auf die Bestimmung
des § 21 Abs. 2 [Satz 1] Nr. 5 InsO gestützt. Dass es darüber
hinaus eine weitere, einzelfallbezogene Ermächtigung erteilen
wollte, ist nicht ersichtlich, zumal nach der Rechtsprechung
des BGH dafür eine pauschale Ermächtigung nicht ausreicht,
sondern das Insolvenzgericht einzelne, im Voraus genau festgelegte
Verpflichtungen zu Lasten der späteren Insolvenzmasse
benennen muss (BGHZ 151, 353 = ZIP 2002, 1625 =
ZVI 2002, 250). Dafür gibt der Beschluss vom 26. Juli 2007
nichts her.

ff) Unbegründet ist die Klageforderung auch, soweit mit ihr
die Zahlung eines (weiteren) Wertersatzanspruchs geltend gemacht
wird. Dabei kann auch hier dahinstehen, ob (neben
dem Absonderungsberechtigten auch) dem Aussonderungsberechtigten
ein als Masseforderung geltend zu machender
Wertersatzanspruch nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO zusteht
(oben b bb). Denn die Klägerin hat nicht substanziiert
dazu vorgetragen, welchen Wertverlust die Baumaschinen
zwischen dem 26. Juli bzw. 1. August 2007 und der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens am 1. Oktober 2007 erlitten haben. Jedenfalls
ist nichts dafür ersichtlich, dass der Wertverlust die
vom Beklagten gezahlte Summe von täglich 736,50 . (insgesamt
50.927,33 .) überstiege.

3. Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit

4. Die Revision ist gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Revision
der Fortbildung des Rechts dient. Denn die hier entscheidungserheblichen
Auslegungsfragen zu der Vorschrift des § 21
Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO werden in der Literatur kontrovers
diskutiert, und es gibt dazu bislang keine höchstrichterliche
Rechtsprechung; die Vorschrift war insbesondere auch nicht
Gegenstand des Urteils des BGH vom 24. Januar 2008 (IX ZR
201/06, ZIP 2008, 608 = ZVI 2008, 208 = NJW2008, 1442 f.,
dazu EWiR 2008, 309 (H.-G. Eckert)).

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