KG: Zur Kostentragung nach Rücknahme der Klage des Insolvenzverwalters auf Leistung einer – bereits erfüllten – Stammeinlage

26.11.2009

ZPO § 269 Abs. 3 Satz 3; GmbHG § 5; KV-GKG Nr. 1211

Zur Kostentragung nach Rücknahme der Klage des Insolvenzverwalters auf Leistung einer – bereits erfüllten – Stammeinlage

KG, Beschl. v. 18. 3. 2009 – 2 W 39/09 (rechtskräftig; LG Berlin)

Leitsätze des Gerichts:

1. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO setzt voraus, dass die Klage vor dem Wegfall des Einreichungsanlasses Aussicht auf Erfolg hatte.

2. Soweit § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auf den Fall des Wegfalls des Klageanlasses vor Anhängigkeit anwendbar ist, setzt die Vorschrift voraus, dass den Kläger kein Verschulden daran trifft, dass er die schon vor Klageeinreichung objektiv fehlende Erfolgsaussicht seiner Klage nicht erkannt hat.

3. Klagt ein Insolvenzverwalter gegen einen Gesellschafter der Gemeinschuldnerin auf Erbringung der Stammeinlage und wendet der Beklagte vorprozessual die Erfüllung des Anspruches ein, so ist ein Verschulden i.S.v. Ziffer 2 anzunehmen, wenn der Insolvenzverwalter nicht darlegt und ggf. beweist, dass er in den Geschäftsunterlagen der Gemeinschuldnerin keine Belege für die Erfüllung finden konnte.

4. Ein Verschulden i.S.v. Ziffer 2 ist ferner anzunehmen, wenn es bei dem Handelsregistergericht der Gemeinschuldnerin üblich ist, Belege über die Erbringung von Stammeinlagen zu den Handelsregisterakten zu nehmen, der Insolvenzverwalter am Sitz des Handelsregistergerichts ortsansässig ist und der Insolvenzverwalter in den Handelsregisterakten nach einem Beleg gesucht hat.

5. Eine Ermäßigung der Anzahl der Gerichtsgebühren wegen Klagerücknahme nach Nr. 1211 Nr. 1 KV-GKG a.E. findet nicht statt, wenn eine streitige Entscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ergeht; auf das Ergebnis dieser Entscheidung kommt es dabei nicht an.

Gründe:

I. Der Beklagte ist Gesellschafter einer Gesellschaft, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist (im Folgendem: Gemeinschuldnerin). Er erfüllte den Anspruch der Gemeinschuldnerin auf Leistung einer Stammeinlage i.H. v. 49.435,41 € bei Fälligkeit des Anspruches und lange vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Ein Beleg über die Erbringung der Stammeinlage wurde zur Handelsregisterakte der Gemeinschuldnerin beim AG Charlottenburg (im Folgenden: Handelsregisterakte) genommen. Der Kläger ist zum Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren bestellt. Vorprozessual machte er den – bereits erfüllten – Anspruch auf Leistung der Stammeinlage gegenüber dem Beklagten geltend. Der Beklagte wandte demgegenüber die Erfüllung ein. Der Kläger verlangte daraufhin von dem Beklagten einen Zahlungsnachweis; bei der Einsichtnahme in die Handelsregisterakte übersah der Kläger den dort befindlichen Beleg für die Zahlung des Beklagten. Nachdem der Beklagte dem Kläger keinen Zahlungsnachweis vorlegte, erhob der Kläger Zahlungsklage. Während des Prozesses nahm nunmehr auch der Beklagte Einsicht in die Handelsregisterakte und fand dort den Beleg. Nach dessen Einreichung im Prozess hat der Kläger die Klage zurückgenommen und beantragt, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits gem. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO aufzuerlegen. Dem ist das LG mit Beschluss vom 2. Februar 2009 gefolgt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger seien bei Klageerhebung Nachweise über die Zahlung des Beklagten unverschuldet unbekannt gewesen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit einer sofortigen Beschwerde. Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem KG zur Entscheidung vorgelegt.

