KG: Zur Begründung von Bewertungsrügen im Spruchverfahren

14.09.2009

SpruchG § 4 Abs. 2, § 7 Abs. 3; AktG §§ 327a ff.

Zur Begründung von Bewertungsrügen im Spruchverfahren

KG, Beschl. v. 31. 7. 2009 – 2 W 255/08

Leitsatz des Gerichts:

Erhöht der ausgleichspflichtige Mehrheitsaktionär im Beschlussanfechtungsprozess im Vergleichswege die Barabfindung, so lässt dies im Spruchverfahren das Erfordernis einer konkreten Bewertungsrüge gem. § 4 Abs. 2 SpruchG nicht entfallen. Vielmehr steigt im Gegenteil durch die Erhöhung die Begründungslast des Antragstel-ZIP Heft 36/2009, Seite 1715lers; ihm obliegt es dann konkret darzulegen, wieso selbst der erhöhte Betrag unangemessen sein soll.

Gründe:

A. Mit der sofortigen Beschwerde wendet die Antragstellerin sich dagegen, dass der von ihr gestellte Antrag auf gerichtliche Festsetzung einer angemessenen Barabfindung aufgrund des am 1./2. März 2006 von der Hauptversammlung der V. AG beschlossenen Ausschlusses der Minderheitsaktionäre mit der Antragsgegnerin als unzulässig zurückgewiesen wurde.

Die Antragstellerin hat mit am 21. Juli 2008 bei Gericht eingegangenem Antrag geltend gemacht, sie sei ehemalige Aktionärin der V. AG. Hierzu hat sie eine schriftliche Bescheinigung der Bank vom 26. April 2008 eingereicht, aus der sich ergibt, dass sie Ausgleichszahlungen aufgrund des auf die V. AG bezogenen Squeeze out erhalten hat. Aus einer weiteren Bescheinigung jener Bank vom 7. August 2008 geht hervor, dass sie vom 1. Januar bis zum 28. April 2008 Aktionärin der V. AG war. Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, die im Beschlussanfechtungsprozess vor dem KG (23 U 14/07) im Wege eines Vergleichs festgelegte Barabfindung von 57 € pro Inhaber-Stückaktie sei unangemessen. Dabei hat sie sich darauf berufen, dass die in § 7 Abs. 3 SpruchG genannten Unterlagen nur für die ursprünglich vorgesehene Barabfindung von 38,24 € vorlägen, nicht jedoch für die im Rahmen der Hauptversammlung beschlossene Abfindung von 42,60 € oder für die tatsächlich geleistete Abfindung von 57 €. Eine fundierte Antragsbegründung auf der Basis der von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen sei der Antragstellerin nicht möglich.

Das LG hat die Antragstellerin mit Verfügung vom 19. August 2008 darauf hingewiesen, dass der Antrag als unzulässig zu verwerfen sein dürfte, da er innerhalb der Antragsfrist nicht hinreichend begründet worden sei. Die Antragstellerin hat daraufhin ausgeführt, dass es keinen Unterschied mache, ob die Unterlagen nach § 327c Abs. 2 AktG völlig oder – wie hier – teils fehlten. Solange die Antragsgegnerin keine Berechnungen zur Verfügung gestellt habe, sei eine den Vergleich berücksichtigende Antragsbegründung nicht möglich.

Die Antragstellerin hat beantragt, eine angemessene Barabfindung zu bestimmen. Das LG hat den Antrag mit Beschluss vom 27. Oktober 2008 zurückgewiesen, da der Antrag den Anforderungen an die Begründung der Bewertungsrüge nicht gerecht werde. Gegen den Beschluss hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt.

B. I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Das KG ist als das zuständige OLG gem. § 12 Abs. 2 Satz 1 SpruchG zur Entscheidung berufen.

II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Der Antrag der Antragstellerin ist unzulässig.

1. Die von der Antragstellerin gegebene Antragsbegründung genügt, wie das LG zutreffend und mit eingehender Begründung ausgeführt hat, nicht den gesetzlichen Anforderungen. Diese sind, wie der Senat bereits in einer anderen Sache ausgeführt hat (NZG 2008, 469, 470), streng. Das Begründungserfordernis des § 4 Abs. 2 SpruchG ist durch das Spruchverfahrens-Neuordnungsgesetz von 2003 deshalb eingeführt worden, um das Spruchverfahren wesentlich zu beschleunigen (Regierungsbegründung BT-Drucks. 15/371, S. 13). Die seitdem erforderliche konkrete Bewertungsrüge gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SpruchG ist hierfür von zentraler Bedeutung (Hüffer, AktG, 8. Aufl., 2008, Anhang § 305, § 4 SpruchG Rz. 8; Leuering, in: Simon, SpruchG, 2007, § 4 Rz. 34). Durch dieses Erfordernis soll vermieden werden, dass mit pauschalen und unspezifischen Rügen ein aufwendiges Spruchverfahren in Gang gesetzt werden kann. Der Gesetzgeber hat es bewusst der Rechtsprechung überlassen, die zumutbaren Mindestanforderungen zu konkretisieren (Regierungsbegründung BT-Drucks. 15/371, S. 13).

Die Anforderungen an die konkrete Bewertungsrüge sind im Hinblick auf die genannte gesetzgeberische Zielsetzung generell hoch (so im Erg. auch Wittgens, NZG 2007, 853, 854; s.a. Klöcker/Frowein, SpruchG, 2004, § 4 Rz. 29; Krieger, in: Lutter, UmwG, 3. Aufl., 2004, § 4 SpruchG Rz. 18; Wasmann, WM 2004, 819, 823). So genügt es nicht, wenn einzelne Bewertungsfaktoren lediglich mit formelhaften Wendungen angegriffen werden. Anderenfalls könnte ein Antragsteller auch ohne die gebotene sachliche Auseinandersetzung mit der im konkreten Einzelfall vorgenommenen Bewertung das aufwendige gerichtliche Überprüfungsverfahren in Gang setzen.