II. 1. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 269 Abs. 5, § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 ZPO zulässig. Über sie hat gem. § 568 Satz 1 und 2 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden.

2. Die sofortige Beschwerde ist begründet. Denn der Kläger muss gem. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits tragen, nachdem er die Klage zurückgenommen hat und die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO nicht vorliegen.

Zwar ist § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO nach der in der obergerichtlichen Rechtsprechung überwiegend vertretenen Auffassung auch dann anzuwenden, wenn der Anlass zur Klageerhebung schon vor Anhängigkeit weggefallen ist (OLG Hamm, Beschl. v. 23.1.2008 – 7 W 4/08, Rz. 12, zit. nach Juris; KG KGR 2008, 399; OLG Rostock OLGR 2008, 263; OLG München OLGR 2004, 218; a.A. mit beachtlichen Argumenten: OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 6.1.2004 – 25 W 78/03, zit. nach Juris; a.A. wohl auch OLG Karlsruhe OLGR 2007, 287, wonach die „bei Einreichung der Klage noch bestehende Erfolgsaussicht vor Zustellung weggefallen [sein muss]“). Jedoch führt § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auch bei Bejahung seiner Anwendbarkeit vorliegend aus zumindest doppeltem Grunde nicht zu einer Kostentragungspflicht des Beklagten:

a) In der Rechtsfolge des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO richtet sich die Kostentragungspflicht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Dies bedeutet, dass dem Beklagten nur dann die Kosten aufzuerlegen sind, wenn die Klage vor dem Wegfall des Einreichungsanlasses Aussicht auf Erfolg hatte (OLG Karlsruhe OLGR 2007, 287; OLG Brandenburg JAmt 2004, 507; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., 2008, § 269 Rz. 56; MünchKomm-Becker-Eberhard, ZPO, 3. Aufl., 2008, § 269 Rz. 64; stillschweigend so auch BGH NJW 2006, 775, 776, dazu EWiR 2006, 159 (Ch. Just)). Für dieses Verständnis des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO spricht seine Ähnlichkeit mit § 91a ZPO und die zu dieser Vorschrift ergangene, seit langem gefestigte entsprechende Rechtsprechung (vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 27. Aufl., 2009, § 91a Rz. 24 m.w.N.).

Vorliegend hätte die Zahlungsklage gegen den Beklagten zu keinem Zeitpunkt Erfolg gehabt. Denn bis zum Zeitpunkt der Zahlung wäre die Klage mangels Fälligkeit abzuweisen gewe-ZIP Heft 45/2009, Seite 2172sen und nach diesem Zeitpunkt wegen Erfüllung gem. § 362 BGB.

b) Zu Recht nehmen LG und Parteien an, dass § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO im Falle des Wegfalls des Klageanlasses vor Anhängigkeit allenfalls dann zu einer Kostentragungspflicht des Beklagten führt, wenn den Kläger kein Verschulden daran trifft, dass er die schon vor Klageeinreichung objektiv fehlende Erfolgsaussicht seiner Klage nicht erkannt hat (ebenso Roth, a.a.O., § 269 Rz. 53; Greger, in: Zöller, a.a.O., § 269 Rz. 18d; Foerste, in: Musielak, ZPO, 6. Aufl., 2008, § 269 Rz. 13a; ebenso offenbar auch OLG Hamm, Beschl. v. 23.1.2008 – 7 W 4/08, Rz. 13, zit. nach Juris: „[Der] Klageanlass ist ... weggefallen .... Hiervon konnte die Klägerin ... keine Kenntnis haben.“). Für die demgemäß einschränkende Auslegung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO spricht insbesondere, dass diese Vorschrift nicht zum Zweck hat, den im Kostenrecht geltenden, aus § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO folgenden Grundsatz zu ändern, wonach der Kläger vor Einreichung der Klage deren materielle Erfolgsaussicht auf eigenes Kostenrisiko prüfen muss (ebenso BGH BGHReport 2005, 1491). Die sehr viel differenzierteren Regeln über die Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf die Hauptsache sind für diesen Grundsatz – seit jeher – ohne Belang, etwaig zu berücksichtigende Beweiserleichterungen für den Beklagten (vgl. BGH ZIP 2007, 1755 = NJW 2007, 3067, dazu EWiR 2007, 687 (M. Wagner)) daher ebenso. Folglich kann § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO allenfalls dann zu einer ausnahmsweisen Kostenbelastung des Beklagten führen, wenn der Kläger zu einer Fehleinschätzung der Erfolgsaussicht aus Gründen gelangt, die ihm nicht vorzuwerfen sind.