Diesen Anforderungen wird die Antragsschrift vom 21. Juli 2008 ebenso wenig gerecht wie die nachfolgenden Schriftsätze der Antragstellerin. Es genügt nicht, wenn die Antragstellerin sich auf den in der Hauptversammlung zugrunde gelegten Barabfindungsbetrag sowie den im Beschlussanfechtungsverfahren geschlossenen Vergleich bezieht und ausführt, sie sehe sich außerstande, ohne weitere Unterlagen konkrete Einwendungen zu erheben. Dabei räumt die Antragstellerin selbst ein, dass zu dem ursprünglich angebotenen Barabfindungsbetrag die erforderlichen Unterlagen vorgelegt worden sind. Ihre Einschätzung, dass diese Unterlagen durch die nachfolgenden Erhöhungen der Barabfindung überholt seien, vermag sie nicht von dem gesetzlichen Begründungserfordernis zu entlasten. Vielmehr bedurfte es ungeachtet der späteren Erhöhungen einer konkreten Darlegung, aus welchen Gründen die ursprünglich vorgesehene und mit Unterlagen belegte Barabfindung unangemessen sein sollte. Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin sich letztlich im Vergleichswege zu einer Zahlung von 57 € pro Aktie bereitgefunden hat, lässt dieses Begründungserfordernis nicht entfallen, sondern konkretisiert im Gegenteil die Grenze der von der Antragstellerin zu begründenden Unangemessenheit: Nachdem die Antragstellerin bereits einen erheblich höheren als den mit den ihr vorliegenden Unterlagen belegten Barabfindungsbetrag erhalten hatte, lag es an ihr, konkret darzulegen, warum selbst dieser Betrag unzureichend sein soll. Hierzu hätte sie die verschiedenen für die Unternehmensbewertung maßgeblichen Parameter überprüfen und ggf. deren Unangemessenheit darlegen müssen. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 SpruchG sind insoweit konkrete Einwendungen gegen den als Grundlage für die Kompensation ermittelten Unternehmenswert zu erheben, als dieser sich aus den in § 7 Abs. 3 SpruchG genannten Unterlagen ergibt. Die Grundlage für entsprechende Angriffe gegen die gezahlte Barabfindung boten auch hier die von der Antragsgegnerin im Vorfeld der Hauptversammlung vorgelegten Unterlagen. Aus dem Übertragungs- und dem Prüfungsbericht gehen die ursprünglichen Planzahlen für 2006 und 2007 hervor, die von der Antragstellerin bereits nicht zur Begründung herangezogen werden. Auf etwaige Einwendungen ihrerseits gegen diese Zahlen bezieht sich die Verweisung auf § 7 Abs. 3 SpruchG ohnehin nicht. Insoweit war es Sache der Antragstellerin, eine ohne Weiteres verfügbare Informationsquelle wie das Internet zu nutzen, um die Ist-Ergebnisse für 2006 und 2007 zu ermit-ZIP Heft 36/2009, Seite 1716teln und diese den Planzahlen in der Antragsbegründung gegenüberzustellen. Auch dann hätte sie zudem noch darlegen müssen, wieso die aus einer Berücksichtigung des Vergleichs folgenden Änderungen so erheblich sein sollen, dass sie die gezahlte Abfindung als unangemessen erscheinen lassen (vgl. dazu Simon, a.a.O., § 4 Rz. 50). Die von der Antragstellerin aufgestellte Behauptung, der im Vergleich vorgesehene Abfindungsbetrag sei nicht angemessen, entbehrt damit jeglicher Begründung.

Vielmehr hat die Antragstellerin genau das getan, was der Gesetzgeber mit der Neufassung von § 4 SpruchG im Jahre 2003 unterbinden wollte: Sie hat, wie sich überdeutlich auch aus der Wendung einer von ihr „empfundenen fehlenden Angemessenheit der Barabfindung“ in ihrem Schriftsatz vom 24. November 2008 ergibt, eine rein subjektive, in keiner Weise der objektiven Überprüfung zugängliche Wahrnehmung zum Anlass genommen, ein Spruchstellenverfahren zu beantragen. Gerade die Belastung mit solchen völlig ins Blaue hinein angestrengten Verfahren soll durch das Begründungserfordernis verhindert werden. Die Antragsbegründung soll es dem Gericht vielmehr ermöglichen, das Verfahren zügig auf die wesentlichen Sach- und Rechtsfragen konzentrieren zu können. Wie das LG in dem angegriffenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, erschiene es überdies widersprüchlich, dann, wenn ein Mehrheitsaktionär den Minderheitsaktionären unter Loslösung von der ursprünglich vorgenommenen Unternehmensbewertung entgegenkommt, auch ohne konkrete Bewertungsrüge eine erneute umfassende Unternehmensbewertung im Spruchstellenverfahren zu ermöglichen, während anderenfalls der genannte strenge Maßstab für die Antragsbegründung gilt.

Offenbar meint die Antragstellerin, auf die Begründung ihres Antrages auch deshalb verzichten zu können, weil ohnehin ein Spruchverfahren durchgeführt werde. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (NZG 2008, 469, 470; zust. OLG München ZIP 2009, 1395 = NZG 2009, 190, 191), bedarf jedoch jeder Antrag der Begründung. Daher spielt es für die Anforderungen an die von der Antragstellerin zu leistende Begründung keine Rolle, ob andere Antragsteller zulässige Anträge gestellt haben.

<einsender></einsender>Mitgeteilt von Prof. Dr. Christian Armbrüster, RiKG, Berlin</einsender><//einsender>

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