Vorliegend hat der Kläger vor Einreichung der Klage deren Erfolgsaussicht nicht mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft. Denn zum einen hatte der Kläger hinreichend Anlass, sich über die Frage im Klaren zu werden, ob der Beklagte die streitgegenständliche Forderung bereits erfüllt hat. Dies folgt aus dem Umstand, dass der Beklagte die Erfüllung vorprozessual einwandte und hierüber eine umfangreiche schriftliche Korrespondenz zwischen den Parteien stattfand. Zum anderen standen dem Kläger Möglichkeiten der Klärung zur Verfügung, die er nicht nutzte, obgleich ihm die Nutzung zumutbar war. So standen dem Kläger als Insolvenzverwalter alle Geschäftsunterlagen der Gemeinschuldnerin von Rechts wegen zur Verfügung (vgl. § 148 Abs. 1 InsO). Es ist nicht ersichtlich und von dem insofern darlegungs- und beweispflichtigen Kläger nicht vorgetragen, dass diese Unterlagen unvollständig sind und sich in den Buchungsunterlagen etwa nicht der Zahlungseingang des Beklagten finden lässt (vgl. BGH NJW 2006, 775, wonach der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen trägt, die ausnahmsweise die Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO rechtfertigen). Die Durchsicht der Unterlagen darauf, ob sich in ihnen eine Bestätigung der Zahlung des Beklagten befindet, mag mühselig sein, war dem Kläger jedoch zuzumuten, weil er als Insolvenzverwalter ohnehin verpflichtet war, sich Kenntnis vom Inhalt der Unterlagen zu verschaffen (vgl. § 153 Abs. 1 InsO). Ferner war es dem Kläger zuzumuten, in der Handelsregisterakte Ausschau nach dem dort befindlichen Beleg für die Zahlung des Beklagten zu halten. Denn es war unbestritten zumindest früher üblich, Belege für die Erbringung von Stammeinlagen zu den Handelsregisterakten zu nehmen; diese Praxis musste dem Kläger als ortsansässigem Insolvenzverwalter bekannt gewesen sein. Zudem hat der Kläger die Akte tatsächlich eingesehen, weshalb es keinen sonderlichen Aufwand für ihn bedeutet hätte, bei der Einsichtnahme auch nach dem Beleg zu suchen.

c) Dahinstehen kann damit, ob § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO neben der ursprünglichen, später weggefallenen Erfolgsaussicht der Klage auch eine besondere Anlassgabe des Beklagten zur Klageerhebung – wie etwa bei § 93 ZPO – erfordert (bejahend wohl: Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 67. Aufl., 2009, § 269 Rz. 37; zum Problem vgl. auch: MünchKomm-Becker-Eberhard, a.a.O., § 269 Rz. 59 f.) und ob § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO im speziellen Falle des Wegfalls vor Anhängigkeit zudem erfordert, dass die klägerische Fehleinschätzung der Erfolgsaussicht der Klage auf einem Verschulden des Beklagten beruht. Ferner kann dahinstehen, ob – bejahendenfalls – diese Voraussetzungen vorliegend gegeben sind.

<einsender></einsender>Mitgeteilt von Richter am KG Dr. Heinrich Glaßer, Berlin</einsender><//einsender>

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2024 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell